Wenn ich also schlecht verhandelt habe, muss ich die Stelle wechseln und mich hochpokern?
Es geht gar nicht ums Pokern, sondern darum, seinen eigenen Wert als Arbeitnehmer für ein Unternehmen richtig einzuschätzen. Kann ich das nicht, verkaufe ich mich wahrscheinlich unter Wert.

Ingenieuren wird oft nachgesagt, dass sie eher zu den introvertierten Zeitgenossen zählen. Wie schlagen sich denn Ihrer Erfahrung nach die Ingenieure bei Gehaltsverhandlungen?
Nach unseren Erfahrungen scheint das Sich-verkaufen anderen Absolventengruppen, etwa aus Marketing und Wirtschaft, eher im Blut zu liegen.Bei Ingenieuren ist es tatsächlich oft so, dass die sich unter Wert verkaufen. Das liegt vielleicht auch daran, dass Ingenieure besonders häufig aus persönlicher Begeisterung oder Freude an einem bestimmten technischen Bereich ihren Beruf wählen. Sie sind dann häufig schon mit der fachlichen Herausforderung des Jobs glücklich. Das ist ja auch toll und richtig so. Trotzdem sollten sie ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen.

Könnten Sie dafür bitte ein Beispiel geben?
Ingenieuren ist die Aufgabe sehr wichtig. Sie wollen beispielsweise unbedingt bei einem Automobilbauer oder in einem gewissen Bereich arbeiten. Und dann sind sie bereit, dafür Abstriche beim Gehalt hinzunehmen. Das merken die Personaler natürlich auch. Die wissen ganz genau, ob sie jemanden vor sich sitzen haben, den sie im Gehalt noch ein bisschen drücken können, weil der unbedingt diesen Job haben will.

Wie kann man das denn verändern, wenn man sich jetzt ertappt fühlt?
Absolventen haben oft das Gefühl, dass sie dankbar für die Einladung zum Vorstellungsgespräch sein müssen und nicht zu hoch pokern dürfen. Diese Einstellung ist grundsätzlich falsch. Sie müssen sich klarmachen: Sie sind gut ausgebildet, sie haben dem Unternehmen etwas zu bieten und sind keine Bittsteller. Und in gewisser Weise bewerben sich die Unternehmen auch bei den Kandidaten.

Und wie geht man am besten konkret mit der Frage nach dem gewünschten Gehalt um? Soll man daraufhin beispielsweise eine Gehaltsspanne nennen?
Wir vom Staufenbiel Insititut raten immer dazu, dass die Leute sich konkrete Gehaltsmarken setzen. Wir raten davon ab, auf die Frage „Was wollen Sie denn bei uns verdienen?“, eine Spanne zu nennen. Weil das so aussieht, als wüssten sie nicht, was sie wert sind.Außerdem geht jemand, der sagt: „Zwischen 40.000 und 45.000 Euro hätte ich gerne“ wahrscheinlich mit 39.000 Euro raus. Also sollte man lieber sagen, dass man gerne 45.000 Euro hätte.

Also soll man sich für gar keine Gehaltsspanne entscheiden?
Doch, man muss sich vor dem Gespräch den eigenen Spielraum klarmachen! Aber den würde ich dem Personaler nicht aufs Auge drücken, sondern für mich selbst festmachen: Mindestens 40.000 Euro hätte ich gerne, super wären 50.000 Euro – und rauskommen sollten schon die 45.000 Euro in der Mitte. Und dann würde ich mir im Gespräch immer wieder diese Marken ins Gedächtnis rufen, weil man sonst Gefahr läuft, sich zu weit runterhandeln zu lassen. Am Ende des Gesprächs denkt man dann: Das Ergebnis wollte ich doch eigentlich gar nicht. Wenn ich mir aber konkrete Werte klargemacht habe, dann sollte ich überlegen, unter welchen Bedingungen ich bereit wäre, mich auf die untere Summe einzulassen oder das mittlere Gehalt zu akzeptieren. Es gibt ja Dinge, die das aufwiegen können und dann durchaus rechtfertigen. Im Extremfall muss man sich auch trauen zu sagen, dass die Vorstellungen so weit auseinander liegen, dass es nicht passt.

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