Zwei Extreme der Schifffahrtsbranche sind Eisbrecher und Kreuzfahrtschiffe. Auf der einen Seite brachiales Vorgehen für die richtig ungemütlichen Routen, auf der anderen Seite komfortbedürftige Urlaubsgäste. Im Antrieb jedoch ähneln sich die beiden Schiffstypen öfter als gedacht. Beides sind Anwendungsfälle für diese-elektrische Pod-Antriebe. Ein neues Modell in dieser Sparte ist der Azipod D, mit dem Hersteller ABB nun auch Offshore-Bohrinseln, Konstruktions-, Versorgungs- und Fährschiffe ausstatten will. Der Hersteller argumentiert vor allem mit der Energieeffizienz des Systems. Eine Recherche vor Ort zeigt, wie wichtig dieses Thema für Konstrukteure und Bediener heute ist und welche anderen Aspekte der Antriebe für sie im Fokus stehen.

Beobachtungen am eisigen Pool

Wasserbecken mit schwimmendem Schnee darin
Sieht aus wie ein Schwimmbecken, ist aber eine Teststrecke für Mini-Eisbrecher. ( (Bild: ke NEXT/do))

Dieses Schwimmbecken ist nur etwas für ganz Hartgesottene: Bei minus 18 Grad erstarrt eingesprühtes Wasser zu Eiskristallen, die von der Hallendecke rieseln und so nach und nach eine Eisschicht auf dem Wasser bilden. Die Methode mag recht aufwendig sein, aber auf diese Weise stehen dem Aker Arctic Test-Zentrum in Helsinki auch im Sommer zugefrorene Wasserflächen zur Verfügung. Dazu kommt, dass hier keine Indoor-Eisbahn zum Schlittschuhlaufen entstehen soll, sondern eine Simulation der arktischen Meere. Nicht immer findet sich dort eine feststehende Eisschicht, oft treffen Schiffe stattdessen auf übereinander geschobene Schollen und schwimmendes Eis. Und darum geht es hier bei dem Frost-Pool auch: Wie sich Schiffe durch solche Eismassen pflügen, stampfen und boxen.

Mehrere Mitarbeiter hantieren an einer Art Ruderboot, das noch an einer Deckenaufhängung befestigt ist. Vor dem Eingang zur Halle hängen Daunenjacken in verschiedenen Größen, falls jemand keine passende Winterkleidung dabei hat, welche die Mitarbeiter allerdings links liegen gelassen haben. Bei dem rot gestrichenen Bötchen handelt es sich um ein maßstabsgetreues, etwa zwei Meter langes Modell eines Eisbrechers. Dessen Rumpfform wird hier auf Tauglichkeit und Optimierungspotenzial untersucht. Für die Tests stehen dem Zentrum zwei Wasserbecken zur Verfügung. Energieeffizienz ist dabei durchaus ein Thema. Es geht jedoch um mehr, beispielsweise auch die Frage, wie genau sich das Schiff durchs Eis bewegt, damit es nicht stecken bleibt.

Der Komplexität des Themas wegen kommen reine Simulationen nicht in Frage. Stattdessen bauen die Mitarbeiter voll funktionsfähige Schiffsmodelle. Ausgestattet mit entsprechenden Antrieben und Software kämpfen sich die Boote durch 20 bis 200 Millimeter dicke Eisschichten. Beobachtungsfenster sind in die Seiten der Wassertanks und sogar in den Boden eingelassen. Sie geben den Blick auf das Geschehen unter der Wasseroberfläche frei.

Eine schräge Nummer

Teilweise führen diese Untersuchungen zu unerwarteten Ergebnissen, beispielsweise einem Eisbrecher mit asymmetrischem Rumpf, der sich auch schräg zur Seite bewegen kann. In diesem Modus schlägt das Schiff eine breite Schneise, durch die große Schiffe folgen können. Der erste Eisbrecher, der auf Basis dieses Konzeptes gebaut wurde, ist die Baltika. Das Mehrzweckschiff ist auch für Forschungszwecke, Rettungseinsätze und die Bekämpfung von Ölverschmutzung geeignet und kann einen Kanal von bis zu 50 Metern Breite erzeugen. Das Schiff ging im März 2015 in den vierwöchigen Testbetrieb. Aker Arctic äußerte sich im Anschluss zufrieden mit den Ergebnissen. Das Schiff bräuchte nur die Hälfte der Antriebsleistung, um das gleiche Ergebnis wie andere Eisbrecher zu erzielen und könne Manöver ausführen, die für andere Schiffe unmöglich sind, so Projektmanger Mika Hovilainen.

Damit der Krebsgang funktioniert, hat das Schiff drei Propellergondeln, die sich horizontal drehen lassen und gleichzeitig als Ruder fungieren, sogenannte Pod-Antriebe. Dieser spezielle Eisbrecher verwendet ein Modell, das ABB herstellt, praktischerweise in direkter Nachbarschaft zu dem Test-Zentrum in Helsinki.

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