Rennsimulator,

Rennsimulator von Nord Drivesystems: Servotechnik aus zweistufigem Kegelradgetriebe, Asynchronmotor und dezentralem Frequenzumrichter. (Bild: Nord Drivesystems)

Realistisch gesehen verdient der Servomotor seinen Namen eigentlich gar nicht. Hilfsmotor, vom lateinischen Servus, also Sklave, Diener, das ist er schon lange nicht mehr. Klar, im Modellbau, bei Modellautos oder -flugzeugen, da gibt es noch den Haupt-Antrieb mit Verbrennungsmotor und die Servos, die die kleinen Bewegungen für die Lenkung, Gashebel und Bremsen ausführen. Aber in vielen industriellen Anwendungen übernehmen Servoantriebe die Hauptaufgabe, sind sie die prozesskritischen Elemente. Vor allem in der Form ihrer leistungsstarken Geschwister, der Torque-Motoren, sorgen sie dafür, dass fallweise auf Getriebe verzichtet werden kann. Das Geräuschniveau sinkt, und die höhere Antriebssteifigkeit reduziert oft das Verdrehspiel.

Eine Zeit lang waren die Servo- und Torque-Antriebe fast die Shooting Stars des Maschinen- und Anlagenbaus. Der Trend zu immer mehr Automatisierung spielte der Technologie in die Hände. Dank steigender Stückzahlen wurden sie preiswerter und daher in immer mehr Anwendungen eingesetzt. Doch die Unwägbarkeiten der Globalisierung sorgten auch hier für Verunsicherung: Die künstliche Verknappung des Rohstoffs Seltene Erden durch den damaligen Quasi-Monopolisten China führte vor rund fünf Jahren zu einem deutlichen Preisanstieg, was die Attraktivität von Servo- und Torquemotoren mit ihrem hohen Magnetanteil deutlich senkte. Wo steht diese Antriebstechnik heute?

Elektrozylinder der Baureihe CMS von SEW-Eurodrive,
Elektrozylinder der Baureihe CMS von SEW-Eurodrive sind mit Permanentmagnetläufern ausgestattet und arbeiten besonders präzise, kraftvoll und schnell. (Bild: SEW-Eurodrive)

Der Kunde gibt die Richtung vor

Für klassische Getriebemotoren gibt es immer noch viele Einsatzbereiche, in denen Antriebe von der Stange verwendet werden können. In der Fördertechnik, bei Pumpen und Lüftern, überall dort, wo Motoren dauerhaft laufen und keine aufwendige Regelung in einem geschlossenen Regelkreis nötig ist.

Auch Servo- und Torquemotoren gibt es von der Stange. Doch hier zeigt sich ein Trend zu stärker kundenindividuell angepassten Systemen. Das bestätigt Dr. Volker Hamann, Leiter Systemapplikation bei Hiwin in Offenburg: „Die Kundenanforderungen werden immer spezifischer, sodass mit standardisierten Motorreihen speziell in Europa kaum neue Großkunden gewonnen werden können. Flexibilität bei kundenspezifischen Änderungen werden immer wichtiger.“

Tatsache ist, die vielen unterschiedlichen Branchen haben unterschiedliche Anforderungen. Diversifikation ist also der Schlüssel zum Erfolg. „Ein Servomotor in der Medizintechnik hat andere Anforderungen als ein Motor in der Werkzeugmachine“, konkretisiert Dr. Hamann. „Kunden erwarten inzwischen für ihre Anwendung optimierte Motoren. Hier gibt es praktisch in jeder Branche Aktivitäten.“

Ganz ähnlich beschreibt es Gregor Dietz, Marktmanager bei SEW-Eurodrive in Bruchsal für die Verpackungsbranche: „Die Verpackung von Gütern muss immer schneller, immer individueller, immer flexibler und zu immer kleineren Gewichten erfolgen. Komplexe Bewegungen erfordern höhere Steuerungsleistungen. Ein Anbieter mit allen Funktionen, Leistungen, Drehmomenten und Baugrößen kann damit beim Kunden erfolgreich sein.“ Der Spezialist von SEW sieht dabei die steigende Digitalisierung als einen der wesentlichen technologischen Treiber: „Die Drehzahlrückführung in digitaler Ausprägung reduziert den Verdrahtungsaufwand des Kunden“, so Dietz.

Intelligenz der Regeltechnik von Servomotoren? Industrie 4.0? Ganz klar, bestätigt uns auch Dr. Hamann von Hiwin: „Der Trend hat sich verstärkt. Es wird inzwischen nicht nur der Motor betrachtet. Das komplette Antriebskonzept ist wichtig, da hier noch großes Optimierungspotenzial liegt.“

Beim Material wenig Bewegung

Neben Elektronik und Kommunikationstechnik bietet vor allem die Materialforschung immer wieder Ansatzpunkte für Innovationen in der Industrie. Wie sieht es hier bei den Servo- und Torquemotoren aus? Dr. Volker Hamann von Hiwin führt aus: „Leichtbau ist auch ein großes Thema im Motorenbau. Jedoch kommt man aktuell nicht an Kupfer, Stahl und den Seltenen-Erden-Magneten vorbei, wenn Elektromotoren mit hohem Wirkungsgrad entwickelt werden sollen.“ Hiwin gehe daher eher den Weg, den Motor auf die beim Kunden möglichen Abmessungen anzupassen, um auf gegebenem Volumen die bestmögliche Kraftdichte anzubieten.

Vorsichtig mit neuen Materialien ist man auch bei SEW, wie Gregor Dietz betont: „Neue Materialien stehen noch immer im Einfluss der Preisschocks aus den Jahren 2010 bis 2013 bei den Seltenen Erden. Hier ist das alte Kostenniveau nicht wieder erreicht worden.“ Es geht also darum, optimierte Designs zu entwickeln, die für den Kunden einen guten Preis ermöglichen, ohne Einbußen bei Eigenschaften oder Performance hinzunehmen.

Die zahlreichen Hersteller von Servo- und Torquemotoren waren in den vergangenen Jahren fleißig und haben etliche Produktneuheiten auf den Markt gebracht. Wir wollen Ihnen im Folgenden eine Auswahl der wichtigsten Komponenten vorstellen.

Gregor Dietz,
(Bild: SEW-Eurodrive)

 

„Neue Materialien stehen noch immer im Einfluss der Preisschocks aus den Jahren 2010 bis 2013 bei den Seltenen Erden. Hier ist das alte Kostenniveau nicht wieder erreicht worden“, so Gregor Dietz, Marktmanager bei SEW-Eurodrive.

Dynamik und Zuverlässigkeit

Während der Hannover Messe 2015 stellte SEW-Eurodrive die neuen, ölbadgeschmierten Elektrozylinder der Baugröße CMSB50 in kompakter, adapterbehafteter oder achsparalleler Bauweise vor. Die Baureihe CMSB50 ergänzt die Baureihen CMSB63 und CMSB71. Explosionsgeschütze Servomotoren mit Bremse sollen bis zum Jahresende 2015 dazukommen.

Diese Elektrozylinder werden überall dort eingesetzt, wo Anlagenstillstände vermieden werden sollen und eine höhere Gesamtzuverlässigkeit benötigt wird, denn sie sind komplett wartungsfrei. Das neue Lineargetriebe kann dabei als Motordirektanbau platzsparend oder aber mittels unterschiedlicher Adapter mit den Standardservomotoren von SEW kombiniert werden, achsparallel oder achsseriell. Die Elektrozylinder der Baureihe CMSB50 gibt es bis zu einer maximalen Vorschubkraft von acht Kilonewton.

Auch bei Hiwin gibt es Neuheiten, etwa die hochdynamischen AC-Synchron-Servomotoren der Baureihe FR. Sie liefern hohe Drehmomente über den gesamten Drehzahlbereich bis zur Maximaldrehzahl von 4500 Umdrehungen pro Minute. Dabei erreichen die bürstenlosen, permanentmagneterregten Motoren in Baugrößen von 50 bis 1000 Watt modellabhängig Spitzenmomente von 0,48 bis 14,3 Newtonmeter.

Torquemotoren der Serie TMRW,
DIe 2012 eingeführten Torquemotoren der Serie TMRW von Hiwin sind aufgrund eines Außenrings mit Kühlkanälen für den Einsatz mit Wasserkühlung geeignet. Sie setzen sich aus einem Stator und einem als Ringelement ausgeführten Rotor zusammen. (Bild: Hiwin)

Sie eignen sich dank geringer Massenträgheitsmomente auch für anspruchsvolle dynamische Antriebsaufgaben wie beispielsweise den hochfrequenten Reversierbetrieb. Durch den speziellen Stator-Rotor-Aufbau der Baureihe FR wird eine sehr geringe Drehmomentenwelligkeit und hohe Leistungsdichte bei kompakter Motorbauform erzielt.

Die Antriebe sind standardmäßig mit einem Inkrementalgeber-Wegmessystem mit einer Auflösung von 13 Bit ausgerüstet. Bei den Torquemotoren erweitert Hiwin sein Spektrum mit Modellen im Außendurchmesser 585 Millimeter sowie mit schnelldrehenden Torquemotoren für die Fräs-Drehbearbeitung.

Neuheiten von groß bis klein

Safe-Motion-Architektur,
Die Integration von Funktionaler Sicherheit im Servoregler hat sich im Markt etabliert. Die Safe-Motion-Architektur von LTi etwa bietet eine zentrale SIL3-zertifizierte Sicherheitssteuerung. (Bild: LTi Drives)

Komplexer werdende Maschinen erfordern eine flexible und schnelle Integration einer Sicherheitslösung bei gleichzeitiger Steigerung der Produktivität. Die Safe-Motion-Architektur von LTi Drives bietet eine zentrale SIL3-zertifizierte Sicherheitssteuerung. Direkt im Servoregler integriert, können bis zu zwölf Achsen überwacht werden. Sie gewährleistet kurze Reaktionszeiten. Eine sichere feldbus-basierende Achs-Querkommunikation erlaubt den schnellen Austausch der sicherheitsrelevanten Daten zwischen bis zu sechs Achsen.

Der Safety-Master in der ersten Achse steuert die Kommunikation und verteilt alle achsgebundenen Überwachungsfunktionen auf die einzelnen Achsen. Jede Servoachse mit integrierter Sicherheitssteuerung ist in der Lage, die Bewegung einer zusätzlichen zweiten Achse zu überwachen.

Doppelte Kraft, mehr Möglichkeiten: Mit der Leistungserweiterung der AKD-Reihe erschließt Kollmorgen weitere Einsatzgebiete für seine Servoreverstärker. Die neuen Geräte liefern jetzt einen Dauerausgangsstrom von 48 A. Bisher war bei 24 Ampere Schluss. Somit lassen sich auch Applikationen mit hohem Kräftebedarf servomotorisch lösen, eine Alternative zur aufwendigen Zentralhydraulik.

Wer doch Hydraulik will: Hier übernehmen die AKD-Servoregler den direkten Antrieb verteilter Hydraulikpumpen so präzise, dass keine Ventileinheiten mehr erforderlich sind. Die kraftvollen, permanentmagneterregten Heavy-Duty-Torquemotoren der Simotics-T-Reihe zeichnen sich durch hohe Dynamik und Präzision aus.

Zudem sind sie mechanisch besonders robust ausgeführt, sodass sie Schockbeanspruchungen, beispielsweise in der Metallbearbeitung, im Bereich bis 10 g mühelos wegstecken und somit eine erhöhte Rüttelfestigkeit aufweisen. Damit sind sie geeignet, selbst unter rauen Einsatzbedingungen dynamisch hoch anspruchsvollen Bewegungsprofilen übergeordneter Motion Control Steuerungen zu folgen.

Dr. Volker Hamann.
(Bild: Hiwin)

 

"Die Kundenanforderungen werden immer spezifischer, sodass mit standardisierten Motorreihen speziell in Europa kaum neue Großkunden gewonnen werden können", erklärt Dr. Volker Hamann, Hiwin

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