Asynchronmotoren im Kreuzfeuer der Energiesparverordnung 1
Gesamtsystem
Jede Komponente der Energieverbrauchskette kann zwar bereits zu einer Verbesserung der Energieeffizienz beitragen, maximale Energieeffizienz lässt sich jedoch nur durch die Betrachtung des Gesamtsystems erreichen. (Bild: WEG)

Drehstrom-Asynchronmotoren sind die Arbeitspferde der Industrie. Sie sind robust, wartungsarm und kostengünstig. Aktuell laufen nach Aussage des Zentralverbandes Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) rund 35 Millionen Drehstrommotoren allein in Deutschland. 85 Prozent davon sind Normmotoren, die mit konstanter Drehzahl über das Stromnetz betrieben werden. Mehr als die Hälfte dieser Motoren wird dabei im Leistungsbereich zwischen 25 und 500 Kilowatt betrieben. Da viele dieser Motoren über zehn Jahre und älter sind, würden sich nach Aussage des ZVEI beim Ersatz durch energiesparendere IE2- und IE3-Motoren in Deutschland jährlich 33 Milliarden Kilowattstunden Strom einsparen lassen.

Entwicklung nicht ohne Probleme

Drehstrommotoren
Die Drehstrommotoren m200-P und m500-P von Lenze erreichen die Premium-Effizienzklasse IE3 nach IEC60034-30 ohne Baugrößensprünge im Vergleich zur Effizienzklasse 2. (Bild: Lenze)

Allerdings zieht das Streben nach immer höheren Wirkungsgraden zwangsläufig konstruktive Veränderungen an Elektromotoren nach sich. Zu den Anpassungen gehören unter anderem ein erhöhter Einsatz an aktivem Material – also mehr Wickelblech und Kupfer – sowie optimierte Luftspalte und Verbesserungen am Kühlsystem.

„VEM beschäftigt sich bereits seit 1998 mit der Thematik Energieeinsparung und entwickelte damals Energiesparmotoren im Rahmen des Voluntary Agreement of CEMEP, bei dem sich die europäischen Hersteller von Elektromotoren im Leistungsbereich von 1,1 bis 90 Kilowatt freiwillig dazu bekannten, Niederspannungs-Drehstrommotoren mit einem verbesserten Wirkungsgrad herzustellen“, sagt Lutz Schube, Sachgebietsverantwortlicher Marketing bei VEM Motors in Wernigerode.

„Zum Erreichen der vorgegebenen Grenzwerte für die Wirkungsgrade von IE2- und IE3-Motoren waren weitere konstruktive Maßnahmen notwendig, die einen Mehreinsatz von Dynamoblech und Wickelkupfer im Stator erforderten. Mit dem Einsatz von Kupfer-Druckguss-Rotoren und der Optimierung von Lager und Belüftung konnte in Summe eine deutliche Senkung der Motorverluste erreicht werden.“

Wichtig hierbei: Trotz deutlich höherem Materialeinsatz bleiben die in der EN 50347 festgelegten Zuordnungen von Leistung und Achshöhe eingehalten. Dies vereinfacht den Austausch von Normmotoren enorm. Da in vielen Fällen die höhere Energieeffizienz mit dem gleichen Gehäuse bei höherem Motorgewicht erzielt wird, braucht die mechanische Konstruktion der Maschine nicht geändert werden.

Auch Motorenhersteller wie ABB, Lenze und WEG überarbeiteten ihre Motoren und verbesserten den Wirkungsgrad unter anderem durch eine höhere Kupfermasse des Stators, dünnere Siliziumbleche im Kern und eine verbesserte Kühlung. „Die Modifikationen bedingen allerdings eine höhere Induktivität.

Die Folge ist, dass Einschalt- und Anlaufströme bei IE3-Motoren um über zwanzig Prozent höher als bei konventionellen Modellen sind“, erläutert Ralf Peschel, Produktmanager Niederspannungsmotoren bei ABB Automation Products. Entsprechend müssen vor allem Motorschutzschalter und deren Kurzschlussauslöser den neuen Bedingungen gewachsen sein.

Klaus Sirrenberg,
„In anderen Teilen der Erde ist die Energieeffizienzklasse IE3 schon viel länger vor- geschrieben, beispielsweise in den USA seit 2011.“ Klaus Sirrenberg, WEG. (Bild: WEG)

In der Praxis bedeutet das, dass die magnetische Auslösung auf höhere Werte angepasst werden muss. Die Schaltgeräte, die alle Anforderungen für den zuverlässigen Betrieb von IE3-Motoren erfüllen, sind bei ABB bereits seit Mitte 2014 verfügbar.

Auch Lenze kommt bei den neuen IE3-Motoren ohne Achshöhensprünge aus. „Bei der Betrachtung sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die IE3-Motoren ein größeres Massenträgheitsmoment haben“, wendet Thorben Steinmann, Produktmanager Elektromechanik bei Lenze in Hameln, ein.

„Bei Anwendungen mit häufigen Drehzahländerungen kann es deshalb vorkommen, dass mehr Energie verbraucht wird als durch den Einsatz von eigentlich geringer effizienten IE1- oder IE2-Motoren. Außerdem können IE3-Motoren ein höheres Anlaufmoment erzeugen, sodass bei der Dimensionierung darauf geachtet werden muss, dass das höhere Drehmoment nicht andere mechanische Komponenten wie beispielsweise Getriebe beschädigt.“

WEG betont, dass die Umsetzung der aktuellen Motorenrichtlinie kein Problem für das Unternehmen darstelle, „da wir bereits seit vielen Jahren IE3-Motoren und seit 2012 sogar IE4-Standardmotoren anbieten, denn in anderen Teilen der Erde, in denen wir sehr aktiv sind, ist die Energieeffizienzklasse IE3 schon viel länger vorgeschrieben, beispielsweise in den USA seit 2011“, sagt Klaus Sirrenberg, Direktor Low Voltage Products bei WEG in Deutschland.

 

Thorben Steinmann
„Die größten Einsparungen ergeben sich, wenn Überdimensionierungen auf ein Minimum reduziert werden.“ Thorben Steinmann, Lenze (Bild: Lenze)

Bereits seit der ersten Entwicklung seiner W22-Motorenbaureihe versucht WEG die Motorbaugrößen im Sinne von Achshöhen und Fußmaßen möglichst konstant zu halten. „Das durchgängige Konzept war von Anfang an so ausgelegt, dass immer höhere Effizienzklassen erreicht werden sollten, ohne von den kosteneffizienten Drehstrom-Asynchronmotoren abrücken zu müssen“, erklärt Sirrenberg.

„Die IE3-/IE4-Asynchron-Niederspannungsmotoren entsprechen der Norm DIN EN 50347 und können deshalb in der Regel problemlos gegen IE1- oder IE2-Motoren ausgetauscht werden.“ Allerdings werden Kunden aus ökonomischen Gründen weiterhin IE2-Motoren in Verbindung mit Frequenzumrichtern verwenden. Wie lange das IE3-Zeitalter andauern werde, sei schwer zu sagen. „Der IE3 ist gerade erst verpflichtend geworden und wird im Jahr 2017 für die kleinen Leistungsbereiche von 0,75 bis 375 Kilowatt Gesetz.

Und danach wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis sich in Sachen Energieeffizienzklassen für Standardindustriemotoren wieder etwas Grundsätzliches tut“, prognostiziert Sirrenberg. Bisher wurden viele Asynchronmotoren überdimensioniert, da man bei einer Einsatzzeit von mehreren Jahrzehnten auch mit künftigen Produktionssteigerungen und damit Lastveränderungen rechnete, bei denen man nicht immer wieder Motoren tauschen wollte.

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