Legierung,

Eine Legierung aus Eisen, Mangan, Cobalt und Chrom wird gut formbar, weil in ihr zwei Kristallstrukturen nebeneinander vorliegen können und die eine Struktur sich in die andere umwandeln kann. (Bild: Nature 2016 / Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH)

Idealerweise sollten Stähle und mit ihnen verwandte metallische Legierungen beides können: Sie dürfen nicht zersplittern, wenn sie etwa im Walzwerk verarbeitet werden oder als Autokarosserie in einen Unfall geraten. Sie müssen also duktil sein, wie Materialwissenschaftler es nennen. Sie sollten aber auch fest sein, damit sie sich nicht schon verformen oder gar brechen, wenn geringe Kräfte auf sie einwirken.

Einem Team um Dierk Raabe, Direktor am Max-Planck-Institut für Eisenforschung, und Cemal Cem Tasan, der an diesem Institut eine Forschungsgruppe leitete und mittlerweile Professor am Massachusetts Institute of Technology (deutsch: Institut für Technologie in Massachusetts) in den USA ist, ist es jetzt gelungen, beide Eigenschaften in einem Material zu kombinieren. Bislang waren sehr duktile metallische Werkstoffe nicht besonders fest und umgekehrt.

„Wir haben bei der Entwicklung dieses Materials eine neue Strategie verfolgt, die generell neue Möglichkeiten für das Design metallischer Werkstoffe schafft“, sagt Dierk Raabe. Das Team setzte bei einem Typ von Materialien an, der in der Werkstoffwissenschaft seit ein paar Jahren untersucht wird, aber für viele Anwendungen bisher zu spröde ist: Legierungen, in die Metallurgen ähnliche Mengen von typischerweise fünf oder mehr verschiedenen Metallen mischen.

Atomares Chaos macht Legierungen fest

Da sich die Atome der verschiedenen Elemente ohne erkennbare Ordnung auf die Positionen in den Kristallgittern dieser Stoffe verteilen und die Entropie gewissermaßen ein Maß für die Unordnung ist, heißen die Materialien Hochentropie-Legierungen. Solche Materialien können besonders fest sein, weil das Durcheinander der vielen verschiedenen Atome in einer Struktur die Bewegung von Versetzungen erschwert. Versetzungen sind Fehler im Kristallgitter, die durch einen Kristall wandern, wenn ein Material verformt wird. Die hohe Festigkeit der Legierungen mit der atomaren Unordnung bringt jedoch bislang auch einen Nachteil mit sich: Wenn ein solches Material unter einer Last nachgibt, verformt es sich üblicherweise sehr abrupt und bricht rasch: es verhält sich spröde.

Stähle, die hauptsächlich Eisen, in der Regel eine weitere Hauptkomponente und geringe Mengen anderer Bestandteile wie etwa Kohlenstoff, Vanadium oder Chrom enthalten, sind dagegen oft duktil. Sie sind also gerade nicht spröde, dagegen bislang oft noch nicht fest genug, um beispielweise den Bau von dünnwandigeren Autokarosserien zu ermöglichen. In den Kristallen von Stählen sind die Atome mehr oder weniger regelmäßig angeordnet. Besonders duktil werden Stähle allerdings, wenn sie dabei von einer in eine andere Struktur wechseln können. Denn dieser Prozess schluckt Energie, die in dem Material dann keinen Schaden mehr anrichten kann. In einer Karosserie oder anderen stählernen Bauteilen wechseln sich dann winzige Bereiche mit den beiden verschiedenen Atomordnungen ab.

Durch Wechsel der Kristallstruktur wird das Material duktil

Genau das Nebeneinander unterschiedlicher Kristallstrukturen galt in Hochentropie-Legierungen als schädlich – bislang. „Diese Auffassung haben wir jetzt gekippt, auch weil einige Untersuchungen aus jüngster Zeit gezeigt haben, dass es darauf nicht ankommt“, sagt Zhiming Li, der die materialwissenschaftliche Strategiewende zum Gegenstand seines Projektes gemacht hat. Gemeinsam mit seinen Kollegen hat Zhiming Li nach einem Material geforscht, das einerseits fest ist wie eine Hochentropie-Legierung und andererseits wie besonders duktile Stähle zwei Kristallstrukturen nebeneinander aufweist. Bei der Suche herausgekommen ist eine Legierung aus 50 Prozent Eisen, 30 Prozent Mangan und jeweils 10 Prozent Cobalt sowie Chrom.

„Mit dieser Legierung haben wir bewiesen, dass unser Konzept funktioniert“, sagt Dierk Raabe. „Wenn wir die Mikrostruktur und die Zusammensetzung weiter verbessern, können wir die Festigkeit und Duktilität aber sicher noch stärker erhöhen.“

Genau daran werden die Forscher nun arbeiten. So könnten sie der metallverarbeitenden Industrie die Entscheidung zwischen festen und duktilen Werkstoffen endgültig abnehmen. Die metallischen Werkstoffe aus der Düsseldorfer Materialschmiede dürften sich dann so leicht und kostengünstig verarbeiten lassen wie ein besonders duktiler Stahl und als Karosserie in einem Unfall auch genauso viel Energie des Aufpralls aufnehmen. Gleichzeitig dürfte der Werkstoff so fest sein, dass auch dünne und somit preiswerte sowie ressourcenschonende Bleche nicht schon bei einem schwachen Stoß nachgeben.

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