Designstudie,

Designstudie: Mit der additiven Fertigung lassen sich luftige, organisch anmutende Strukturen herstellen. (Bild: Autodesk)

Branchenexperten schätzen, dass der Prototypenbau nach wie vor das wichtigste Geschäftsfeld für Anbieter von 3D-Druck ist. Doch das Bild wandelt sich. Die Serienproduktion mittels additiver Fertigung wird wichtiger. Steffen Kuhn von Materialise, einem internationalen Dienstleister im 3D-Druck erklärt: „Bedingt wurde diese Entwicklung auch dadurch, dass die Maschinen, die Technologie und die Materialien in letzter Zeit immer besser wurden.“

Denn um ein Bauteil zu fertigen, müssen die Drucker ganz andere Anforderungen erfüllen, beispielsweise was die Oberflächengüte angeht, als auf die Schnelle einen Prototyp oder ein Anschauungsstück herzustellen. In einigen Fällen sind additive Fertigungsverfahren heute schon die bessere Lösung.

Im Prototypenbau wissen inzwischen viele Hersteller die Vorteile des 3D-Drucks zu schätzen. Thomas Freund, Ingenieur im Applikationsengineering bei Pepperl+Fuchs berichtet: „Wir haben vor zweieinhalb Jahren einen ersten kleinen Drucker angeschafft.“ Vor allem in der Entwicklung kundenspezifischer Produkte mache sich das Gerät bezahlt, fährt er fort: „Ein konkreter Gegenstand ist eine viel anschaulichere Diskussionsgrundlage als eine CAD-Zeichnung auf Papier. Damit kann ich dem Kunden genau zeigen, wie wir uns das Bauteil vorstellen; er kann es selbst in die Hand nehmen und ausprobieren.“

In diesem Jahr will die Firma einen zweiten, größeren Drucker anschaffen, mit dem auch mehr Materialvarianten möglich sind. Neben dem Prototypenbau setzt der Sensor-Hersteller seinen Drucker auch für die Prüfplanung und Vorserien ein. Für die eigentlichen Produkte verwendet das Unternehmen aktuell jedoch herkömmliche Fertigungsverfahren.

Die Zurückhaltung einiger Unternehmen beim Thema Serie hat gute Gründe: Es müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, damit sich die additive Fertigung von fertigen Produkten lohnt. Interessant wird es, wenn eine komplexe Form realisiert werden soll. Das kann der Fall sein, wenn die Konstrukteure Funktionen – wie beispielsweise Befestigungssysteme oder Medienführung – integrieren. Auch im Leichtbau spielt der 3D-Druck seine Stärken aus: Mit moderner Konstruktionssoftware lassen sich Bauteile hinsichtlich des Gewichtes verbessern. Das Ergebnis sind filigrane luftige Konstruktionen, die sich mit anderen Fertigungsverfahren nur schwer oder gar nicht herstellen lassen.

Ersatzteile für Mensch und Maschine

Gasturbine aus dem Drucker,
Von rund zu eckig: Der fließende Übergang ist mit anderen Verfahren schwierig herzustellen. Das Rohrstück wird später zwei Teile einer Gasturbine verbinden. (Bild: Siemens)

In der Medizintechnik steigt der Stern der 3D-Drucker weiter. Patienten profitieren von individuell hergestellten Prothesen; Bohr- und Sägeschablonen erleichtern Chirurgen die Arbeit und senken so die Zeit der Operation. Das kommt nicht nur den Patienten zugute. „Eine Stunde weniger im OP bedeutet einen Tag weniger Aufenthalt im Krankenhaus“, argumentiert Kuhn. Entsprechend geringer fallen die Kosten für den stationären Aufenthalt aus.

Wachstum verheiße auch der Ersatzteilmarkt, fährt der Manager fort. Angesichts der kurzen Geschichte der Serienproduktion mittels 3D-Druck will zwar selbst der Experte keine genaue Prognose abgeben, stellt aber fest: „Wenn ich unsere Kunden betrachte, dann setzen sich vor allem sehr große Unternehmen mit der Thematik auseinander.“

Wenig überraschend gehört auch Siemens zu dieser Gruppe. Der Konzern fertigt additiv beispielsweise Brennerspitzen als Ersatzteile für Gasturbinen. Dabei geht es vor allem um die Reparaturzeit: Um bis zu 90 Prozent habe sich diese bei einigen Modellen verringert, berichtet das Unternehmen auf seiner Webseite. Das Bauteil wird aus Stahlpulver direkt auf den Brennerrumpf gedruckt.

Ein Indikator, dass sich die additive Fertigung lohnen könnte, ist die Standzeit. Wenn es um langlebige Wirtschaftsgüter wie Eisenbahnen, Autos und Flugzeuge geht, ist die Rechnung relativ einfach: „Diese Produkte haben eine Lebensdauer von 20, 30, 40 Jahren. Aber dort sind viele Kunststoffteile im Einsatz, deren Verfallsdatum deutlich früher abläuft: Nach etwa zehn Jahren können erste Schwierigkeiten auftreten“, erklärt Kuhn. Auf lange Sicht könnte es sich für die Hersteller daher rechnen, Ersatzteile nach Bedarf herzustellen, anstatt sie über Jahrzehnte hinweg auf Vorrat zu lagern.

Für eine Handvoll Bauteile

Auch bei sehr kleinen Stückzahlen und individualisierten Produkten könnten sich Bauteile aus dem Drucker lohnen: „Produziert wird nur, was der Anwender bereits geordert und bezahlt hat. Es gibt damit also keine Mindestbestellmengen mehr“, gibt der Manager zu bedenken. Der Trend ist jedem aus der Automobilindustrie bekannt, wo sich die Kunden ihre Modelle individuell aus einzelnen Komponenten zusammenstellen. „Dies setzt sich in den anderen Industriezweigen fort. Das bedeutet: Heute produzierende Unternehmen sind künftig gezwungen auf Kundenanforderungen zu reagieren und teilweise Bauteile auch in kleinen Mengen zu liefern“, schlussfolgert Kuhn, der bei Materialise in der Geschäftsfeldentwicklung Serienproduktion arbeitet.

Dieser Gedanke liegt auch dem EGrip-Angebot von Schunk zugrunde. Der Hersteller von Spann- und Greiftechnik hat sich zum 3D-Druck ein eigenes Geschäftsmodell erdacht, das der zunehmenden Individualisierung von Industrieprodukten Rechnung tragen soll: Die Kunden laden über die Webseite des Anbieters ein Bauteil oder Werkstück als STEP- oder STL-Datei hoch. Anschließend ergänzen sie einige Daten wie Gewicht und Einbaulage. Das firmeneigene Designtool errechnet aus den Angaben passende Greiferfinger, welche die Anwender dann bestellen können.

Die Maßnahme zielt auf die Konstruktions- und Lieferzeiten: Um bis zu 97 beziehungsweise 88 Prozent ließen sich diese senken, schreibt Markus Klaiber, der technischer Geschäftsführer in dem Unternehmen ist. So brauche ein Konstrukteur selbst bei komplexen Formen weniger als 15 Minuten, um die Konstruktion und Bestellung abzuschließen.

Die Industrie ist noch dabei, die Möglichkeiten der Technik für fertige Produkte auszuloten: Eine Studie des US-Beratungsunternehmens Wohlers Associates schätzt den Markt für additive Fertigung auf mehr als drei Milliarden US-Dollar (etwa 2,7 Milliarden Euro). Die Herstellung von fertigen Produkten mache davon 34,7 Prozent aus, so der Report von 2014. Die Berater des Unternehmens sind optimistisch, dass die Herstellung von Einzelstücken und Kleinserien weiter steigen wird, ebenso wie der Markt für Klein-Drucker im privaten Hausgebrauch.

Das eGrip-Angebot von Schunk,
Schneller zum individuellen Greiferfinger: Bei Schunk spielen Software und 3D-Druck zusammen um Konstruktions- und Lieferzeit zu sparen. (Bild: Schunk)

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