Ausbausteuergeräte müssen sich mit Handschuhen bedienen lassen und widrigste Umweltbedingungen

Ausbausteuergeräte müssen sich mit Handschuhen bedienen lassen und widrigste Umweltbedingungen ertragen können. (Bild: Tiefenbach)

Die Tiefenbach Control Systems entwickelt und liefert Steuerungen sowie Hydraulik- und Elektronikkomponenten für den Bergbaumaschinen und -anlagen. Die Entwicklungsumgebung des Unternehmens auf Basis von PTC Creo unterstützt das Systemhaus Inneo.

Einst dominierte im Bergbau schwere Handarbeit, heute werden High-Tech-Anlagen unter Tage eingesetzt, die das Arbeiten leichter und sicherer machen. Die Tiefenbach Control Systems in Bochum entwickelt und liefert Steuerungen sowie Hydraulik- und Elektronikkomponenten für diese Anlagen und Maschinen. Die Entwicklungsumgebung des Unternehmens auf Basis von PTC Creo unterstützt das Systemhaus Inneo.

Das 1950 gegründete Unternehmen Tiefenbach hat eine lange Tradition als Ausrüster im Bergbau. Daneben findet das Control Systems des Unternehmens seine Kunden in der Offshore- und der Schwerindustrie, wo einzelne Ventile, Filter, diverse Komponenten und komplette Anlagen aus dem Portfolio des Anbieters zum Einsatz kommen. Komplettlösungen werden hauptsächlich für den untertägigen Bergbau entwickelt und montiert. Sie beinhalten sämtliche Komponenten zum Verfahren eines Schildes, von der elektrohydraulischen Steuerung über Nebenventile und Sensoren bis hin zu Kabeln, Schläuchen und Armaturen.

Im Steinkohlebergbau wird heutzutage hauptsächlich im Strebbau abgebaut. Dazu werden zunächst zwei sogenannte Strecken gegraben, das heißt parallele Stollen zu beiden Seiten des geplanten Abbaus im Kohleflöz. Zwischen den beiden Förderstrecken erstellen die Unternehmen eine Verbindung, das Aufhauen. In diesem 240 bis 400 Meter langen Aufhauen werden Ausbauschilde eingebaut. Dabei handelt es sich um bis zu zwei Meter breite und 25 bis 45 Tonnen schwere Gestelle, deren oberer Teil, die sogenannte Kappe, das Hangende abstützt. Sie lässt sich hydraulisch maximal sieben Meter heben. Am hinteren Ende sind die Kappe und das Unterteil des Schildes, die Kufe, mit einem sogenannten Lemniskatengetriebe verbunden und bilden eine U-förmige Konstruktion, die einen Schacht­raum komplett abstützt. Mehrere hundert Schilde nebeneinander bilden die Abstützung des Strebs.

Grubengase erfordern Ex-Schutz

Am vorderen, offenen Ende liegt der Strebförderer, ein „Kratzkettenförderer“. An diesem Förderer sind die Schilde befestigt. Das Abbaugerät, beispielsweise ein Kohlehobel oder ein Walzenschrämmlader, läuft auf diesem Förderer beziehungsweise auf einer fest verschweißten Führung und gewinnt die Kohle aus dem Flöz. Die Kohle wird dann vom Kettenförderer aus dem Streb transportiert. Ist das Abbaugerät am Schild vorbeigefahren, wird der Schild versetzt. Dazu senkt sich die Kappe ab und der Schild zieht sich am Kettenförderer vor. Dort wird die Kappe wieder gehoben und stützt damit wieder die Decke des Strebs ab.

komplexe Innenleben der Erzeugnisse

Das glatte Äußere täuscht über das komplexe Innenleben der Erzeugnisse hinweg.

Hinter dem Schild bricht das Hangende in den abgebauten Raum und schließt so die Lücke, aus der die Kohle gefördert wurde. Die gesamte Förderung kann automatisiert werden, und der Verbund aus Gewinnungsgerät, Förderer und Schilden arbeitet sich Schritt für Schritt durch das Flöz. Die Steuerung dieses gewaltigen Maschinenverbunds ist hochkomplex.

Elektronische Steuergeräte bedienen komplexe Hydraulikventile und -zylinder, wobei als Hydraulikmedium HFA-Emulsion, eine Öl-in-Wasser-Emulsion, eingesetzt wird. Wegen der allgegenwärtigen, explosionsfähigen Grubengase müssen alle elektrischen Komponenten Ex-Schutzanforderungen erfüllen. Außerhalb des Gehäuses der Steuerungen darf es unter keinen Umständen zu Funkenschlag kommen. Wegen der harten Umgebungsbedingungen im Bergbau müssen die Komponenten zudem sehr robust gebaut sein.

Universalsteuergerät

Sämtliche elektrischen Bauteile im Bergwerk müssen Ex-geschützt sein, auch dieses Universalsteuergerät – hier als CAD-Modell.

Die Wasserhydraulik arbeitet mit einem Druck von 500 bis 450 bar bei hohen Volumina. Die ebenfalls von Tiefenbach angebotenen Filter lassen sich im Betrieb bei einem Druck von 450 bar rückspülen, um die Leistungsfähigkeit der Filterelemente über eine lange Zeit zu gewährleisten und eine kontinuierliche Versorgung des Strebs zu gewährleisten. Der Anbieter ist Single-Source-Supplier für Hydrauliksysteme, das heißt, der Anwender hat einen einzigen Ansprechpartner für die gesamte Schildsteuerung.

Das Unternehmen arbeitet mit einer ganzen Reihe von Zulieferern zusammen. So werden unter anderem die notwendigen Ex-geschützten Schlauchleitungen von Knapheide Hydraulik-Systeme geliefert, gemeinsam mit der Tiefenbach-Hydraulik getestet und schließlich an den Anwender geliefert. Seit dem Jahr 2009 arbeitete Tiefenbach mit der Pro/Engineer-Windchill-Version 4 und dem PDM-System „Windchill PDMLink 9.1“. Nun stand der Umstieg auf die neueste Version Creo 2.0 des CAD-Systems an. Auch das PDM-System wurde dabei auf die aktuelle Version Windchill 10 gebracht, mit Unterstützung des Systemhauses Inneo, das den Hersteller seit 2006 betreut. „Wir haben die beiden letzten Versionen übersprungen“, so Maschinenbauingenieur Mario Riepekohl-Belling, „aber jetzt war es höchste Zeit, umzusteigen, um in den Genuss der neuen Funktionen in Creo 2 zu kommen.“

So einfach die Ventilblöcke von außen aussehen, so komplex ist deren Innenleben. Die vielen Verbindungen, die im Inneren der Blöcke durch Bohrungen geschaffen werden, lassen sich nur im 3D-Modell überprüfen. „Zur Dokumentation in der Zeichnung benötigen wir oft mehr als 20 Schnitte und drei bis vier A0-Zeichnungsblätter“, erläutert Entwicklungsingenieur Daniel Merker. „Wir fahren die Blöcke wie erwähnt mit hohen Drücken und arbeiten meist mit zweifacher Sicherheit; so müssen die Bohrungen auf mehr als 1100 bar ausgelegt sein. Da ist es extrem wichtig, die verbleibenden Wandstärken zwischen den Bohrungen im Innern des Ventilblocks zu überprüfen, um einen absolut zuverlässigen Betrieb zu gewährleisten.“

Dabei sind diese Ventilblöcke keine Massenware, sondern individuell, nicht nur aufgrund der Funktion, sondern vor allem aufgrund der Kundenanforderungen. Je nach Bergwerk, Betreiber und Land werden unterschiedliche Drücke gefahren und andere Anschlüsse genutzt. Die Entwickler haben diese Anschlüsse als Creo-Makros – UDFs – hinterlegt. So können sie diese schnell austauschen, um einen Block an die Anforderungen des jeweiligen Kunden anzupassen.

Daniel Merker, Patrick Weiffen und Mario Riepekohl-Belling

Daniel Merker, Patrick Weiffen und Mario Riepekohl-Belling (v.l.) sind zufrieden mit ihrer Entwicklungsumgebung. Bild: Ralf Steck

Zudem setzt das Unternehmen Familientabellen ein, um Normteile schnell zu erstellen. Beim Umstieg auf die neue CAD-Systemversion mussten einige dieser UDFs neu erstellt werden, weil diese von Menüeinträgen abhingen, die in der Ribbon-Oberfläche von Creo 2 einen anderen Platz bekamen oder deren Benennung sich geändert hatte. Ansonsten war der Umstieg jedoch recht reibungslos, wie sich Riepekohl-Belling erinnert: „Die Menüführung in Creo 2 ist an vielen Stellen einfacher geworden.“

Tiefenbach nutzt zum Erstellen von Zeichnungen in mehreren Sprachen das Creo-Modul ADLT. Dieses ermöglicht es, Texte in Zeichnungen auf Basis einer Datenbank, die diese Texte in verschiedenen Sprachen enthält, auf Knopfdruck auszutauschen. Auch die Zeichnungsrahmen werden entsprechend der Normen des jeweiligen Landes automatisch angepasst.

Die Tiefenbach-Konstrukteure nutzen das PTC-FEM-Modul Mechanica, um die mechanischen Belastungen der Ventilblöcke zu simulieren. In diesen Blöcken wird Wasser unter hohem Druck verteilt und geschaltet. Mit FEM lassen sich die Druckverhältnisse im Innern des Blocks analysieren und darstellen.

Hole Chart ist ein weiteres wichtiges Zusatzprogramm zum CAD-System. Diese Software liest die Positionen aller Bohrungen aus dem 3D-Modell aus und erstellt daraus Koordinatenlisten, die das Programmieren der NC-Bearbeitung sehr erleichtern.
Bei der Aktualisierung des PDM-Systems auf Windchill 10 war Inneo gefordert. Zu den Aufgaben gehörte, einen neuen Server zu installieren. Außerdem migrierte das Unternehmen die Datenbank, zunächst auf ein Testsystem, wo überprüft wurde, ob alle Daten und Parameter richtig übernommen wurden. Eine Hürde war dabei die Implementierung einer neuen Materialdatenbank; zwei Inneo-Mitarbeiter arbeiteten einen Monat gemeinsam mit den Tiefenbach-Administratoren an der fehlerfreien Migration.

Dank Schulung keine Fehler

Den Creo-Umstieg bereiteten die CAD-Verantwortlichen bei Tiefenbach mit einem Schnupperkurs bei Inneo vor. Auf die Installation des Systems folgte eine Update-Schulung in Köln für die zehn CAD-Anwender. Riepekohl-Belling berichtet: „Die Schulung war genau auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten. So war es möglich, sich in kurzer Zeit sehr tief in Creo einzuarbeiten. Der Windchill-Umstieg war da einfacher. Da die Änderungen der neuen Version vor allem die Datenbank betreffen, war für die reine Bedienung des Systems keine Schulung der Anwender notwendig.“

Der Beauftragte für Qualitätsmanagement Patrick Weiffen ergänzt: „Der Kontakt ist sehr eng und die Reaktionszeiten sind kurz.“ So war vor kurzem das Datumsformat in den Zeichnungsfeldern plötzlich falsch; der Inneo-Betreuer wusste sofort, welche Änderungen in letzter Zeit an den Einstellungen des Windchill-Servers gemacht worden waren, und konnte sofort eine Lösung präsentieren.

Da Knapheide ebenfalls Creo nutzt, übergeben die Unternehmen die Fertigungsunterlagen heute nahtlos aneinander, wodurch an dieser Stelle weniger Fehler passieren. In der Konstruktionsabteilung selbst hilft Windchill dabei, Fehler zu vermeiden, wie Merker sagt: „Wir sind zehn Creo-Hauptanwender in zwei Büros, das heißt, dass wir wenig Bedarf an formalisierten Workflows im PDM-System haben. Auf der anderen Seite ist es sehr wichtig, dass jeder Anwender die aktuellsten Daten zur Verfügung hat und mit den richtigen Änderungsindices arbeitet.“

Hydraulikblöcken

Da in diesen Hydraulikblöcken bis über 500 bar Druck herrschen, ist die Kontrolle der Wandstärken im 3D-System unerlässlich. Bild: Tiefenbach

Automatisch ins ERP-System

Die von Inneo entwickelten Genius-Tools sorgen unter anderem dafür, dass bei der Freigabe einer Zeichnung automatisch eine PDF-Datei dieser Zeichnung im ERP-System abgelegt wird. Das hat vor allem in der Fertigung Vorteile. Weiffen führt aus: „Dort kann nun über das ERP-System direkt auf das aktuelle PDF zugegriffen werden. Auch im Bereich der Dokumentationserstellung, beispielsweise für Betriebs-, Reparatur- oder Montageanleitungen, sind wir dank des PDM-Link-Viewers viel effektiver geworden.“ Die Dokumentationsabteilung würde einzelne Produkt-Darstellungen nun so erstellen, wie sie diese für das entsprechende Dokument benötigen, erklärt Weiffen.

„Wir sind viel schneller geworden“, fasst Mario Riepekohl-Belling zusammen. „Creo hat gerade im Bereich der Zeichnungserstellung einen großen Sprung nach vorn gebracht.“ Auch Patrick Weiffen lobt die Vorteile: „Wenn ich für die Qualitätskontrolle Darstellungen benötige, kann ich diese selbst im PDMLink-Viewer erstellen, statt einen Kollegen aus der Konstruktion aus dem Arbeitsfluss reißen zu müssen.“

Weiffens Bilanz fällt also positiv aus: „Wir sind sehr zufrieden. Gerade die PDM-Systemumstellung birgt einige Fallstricke, die ein Systemhaus natürlich kennt und vermeidet. Der Umstieg ging auch im Creo-Bereich dank der guten Vorbereitung und der Schulungen nahezu reibungslos über die Bühne und wir konnten schnell erste Effizienzgewinne realisieren.“ do

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