Der Multi besteht aus mehreren Kabinen pro Schacht und ermöglicht eine vertikale und horizontale

Der Multi besteht aus mehreren Kabinen pro Schacht und ermöglicht eine vertikale und horizontale Bewegung . (Bild: ThyssenKrupp)

Thyssenkrupp setzt erstmals Linearmotoren an Aufzugskabinen ein: Im seillosen Multi-System teilen sich mehrere Kabinen einen Schacht und bewegen sich nicht nur vertikal, sondern auch horizontal. Das System soll Platz sparen, mehr Passagiere transportieren und Architekten von lästigen Beschränkungen befreien.

Thyssenkrupp setzt erstmals Linearmotoren an Aufzugskabinen ein und überträgt Nahverkehrskonzepte mit Haupt- und Zubringerstrecken auf den Personentransport innerhalb von Gebäuden. Die Multi-Aufzugstechnologie erhöht Beförderungskapazitäten und Effizienz und senkt gleichzeitig den Platzbedarf. Zusätzlich gehören Spitzenlasten beim Stromverbrauch durch anfahrende Aufzüge der Vergangenheit an. Durch mehrere Kabinen im gleichen Schacht, die sich vertikal und erstmals auch horizontal bewegen, sind unterschiedliche Höhen, Formen und Nutzungskonzepte von Gebäuden möglich. Den ersten Prototyp testet das Unternehmen ab 2016.

Mit dem Mulit-System macht die Aufzugsindustrie einen Schritt nach vorn: Die Beförderungslösung eignet sich für Gebäude mittlerer und großer Höhe. Das Besondere an dem Konzept: Mehrere Kabinen, die unabhängig voneinander fahren, nutzen den gleichen Aufzugsschacht. Realität wird diese Vision durch den Antrieb per Linearmotor. Das nötige Know-how eignete sich das Unternehmen beim Transrapid-Projekt an.

Ähnlich wie im Paternoster können mehrere selbstfahrende Aufzugskabinen pro Schacht in einem Umlaufsystem betrieben werden. Dadurch erhöht sich die Beförderungskapazität in einem Schacht um bis zu 50 Prozent, ebenso wie der Platzbedarf des Aufzugs in einem Gebäude. Das seillose System erhält ein mehrstufiges Bremssystem und eine berührungslose Energieübertragung (IPT) vom Schacht auf die Kabine. Es kommt daher mit kleineren Schächten als herkömmliche Aufzüge aus.

Das Unternehmen rechnet damit, dass sich die Nutz- und Wohnfläche eines Gebäudes damit um bis zu einem Viertel erhöht. Die höhere Gesamteffizienz schlägt sich in einem geringeren Bedarf an Fahrtreppen und zusätzlichen Aufzugsschächten nieder.

Höher hinauf dank Leichtbauweise

Das System eignet sich besonders für Gebäudehöhen ab 300 Meter, wobei es auch unterhalb dieser Marke eingesetzt werden kann. Interessant ist dabei, dass die Gebäudekonstruktion nicht länger durch die Höhe oder die vertikale Anordnung der Aufzugsschächte eingeschränkt wird. Für Architekten und Gebäudeentwickler ergeben sich so neue Möglichkeiten.

Der Multi besteht aus mehreren Kabinen pro Schacht und ermöglicht eine vertikale und horizontale Bewegung (Bild: ThyssenKrupp).

Der Multi besteht aus mehreren Kabinen pro Schacht und ermöglicht eine vertikale und horizontale Bewegung (Bild: ThyssenKrupp).

Beim Multi wendet das Unternehmen das Steuersystem und die Sicherheitsmerkmale des Twin-Systems an. Darüber hinaus ergänzen neue Elemente das Konzept: Bei der Entwicklung von Kabine und Türen setzt das Unternehmen neue Materialien in Leichtbauweise ein. Dies senkt das Gewicht um 50 Prozent im Vergleich zu Standardaufzügen. Der Linearantrieb ermöglicht dazu die horizontale und vertikale Bewegung des Aufzugs. Das Konzept soll den veränderten Anforderungen an Aufzüge gerecht werden. Andreas Schierenbeck, Vorstandsvorsitzender bei Thyssenkrupp Elevator, sagte bei der Vorstellung in der Konzernzentrale in Essen: „Wir haben in den letzten Jahrzehnten eine enorme Weiterentwicklung von Gebäuden erlebt. Größere Gebäude erfordern immer höhere Transportkapazitäten.“

Das System bewegt sich in einem Umlaufsystem mit einer Geschwindigkeit von bis zu fünf Meter pro Sekunde. Dadurch erhalten Passagiere alle 15 bis 30 Sekunden Zugang zu einer Aufzugskabine. Für Schierenbeck ist dieser kontinuierliche Passagierfluss einer der großen Vorteile des Systems: „Pro Jahr warten Büroangestellte in New York City zusammen 16,6 Jahre auf einen Aufzug, weitere 5,9 Jahre verbringen sie in den Kabinen. Diese Zahlen zeigen, dass die Erhöhung der Verfügbarkeit von Aufzügen immens wichtig ist.“

Um das Produkt zu testen, hat das Unternehmen in Rottweil am 16. Dezember 2014 mit dem Bau eines Testturms begonnen. Dort soll auch die Zertifizierung des Liftprojektes stattfinden. „Der Turm wird bis Ende 2016 fertiggestellt sein, und bis dahin werden wir einen Prototypen des Multi bereit zum Einsatz haben“, kündigt Schierenbeck an. Insgesamt neun Testschächte stehen den Forschern und Entwicklern des Unternehmens für künftige Aufzugsinnovationen zur Verfügung. Drei von diesen Schächten, jeweils 100 Meter hoch, sind für das Multi-System vorgesehen. do

Zahlen und Fakten

Urbanisierung und der globale Aufzugsmarkt

Die Urbanisierung ist ein Trend: Die Bevölkerungswanderung vom Land in die Stadt wird die baulichen und infrastrukturellen Anforderungen neu definieren. Bis 2025 müssen schätzungsweise zusätzliche 85 Prozent der vorhandenen Stadtfläche neu gebaut werden, heißt es in einem Bericht des McKinsey Global Institute von 2012. Das bedeutet ein Neubauvolumen von städtischer Fläche in Höhe von schätzungsweise 58 Billionen Euro. Da in urbanen Gebieten die verfügbare Fläche begrenzt ist, sind Gebäude mittlerer und großer Höhen die effizienteste Bauoption. Das bedeutet einen enormen Bedarf an Mobilitätslösungen wie Aufzüge. Bis 2016 wird für den weltweiten Markt an Aufzugsanlagen, einschließlich Aufzügen, Fahrtreppen und Fahrsteigen, sowie Dienstleistungen ein Anstieg von über fünf Prozent jährlich auf 52 Milliarden Euro vorausgesagt.

Autor: Michael Ridder, Thyssenkrupp Elevator

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