Jachten

Was haben die Jachten Eiswette, Vibrant Curiosity und Mad Summer gemeinsam? Sie alle fahren mit Getrieben der Firma Reintjes.

Neu ist die getaktete Montageorganisation im Fluss: Im One-Piece-Flow rollen die Getriebe auf Rundschienen von Strothmann von Station zu Station.

Im vergangenen Jahrzehnt erlebte der Schiffsverkehr, vor allem der Containertransport, enorme Zuwächse. Der Umsatz von Reintjes ist innerhalb dieser kurzen Spanne bis zum Rekordjahr 2008 auf das nahezu Dreifache gestiegen, gestützt von Millioneninvestitionen in Maschinen und Fertigungsstätten. Dipl.-Ing. Christian Coninx, Bereichsleiter Produktion bei Reintjes, erinnert sich: „Trotz Dreischichtbetrieb mussten unsere Kunden für manche Getriebetypen mehr als ein Jahr Lieferzeit einplanen.“

Obwohl der Hersteller dadurch keine Absatzprobleme hatte, sollte eine Entlastung her. Man dachte in erster Linie an eine neue Fertigungsstätte, die unter Gesichtspunkten von Materialfluss- und Prozessoptimierung zu gestalten sei. „Wir waren voll ausgelastet und hatten keine eigenen Kapazitäten mehr, um ein entsprechendes Konzept zu entwickeln. Unter vier ausgewählten Beratungsunternehmen, die wir in die engere Wahl genommen haben, überzeugte uns das praxisnahe und ressourcenschonende Konzept der Staufen AG am meisten“, so Coninx. Denn der gewählte Ansatz machte es möglich, Teile der Produktion und der Auftragsabwicklung nach Lean-Gesichtspunkten umzugestalten, statt kostenintensiv neue Gebäude errichten zu müssen.

Die sogenannten Kleingetriebe von Reintjes liegen im Leistungsbereich von 250 bis 1600 kW. Ihre Einsatzbereiche reichen von Fischereifahrzeugen bis zu Flusskreuzfahrtschiffen. Die Montagelinie für diese Getriebe sollte optimal organisiert werden. Um den Mitarbeitern ein Auge dafür mitzugeben, welche Prozesse wertschöpfend sind und welche nicht, setzten die Berater der Staufen AG als erstes eine Lean-Basisschulung an – ein weiterer Aspekt, der Christian Coninx und seine Kollegen überzeugte, die richtige Wahl getroffen zu haben.

Arbeitsplätze selbst gestalten

Das Augenmerk lag dabei auf der gesamten Prozesskette vom Auftragseingang bis zur Auslieferung. Den Zielen, nicht-wertschöpfende Tätigkeiten wie zum Beispiel viele der innerbetrieblichen Transporte auf ein Minimum zu reduzieren und die verbleibenden Abläufe möglichst effektiv zu gestalten, kam man so ein gutes Stück näher. Schlagworte wie Lean Administration, Lean Development, Lean Logistics oder Lean Factory wurden den Mitarbeitern ebenfalls ein Begriff. Gemäß des Toyota-Produktionssystems, an dem sich Staufen orientiert, lernten sie die Grundlagen für die Ausrichtung der direkten und indirekten unternehmerischen Aktivitäten an Lean-Merkmalen kennen.

„Die konsequente Umsetzung von Lean Management über die gesamte Wertschöpfungskette versetzt Unternehmen in die Lage, wettbewerbsdifferenzierende Prozesse zu realisieren“, erklärt Dipl.-Ing. Thomas Schlösser, Senior Manager der Staufen AG und Experte für die Implementierung von Wertschöpfungssystemen und prozessorientierten Fabrikstrukturen.

Wichtige Zutaten zur effektiven Montageorganisation sind die Mitarbeiterqualifikation und die Einbeziehung ihrer Kenntnisse und Ideen. Schlösser beschreibt seine Herangehensweise so: „Wir wollen unseren Kunden das Wissen und die Werkzeuge geben, innerbetriebliche Prozesse selbst kontinuierlich zu verbessern.“ Nach einer Bestandsaufnahme moderierte er den Prozess für die Konzepterstellung der ersten Montagelinie.

Als Coninx und sein Team einen Entwurf erarbeitet hatten, forderte Schlösser die Gruppe auf, alle notwendigen Arbeitsplätze aus Karton aufzubauen. So erstaunlich der Vorschlag für Coninx war, die sehr guten Erfahrungen der Staufen AG mit dieser Praxis überzeugten ihn schnell. Unglücklicherweise brach zu jener Zeit die Nachfrage nach Schiffsgetrieben im gesamten Wirtschaftszweig ein, wie es 2009 viele Industrien erlebten. Sollte das Projekt fortgeführt werden? „Wann, wenn nicht jetzt“, war man sich bei Reintjes einig. Christian Coninx führt aus: „Wir hatten die Kapazitäten und Herr Schlösser hatte uns auf den richtigen Weg gebracht.“ Ein gemischtes Team aus erfahrenen Mitarbeitern und experimentierfreudigen jungen Kollegen machte sich daran, den eigenen zukünftigen Arbeitsplatz zu gestalten.

Durchlauf in Einzelstück-Fließmontage

Studien und Untersuchungen zeigen: Die effizienteste Form der Montage ist die Fließmontage. Doch noch immer überrascht es viele, dass sie sich auch bei großen Produkten mit langen Taktzeiten und Varianzen durchführen lässt. Die Monteure von Reintjes arbeiteten bisher in Boxenmontage und nun sollte die Montage im Fluss erfolgen – da kamen Zweifel auf, ob das effizient bewerkstelligt werden könnte. Schlösser gab die Maßgabe vor, nicht an den Transport der Getriebe zu denken, sondern allein alle notwendigen Arbeitsschritte optimal anzuordnen. Coninx und sein Team definierten die Arbeitsplätze und überlegten unvoreingenommen, welche Aufgaben einbezogen und welche Stationen praktischerweise zusammengefasst werden sollten.

So entschieden sie zum Beispiel, die Verkabelung zu integrieren, die bei Reintjes zuvor zentral ausgeführt wurde. Der vorhandene Prüfstand wurde räumlich nicht integriert, aber der Montagelinie fest zugeordnet und in die Taktung integriert. Allerdings wurde der Platz dafür am Ende der Montagelinie bereits vorausschauend einkalkuliert, sodass jederzeit eine räumliche Integration realisiert werden kann.

Nun durchlaufen die Werkstücke die Produktion in Einzelstück-Fließmontage (One-Piece-Flow). Dabei gibt es unterschiedliche Konzepte, einzelne Takte beziehungsweise den gesamten Montageprozess den Mitarbeitern zuzuordnen. Entsprechend war eine Qualifikation der Mitarbeiter für die Arbeitsschritte zu realisieren. Die Einzelstück-Fließmontage führt zu hoher Qualität und Produktivität und verbessert die Transparenz der Arbeitsabläufe. Probleme werden sichtbar und können an der Quelle abgestellt werden. Zudem werden die Durchlaufzeiten und die Bestände reduziert. Ein Kleingetriebe wiegt zwischen 300 und 2300 Kilogramm.

Nun, da die Arbeitsstationen in dichter Abfolge angeordnet und die Taktzeiten kalkuliert waren, sollte eine effiziente Lösung zum Transport der Getriebe von Station zu Station her. „Wir haben in einer anderen Fertigungsstätte die klassische Schiene verwendet“, berichtet Coninx. „Wir waren auf der Suche nach neuen, besseren Lösungen. Staufen hat uns daraufhin mit Strothmann zusammengebracht. Schon auf den ersten Blick war klar, dass bei der Rundschiene der größte Nachteil klassischer Schienen wegfällt: Sie stellt kein Hindernis für andere Fahrzeuge und Mitarbeiter dar, sondern fügt sich perfekt in den Boden ein.“

Rundschienen
Die Wagen laufen auf Rundschienen, die sich so in den Hallenboden fügen, dass beispielsweise Rollregale sie wie im Bild leicht queren können.

Wie schnelle Schiffe mit leichten Getrieben ausgestattet werden, um Ballast zu vermeiden, hat auch Strothmann die Rundschiene mit dem Gedanken entwickelt, Güter mit Leichtigkeit zu bewegen. Schlösser wusste darüber hinaus, dass die Rundschiene allen industriellen Anforderungen gewachsen ist: „Wir bei Staufen haben die Rundschienen-Technologie auch schon anderen Kunden empfohlen. Bei Reintjes hat sie sich angeboten, weil sich die Schienenstränge einfach verlegen lassen und der Transport mit den speziellen Wagen ohne Stromverbrauch leicht manuell erfolgen kann.“

Geringes Eigengewicht und hohe Laufruhe, beides Eigenschaften von Reintjes-Getrieben für leichte, schnelle Schiffe, zeichnen auch die Rollwagen von Strothmann aus. Denn jedes Gramm Extragewicht kostet mehr Energie für den Transport, und auch die Reduzierung der Rollreibung hilft hier Sparen. Das Rundschienen-System kombiniert Rundstangen aus gehärtetem und geschliffenem Stahl mit Laufrädern aus Kugellagerstahl, die durch konkave Profile nur kleine Berührungsflächen mit den Schienen haben. Diese patentierte Technologie gewährleistet hervorragende Verschleißfestigkeit und minimiert zugleich den Rollwiderstand.

Hubwagen
Die Hubwagen sind ergonomische Arbeitsplätze, die sich leicht bewegen und der gewünschten Höhe anpassen lassen.

Strothmann hat speziell für die Fließmontage der Kleingetriebe Hubwagen für 3000 kg Traglast konstruiert, die im beladenen Zustand von den Mitarbeitern leicht per Hand bewegt werden können. Die Wagen dienen als mobile, ergonomische Arbeitsplätze, auf denen die Werkstücke während des gesamten Montageprozesses liegen. Sie werden mit Feststellern fixiert und am Ende der Produktionslinie zum Rücktransport mit Gabelstaplern aufgenommen und am Anfang wieder in die Schienen eingefädelt.

Fazit: Das Projekt stellt für Reintjes einen Meilenstein dar und wird auf die zukünftige Weiterentwicklung des Produktionsstandortes tiefgreifende Auswirkung haben. Es lieferte den Beleg, wie durch das Zusammenwirken der langjährigen Erfahrung der Reintjes-Mitarbeiter und des stringenten Einsatzes neuer Methoden durch die Staufen-Berater sowie letztendlich der richtigen Technologie von Strothmann eine Produktion in Fluss kommt – mit deutlich höherer Produktivität und Flexibilität und nicht zuletzt mit noch zufriedeneren Mitarbeitern.

Sie möchten gerne weiterlesen?