Klemmeinheit,

Klemmeinheiten ermöglichen in einem länger andauernden Prozess, Positionen von zum Beispiel Werkstücken energiefrei zu halten. (Bild: Hänchen)

CytroBox,
Hydraulische Systeme von morgen werden komplett anders aussehen als heute,
das zeigt zum Beispiel das neue Aggregat CytroBox: Es benötigt 50 Prozent weniger Bauraum, 75 Prozent weniger Ölvolumen sowie 80 Prozent weniger Energie als bisherige Aggregate. (Bild: Bosch Rexroth)

Professor Dr. Jürgen Weber vom Lehrstuhl für Fluid-Mechatronische Systemtechnik der TU Dresden sieht in der Implementierung und Vermarktung neuer Funktionen wie der Zustandsüberwachung von Komponenten, der Energiedatenerfassung an Antrieben, der Inbetriebnahme-Assistenz sowie der Vernetzung mit anderen Antriebsarten und Steuerungen bis hin zu einem mechatronischen Gesamtsystem einen neuen Ansatzpunkt für Industrie 4.0. Er stellt fest: „Eine weitere Flexibilisierung des Systemaufbaus erhält man durch Verlagerung von Steuerungs- und Regelungsaufgaben in immer leistungsfähigere On-Board- oder zentrale Steuergeräte. Damit erschließt sich die Hydraulik neue Anwendungsgebiete in der Robotik, in kleinen, hochflexiblen Fertigungseinrichtungen, in der Medizintechnik besonders auf dem Gebiet der Prothetik und Orthetik sowie in der alternativen Energieerzeugung.“ Einen weiteren Trend sehen die Forscher der TU Dresden bei der Entwicklung regelbarer Pumpenantriebe im stationären Bereich, besonders im Hinblick auf Verdrängersteuerungen sowie verdrängergesteuerte, elektrohydraulische Kompaktachsen mit softwaregestützten Assistenzfunktionen. „Im mobilen Bereich setzen sich immer mehr intelligente Ventilsteuerungen mit getrennten Steuerkanten durch. Insgesamt gesehen sparen diesen Maßnahmen Energie ein, vereinfachen die Bedienung und erhöhen die Sicherheit“, so Weber weiter. Über Apps können bei Bedarf nachträglich neue Funktionen in die Maschinen geladen werden.

Tanja Hänchen,
(Bild: Hänchen)

„Wichtig sind bei Hydraulikzylindern vor allem Dichtungskonzepte, die den hydraulischen und mechanischen Wirkungsgrad beeinflussen. So können wir zum Beispiel mit dem neuen Dichtungssystem Servoseal die Reibung gegenüber konventionellen Dichtungen reduzieren und bieten gleichzeitig eine Alternative zu Drosselspaltdichtungen, da diese nahezu leckagefrei arbeiten. Dies bedeutet unterm Strich weniger Verluste und damit eine deutlich höhere Energieeffizienz.“

Tanja Hänchen, Geschäftsführerin des Unternehmens Herbert Hänchen.

So gesehen, ist die moderne Elektrohydraulik vorbereitet auf Industrie 4.0. „Inzwischen stellen die Systeme alle informationstechnischen Funktionen bereit, die auch elektromechanische Lösungen bieten. Entwickler und Konstrukteure werden zunehmend nur noch fertige Softwarefunktionen als Building Blocks für ihre Automatisierungslösungen auswählen“, sagt Dr. Steffen Haack, Leiter der Business Unit Industrial Hydraulics bei Bosch Rexroth. Diese Blocks nutzen im Hintergrund die Vorteile der Hydraulik wie hohe Kraftdichte, Robustheit und Wartungsfreiheit. Bosch Rexroth hat diesen Ansatz für die Hydraulik bereits in ersten einbaufertigen Modulen umgesetzt. So benötigt die CytroBox halb so viel Bauraum, drei Viertel weniger Ölvolumen und 80 Prozent weniger Energie als konventionelle Aggregate. Mit der offenen Multi-Ethernet-Schnittstelle kann die Box in alle Automatisierungsstrukturen eingebunden werden.

Integrierte Lösungen

Kompaktachse,
Abbildung des bei uns entstandenen Versuchsträgers einer elektrohydraulischen Kompaktachse mit Übersetzungsumschaltung. (Bild: TU Dresden)

Und auch Eaton Hydraulics stellt mittels Elektrohydraulik und dem Industrie-4.0-Ansatz integrierte Automatisierungs- und Fluid-Power-Lösungen her. Diese intelligenten Untersysteme lassen sich leicht für einfache und kompakte Maschinen vernetzen, sind skalierbar, haben eine optimale Energieeffizienz und eine höhere Rentabilität. Das Unternehmen bietet neue CAN-busfähige elektrohydraulische Mobil- und Industriesteuerventile mit integrierter Elektronik, Sensorik und komplexen Softwarealgorithmen an, die nach eigenen Angaben leistungsfähige Lösungen und Funktionalitäten mit hoher Intelligenz, sehr guter Dynamik und optimalen Steuerungsmöglichkeiten ermöglichen. Über eine Softwareschnittstelle können die elektrischen Proportionalventile von den Anwendern selbst in Betrieb genommen und optimiert werden, ohne dass Ventilkolben ausgetauscht werden müssen. Integrierte Sensoren messen dabei in Echtzeit Druck, Temperatur, Position und Durchfluss und erkennen frühzeitig eventuelle Probleme.

Prof. Dr. Jürgen Weber,
(Bild: Christian Hüller)

„Die Digitalisierung gehört in der Antriebstechnik zu den wichtigsten Zukunftstrends. Die Fluidtechnik besitzt hierfür eine hervorragende Ausgangsposition. Nun gilt es, diese konsequent zu nutzen und innovative, verstärkt kabellos vernetzte fluid-mechatronische Systemlösungen bereitzustellen.“

Prof. Dr. Jürgen Weber, Lehrstuhl für Fluid- Mechatronische Systemtechnik der TU Dresden.

„Der Bedarf an intelligenten Komponenten, die sich selbst überwachen, wird weiter ansteigen“, prophezeit auch Tanja Hänchen, Geschäftsführerin des Unternehmens Herbert Hänchen. Sensoren überwachen Zustandsdaten wie Weg, Kraft, Druck, Geschwindigkeit und Temperatur, Hydraulikventile protokollieren ihre Schaltvorgänge und Pumpen ermitteln ihre Lastkollektive. Auch Sensoren mit Partikeldetektion, Ölfeuchtemessung und Öltemperaturmessung liefern Daten, die die Überwachung erweitern. „Die Daten sind also da“, sagt Hänchen. Damit werde es in Zukunft immer mehr Systeme geben, die die Sensordaten für Predictive-Maintenance-Anwendungen auswerten. Wichtig sei deshalb, die Grenzwerte der gemessenen Daten in den verschiedensten Anwendungsfällen intelligent zu beurteilen. „Wenn sich aufgrund von Verschleiß die Reibwerte eines Zylinders ändern, führt dies in der Prüftechnik gegebenenfalls zu einem Austausch der Dichtungen; bei Anwendungen im Stahlwerk ist das erst einmal uninteressant. Deshalb müssen zunächst die anwendungs- beziehungsweise branchenspezifischen Kriterien gesammelt und aufbereitet werden, bevor sinnvolle Auswertungen möglich sind“, so Tanja Hänchen.

Christian Geis,
(Bild: VDMA)

„Der VDMA betrachtet Predictive Maintenance als einen Trend, der sich auch in der Zukunft noch fortsetzen wird. Zudem werden Product-Service Systems (PSS) beziehungsweise „Pay-per-Use“ und Datenanalyse eine immer wichtigere Rolle in den Portfolios der Unternehmen spielen.“

Dr. Christian Geis, Fachverband Fluidtechnik im VDMA.

Aus Daten Informationen generieren

Die Daten, die aus dem Betrieb einer Anlage kommen, können künftig in geeigneten Berechnungsmodellen verarbeitet werden „und erzeugen eine Aussage darüber, wie lange das Bauteil bis zur Wartung noch arbeiten kann“, erläutert sie. Solche komplexen Algorithmen können als Dienstleistung vom Hersteller angeboten werden und den Anlagenbetreiber bei der Überwachung der Parameter unterstützen. „Das kann so weit gehen, dass zum Beispiel ein bevorstehender Dichtungswechsel beim Hydraulikzylinder über Sensoren erkannt und zeitgleich beim Kunden ein Bestellvorschlag ausgelöst wird, damit die Ersatzteile rechtzeitig vorliegen“, so Hänchen weiter. Zu den Daten, die vor allem für Condition Monitoring benötigt werden, gehören vor allem die Messung des Verschmutzungsgrades des eingesetzten Mediums, die Leckagemenge bei Hydraulikzylindern sowie die Seitenkräfte und Spannungen in einem Bauteil.

Bosch Rexroth prognostiziert, dass in Zukunft immer mehr industrielle Anwender anstatt in Maschinen zu investieren, nur noch die jeweiligen Arbeitsschritte bezahlen werden. Doch dazu müssen diese datentechnisch vollständig erfasst, bewertet und dokumentiert werden. Hier bietet die Elektrohydraulik umfangreiche Möglichkeiten. „Derzeit arbeiten zahlreiche Software-Hersteller und andere Unternehmen an solchen Abrechnungsmodellen. Bereits etabliert haben sich Geschäftsmodelle rund um Predictive Maintenance“, berichtet Steffen Haack. Damit sind wir beim Kernthema: Mit der Anzahl der Sensoren steigt die Datenmenge massiv an. Weiterentwicklung von Modellen und Algorithmen zur Interpretation der komplexen Daten sind dringend erforderlich. Hier hat die eigentliche Entwicklung aber erst begonnen. Drahtloskommunikation auf Basis des 5G-Standards bietet nach Ansicht von Professor Weber ein erhebliches Potenzial zum Aufbau umfangreicher Sensor-Aktor-Netzwerke.

OPC UA setzt sich weltweit durch

Parallel dazu setzt sich als Kommunikationsstandard OPC UA weltweit durch, zumal die Erweiterung der Time-Sensitive Networking (TSN) die echtzeitkritische Übertragung von Daten ermöglicht. Auch klassische Komponenten wie Hydraulikventile und Sensoren werden zunehmend wirtschaftlich über IO-Link eingebunden. Bei echtzeitkritischen Daten ist eine dezentrale, drahtgebundene Verarbeitung in der Maschinen- oder Anlagensteuerung ohnehin bis auf Weiteres gesetzt. „Die nicht echtzeitkritischen operativen Daten werden die meisten Anwender auf Sicht mit Servern in der Fabrikhalle, on edge, verarbeiten. Cloud-Anwendungen werden vor allem planerische Auswertungen durchführen und zur Optimierung von Prozessen eingesetzt werden“, betont Haack. Dies sieht auch der Fachverband Fluidtechnik im VDMA so. „Beim Edge Computing können die Hersteller der Produkte ihr spezifisches Know-how optimal einbringen, indem nur relevante und für den Betreiber hilfreiche Daten ausgeleitet werden“, erklärt Dr. Christian Geis vom VDMA.

Dr. Steffen Haack,
(Bild: Bosch Rexroth)

„Hydraulische Systeme von morgen werden komplett anders aussehen als heute. Konstrukteure werden sie oft gar nicht als hydraulische Baugruppen wahrnehmen.“

 Dr. Steffen Haack, Leiter der Business Unit Industrial Hydraulics, Bosch Rexroth 

Festo verfolgt aus diesem Grund eine Multi-IoT-Plattformstrategie, bei der tiefergehende Programmierkenntnisse aufgrund der intuitiven Benutzeroberfläche nicht notwendig sind. Mit wenigen Schritten sollen Anwender in der Cloud arbeiten können. „Verbunden mit einer zentralen Datenhaltung können die weltweit verfügbaren Daten miteinander verglichen und Schwächen in den Prozessen identifiziert werden“, sagt Dirk Zitzmann, Product Management Digital Business bei Festo. Das Unternehmen unterstützt mit diesem Mechanismus die eigene Cloud, die auf Microsoft Azure aufsetzt und deren Services nutzt. Auch andere Plattformen wie Siemens Mindsphere oder asiatische Plattformen werden unterstützt. Mit Rockwell ist eine On-Premises-Lösung in Arbeit. „Wenn die Standardisierung der IT-Infrastruktur vorangetrieben ist, wird die Datenanalyse einfacher, weil die Daten bezahlbar zu speichern, zu analysieren und zu visualisieren sind. Systemintegratoren werden an dieser Stelle verzichtbar“, sagt Heiko Geng, Leitung Product Management Digital Business von Festo. Im Moment agiert Festo cloud-basiert. Der Trend gehe aber in die Richtung, die gesamte Rechenleistung on edge laufen zu lassen, da die Datenkommunikation in die Cloud teuer ist. Insofern soll möglichst viel Rechenleistung komponentenseitig stattfinden. Dann würden nur noch Signale zu Anomalien in die Cloud weitergegeben. Damit reduziere sich die Datenmenge in der Cloud, so Geng weiter.

Daten schnell auswerten

Aus diesem Grund forscht die TU Dresden an neuen On-Board-Softwarefunktionen zur schnellen Datenauswertung und entwickelt eigenständige Softwaretools zur Auswertung und Interpretation umfangreicher Daten zum Beispiel für Sensitivitätsanalysen zur Aufklärung von Ursache-Wirkung-Beziehungen und neue Kommunikationsschnittstellen und -hardware für komplexe, räumlich verteilte Systeme. Je mehr gezielt ausgewählte Daten aus dem Prozess zur Verfügung stehen, desto genauer können Maschinenhersteller und Anwender ihn überwachen, verstehen und beeinflussen. Gerade bislang häufig nicht erfasste Parameter wie Temperatur, Schall, Feuchtigkeit oder Vibration können frühzeitig Hinweise darauf geben, ob sich Betriebszustände durch Verschleiß verändern. Insgesamt gilt: Je umfangreicher der Datensatz, desto höher ist der potenzielle Nutzen für bessere Prozesse, mehr Qualität und höhere Anlagenverfügbarkeit.

Verbesserungspotenziale ableiten

Mit Einverständnis der Anwender wertet Bosch Rexroth die Betriebsdaten definierter Hydrauliksysteme über den gesamten Lebenszyklus aus und leitet daraus Lebensdauermodelle sowie Verbesserungspotenziale ab. Auf diese Weise betreut das Unternehmen bereits mehr als hundert kontinuierlich produzierende Anlagen mit seinem Dienstleistungspaket für vorausschauende Wartung ODiN (Online Diagnostics Network). Die Anlagen sind mit einer Vielzahl von Sensoren ausgerüstet, die ihre Daten geschützt an sichere Server senden. Mit Big-Data-Analysen sowie maschinellem Lernen erstellt das Unternehmen daraus einen Health-Index der Anlage mit konkreten Handlungsanweisungen für die Instandhaltung. Hier ist das Abrechnungsmodell Pay for Availability eine interessante Option. Zukünftig werden für Hydraulikkomponenten auch Software-Updates Over-the-Air möglich sein. Eaton Hydraulics bietet cloud-basierte Telematik Lösungen an, die derzeitige Steuerungslösungen mit Fernprogrammierungs- und Diagnose/Prognose-Funktionen erweitert.

„Sie bieten den Anwendern noch mehr Flexibilität und erweitern derzeitige Steuerungslösungen mit Fernprogrammierungs- und Diagnose/Prognose-Funktionen“, erklärt Andreas Kling, Business Development Manager, Power & Controls Products EMEA bei Eaton Hydraulics. Ein weiterer Vorteil bestehe in der Möglichkeit, Geolokalisierungsdienste in die Maschinen / Fahrzeugplattform zu integrieren. Moderne Gateways ermöglichen die Datenübertragung und Kommunikation der Maschinenproduktdaten mit der Cloud. Auch für Festo werden mit veränderten Geschäftsmodellen Themen wie Pay per Use oder Blockchain interessant. „Für die Vermietung von Maschinen brauchen Maschinenhersteller ein Feedback von der Maschine und im besten Fall von einzelnen Komponenten, um zu wissen, wie der Einsatz im Feld stattfindet“, erklärt Eberhard Klotz, Global Key-Account-Management.

Heiko Geng,
(Bild: Festo)

„Über das Dashboard und die Kanalisierung der Daten wird die Hemmschwelle zur Datenauswertung für Kunden niedriger. Der Endkunde ist auch bereit, Geld dafür auszugeben, weil er den Nutzen erkennt.“

Heiko Geng, Leitung Product Management Digital Business von Festo.

Die Vermieter wollen wissen, ob die Maschinen dauerhaft oder in einzelnen Schichten in Betrieb sind oder wie viele Zyklen ein Zylinder im Maschinenlebensbereich durchlaufen hat. Dementsprechend werden den Kunden Leistungen in Rechnung gestellt. Beim Thema Blockchain analysiert das Unternehmen vor allem Ansätze im Aftermarket und im Einkaufsbereich unter dem Aspekt digitaler Produkte und Services. „Den Nutzen der digitalen Funktionen nicht nur zum Endanwender, sondern auch zu den OEMs zu bringen, ist die Herausforderung“, so Klotz. „Mit der Technologie unseres Tochterunternehmens Resolto bringen wir die Künstliche Intelligenz direkt an die Maschine und können hier bereits nützliche Interpretationen in Echtzeit durchführen lassen. Dieser Ansatz funktioniert auch ohne Lock-in bei großen Cloud-Anbietern und steht allen Betreibern und Herstellern von Produktionsanlagen zur Verfügung.“ aru

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