Die automatisierte Maschinenbeladung mithilfe des Nullpunktspannsystems Vero-S bietet bereits bei

Die automatisierte Maschinenbeladung mithilfe des Nullpunktspannsystems Vero-S bietet bereits bei kleinen und mittleren Serien hohes Potenzial.

Wird über Industrie 4.0 gesprochen, ist meist von Bussystemen, Steuerungstechnik und Sensorik die Rede. Dass auch klassische Mechanik und Pneumatik eine zentrale Rolle spielt, belegt Schunk mit durchdachten Komponenten. Ein Beispiel.

Machen Sie sich mal den Spaß und fragen fünf Experten nach Industrie 4.0! Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach sieben Definitionen dafür erhalten. Das Thema ist neu und sehr umfassend, das lässt Platz für Interpretationen. Und die braucht es auch, wenn mit schwammigen Begriffen wie „Smart Factory“ und „Integrated Industry“ hantiert wird.

Eil- und Spannhub

Der patentierte Eil- und Spannhub gewährleistet beim Vero-S hohe Einzugskräfte und eine besonders steife Spannung.

Eine Option ist es, das Problem ingenieursmäßig anzugehen, es in kleinere Teilbereiche zu zerlegen und diese Stück für Stück abzuarbeiten. Diesen Weg wählte das Unternehmen Schunk aus Lauffen am Neckar. Um sich der Fabrik der Zukunft zu nähern, definierten die Strategen von Schunk sieben Megatrends der modernen Produktion: Sicherheit, Wandlungsfähigkeit, Ressourceneffizienz, Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit, Einfachheit und Intelligenz. Für die sich aus diesen sieben Trends ergebenden Anforderungen müssen, so die Schunk-Philosophie, alle neuen Produkte eine Antwort bieten. Am Beispiel des pneumatischen Nullpunktspannsystems Vero-S lässt sich das Konzept nachvollziehen.

Intelligenz in Pneumatik und Mechanik

Das beispielhaft herangezogene Vero-S ist ein pneumatisch betätigtes, komplett durchentwickeltes, modulares Spannsystem. Lediglich zum Öffnen wird eine pneumatische Versorgung benötigt. Zum System gehören Spannpaletten genauso wie Roboterkupplungen, um die Nullpunktspannung im Rahmen einer automatischen Ver- und Entsorgung der Maschine zu nutzen.

Palettenwechsel

Mit dem Nullpunktspannsystem lassen sich direkt gespannte Werkstücke, Spannmittel oder komplette Paletten schnell und präzise einwechseln.

Mit diesem System lassen sich Werkstücke in Sekundenschnelle mit einer Wiederholgenauigkeit von 5µm von Werkstück A auf Werkstück B wechseln. Ein patentierter Eil- und Spannhub ermöglicht Einzugskräfte von bis zu 40.000 N und Haltekräfte von bis zu 75.000 N. Von derart leistungsstarken Nullpunkt-Spannmodulen profitiert die Steifigkeit der gesamten Spannlösung. Es sind deutlich höhere Zerspanungsparameter möglich, als mit konventionellen Nullpunkt-Spannsystemen.

Soweit die blanken Fakten. Aber wie verhält sich das System, wenn man es gegen die sieben genannten Megatrends spiegelt?
Punkt 1, das Thema Sicherheit: In der Fabrik der Zukunft wird es keine Zeit mehr geben für aufwendige Kollisionsüberwachungsschritte, bei denen ein Mitarbeiter die gesamte Spann- und Kollisionssituation im Umfeld der Maschine noch mal nachprüft. Zur Sicherheit bietet Schunk für das Spannsystem daher Stepfiles an. Mit diesen kann der Kunde bereits in Form einer Simulation eine Kollisionsüberprüfung durchführen und so in dem Moment, wenn das Werkstück auf die Maschine kommt, sofort mit 100 Prozent Vorschubgeschwindigkeit seine Werkstücke bearbeiten. Neben dem Sicherheitsaspekt spart das Zeit und steigert die Effizienz.

Spannmittelwechsel

Kraftspannblöcke werden mittels Greifer eingewechselt und von je einem Vero-S gespannt.

Punkt 2, die Wandlungsfähigkeit – ein besonders wichtiger Punkt für Industrie 4.0: Das Vero-S ermöglicht ein unmittelbares Umrüsten und damit die Wandlungsfähigkeit der kompletten Anlage. Man kann nicht nur schnell von einem herzustellenden Produkt auf das andere umschalten, auch neue Produktvarianten, die nachträglich eingeführt werden, lassen sich mit derart ausgerüsteten Maschinen flexibel fertigen. Viele Maschinen haben heute noch Umrüstzeiten von 70, 80 oder 90 Minuten – je nach Teilefamilie, je nach Werkstückkomplexität. Mit dem Nullpunktspannsystem gelingt es, dem Anspruch nach Wandlungsfähigkeit im Minutentakt deutlich näher zu kommen.

Punkt 3, die Ressourceneffizienz. Dazu gehören drei Aspekte: Zeit, Kosten und Energie. Wie schon bei den vorigen Punkten beschrieben, spart das System Zeit. Zur Kosteneffizienz trägt bei, dass es möglich ist, mit Hilfe dieses Systems eine Werkzeugmaschine vollautomatisch zu beladen. Das bedeutet, der qualifizierte und kostenintensive Mitarbeiter kann intelligentere Aufgaben im Umfeld einer solchen Anlage übernehmen, indem er diese Anlage oder eine Gruppe von Anlagen steuert. Und zur Energieeffizienz trägt bei, dass Vero-S, solange das Werkstück bearbeitet wird, keinerlei Energie benötigt. Es spannt mit einem Federpaket.

Megatrends

Als Richtschnur für die aktuelle und zukünftige Produktentwicklung sieht Schunk sieben Megatrends.

Punkt 4, die Zuverlässigkeit, sehen die Experten bei Schunk als „conditio sine qua non“, als Grundvoraussetzung aller Schunk-Produkte schon seit jeher. Das ist nicht neu, aber sehr wichtig.

Punkt 5, die Nachhaltigkeit. Hier kommt es vor allem auf die Wiederverwendbarkeit an: Aufgrund der Leistungsdichte ermöglichen die Module eine enorme Bandbreite von Anwendungen. Durch ihre robuste Bauweise lassen sie sich jederzeit – pflegliche Behandlung vorausgesetzt – auf anderen Maschinen und für andere Anwendungen weiter verwenden. Am Ende lassen sich die hochwertigen Materialien auch gut recyclen.

Technik im Detail

Präzisionswerkzeughalter

Tendo E compact
Mit dem Tendo E compact gibt es ein Hydro-Dehnspannfutter, das unter trockenen Spannbedingungen Drehmomente bis 900 Nm (bei Ø 20 mm) sicher überträgt und sich vollwertig für die Volumenzerspanung eignet. Und auch bei öligem Werkzeugschaft sind es noch 520 Nm. Verglichen mit konventionellen Hydro-Dehnspannfuttern hat Schunk die Leistung bei Tendo E compact damit um 60 Prozent gesteigert. Mit seiner hervorragenden Schwingungsdämpfung und dem hochpräzisen Rundlauf < 0,003 mm bei 2,5 x D schont die Präzisionsaufnahme sowohl Spindel als auch Schneide. Zusätzlich zum Schruppen überzeugt das preisattraktive Hydro-Dehnspannfutter auch beim Schlichten, Bohren und Reiben.
www.schunk.com

Punkt 6, Einfachheit oder Komplexitäts-Reduzierung. Wird das Nullpunktspannsystem bereits konstruktiv berücksichtigt, entfällt bei vielen Bauteilen ein aufwendiges Einmessen in der Maschine. Zudem entlastet es den Anlagenprogrammierer, da die Programmierung ohne Zeitdruck im Vorfeld erledigt werden kann. Noch wichtiger: Unabhängig von der Tagesform des Bedieners gewährleistet das System eine hohe Prozesssicherheit und Präzision. Auch die Aktivierung der Module ist einfach gelöst. Sie werden über standardisierte Anschlüsse kurz mit Druckluft beaufschlagt. Viel einfacher geht es kaum.

Punkt 7, Intelligenz, das „vierpunktnullligste“ Schlagwort. Über die Staudruckabfrage oder Näherungsschalter informieren die Module kontinuierlich über die Werkstückanwesenheit und den Spannzustand. Die Steuerung weiß Bescheid.

Rechnet sich das alles?

So viel Innovation kostet Geld, das ist klar. Da bleibt die Frage, ob es sich auch rechnet. Ein Beispiel schafft Klarheit. Ein Vero-S-Nullpunktspannsystem kostet mehrere Hundert Euro, in einer Maschine werden meist mehrere davon eingesetzt. Dem stehen Einsparungen durch geringere Rüstzeiten gegenüber. Betrachten wir eine Werkzeugmaschine: Die hat, einfach gerechnet, nach herkömmlicher Methode eine Rüstzeit von 60 Minuten. Wenn nun an jedem Tag mindestens einmal das Werkstück gewechselt wird, haben wir fünf Umrüstungen in der Woche, macht 300 Minuten Rüsten pro Woche. Legt man nun einen Maschinenstundensatz von zwei Euro pro Minute zu Grunde, spart man 600 Euro pro Woche. Der Einsatz der Nullpunktspannsysteme hätte sich also nach wenigen Wochen amortisiert. Und das wäre ja auch finanziell ein großer Fortschritt im Rahmen der Industrie 4.0.

Autor: Wolfgang Kräußlich, Leitender Chefredakteur

„Intelligenz und Individualisierung“

KurzInterview: Dr. Markus Klaiber, Technischer Geschäftsführer, Schunk

fluid: Herr Dr. Klaiber, Sie sind noch relativ neu bei Schunk. Erzählen Sie uns ein wenig über sich.
Nun, ich habe in Karlsruhe an der Technischen Universität – heute KIT – klassischen Maschinenbau studiert und mich am Ende des Studiums auf die Produktionstechnik konzentriert. Ein klein wenig bin ich stolz darauf, dass es mir bis heute gelungen ist, diesem Thema treu zu bleiben. Über die Produktionstechnik entstand der Kontakt zum Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebstechnik, wo ich erste Industrieerfahrungen sammeln konnte und zum Thema „Einfahren von NC-Programmen“ promoviert habe. 1993 zog es mich in die Industrie zu SEW-Eurodrive, wo ich zunächst als Assistent des Geschäftsführers Produktion tätig war. In den beiden folgenden Jahren wurde ich mit der Leitung der zentralen Qualitätssicherung betraut, anschließend mit der Leitung des Produktionswerkes Graben-Neudorf. In dieser Zeit haben wir das Werk technisch und organisatorisch weiterentwickelt. Die Produktsegmentierung und die Vorstellungen einer schlanken Fabrik und einer intelligenten Arbeitsteilung zwischen Mensch und Technik haben uns dabei geleitet. Zum 1. März dieses Jahres habe ich als Technischer Geschäftsführer bei Schunk begonnen und verantworte in dieser Funktion Forschung & Entwicklung sowie die Produktion.

Dr. Markus Klaiber„Wichtig ist, dass wir uns mit der Zukunft auseinandersetzen und sowohl Produkte, als auch die eigene Organisation immer wieder hinterfragen.“
Dr. Markus Klaiber, Schunk

fluid: Der Begriff Industrie 4.0 ist in aller Munde. Was bedeutet er Ihrer Meinung nach, was bedeutet er für Schunk?
Es gibt derzeit meiner Meinung nach zwei Haupttrends. Ein Trend ist Industrie 4.0, getrieben durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Mit Sicherheit ein sehr spannendes Thema, das uns, aber genauso unsere Kunden, dazu anregt, einfach mal einen Schritt voraus zu denken. In diesem Programm sind die Ziele sehr hoch aufgehängt – das sollte uns allerdings nicht stören. Wichtig ist, dass wir uns mit der Zukunft auseinandersetzen und sowohl Produkte als auch die eigene Organisation immer wieder hinterfragen und nach Innovationen und Verbesserungsansätzen suchen. Ich bin mir sehr sicher, dass wir am Ende dieser Phase alle gemeinsam – Ausrüster und Anwender – einen großen Schritt weiter sind.

fluid: Sie sprachen von zwei Haupttrends…
Wir leben im Zeitalter der Individualisierung. Sehr schön beobachten kann man das an der Entwicklung der Produktpalette von PKWs über die letzten Jahre. Bis vor wenigen Jahren gab es eine Kompaktklasse, eine Mittelklasse und eine Oberklasse. Heute fordert der Markt individuelle Produkte. Im Straßenbild sieht man viele Zwischengrößen mit unterschiedlichsten Motorkonzepten, Kombis, Cabrios, Family-Vans und SUVs. Dieser Trend entwickelt sich in die vorgelagerten Bereiche weiter und führt zu einer enorm hohen Varianz, die wiederum in der Produktion in Form massiv gestiegener Komplexität ankommt. Diese Komplexität gilt es intelligent zu beherrschen. Daran knüpft sich für uns als Ausrüster die Frage: Wie müssen wir unsere Greifsysteme und unsere Spanntechnik entwickeln, damit unsere Kunden auch in Zukunft erfolgreich sind. Mit dieser zentralen Frage beschäftigen wir uns in Forschung und Entwicklung täglich von Neuem. wk

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