Warum kommt diesem Einlaufbereich so eine Bedeutung zu?

Die Kontur des Einlaufbereiches ist noch nicht der alleinige Schlüssel für höhere Laufzeiten. Auch das Zusammenspiel der mechanischen Umlenkteile mit dem Tragkörper, also die Positionierung der Bauteile zueinander, ist entscheidend. Der Ausfallmechanismus bei Linearführungen ist wesentlich davon geprägt, wie sauber die Wälzkörper in die Tragzonen einlaufen können. Wenn Sie mal schauen, die meisten Ausfälle von Linearführungen passieren genau im Einlaufbereich bei hohen Geschwindigkeiten: Erst kommen feinste oberflächennahe Ausbrüche, auch Graufleckigkeit genannt, dann entstehen kleinste Ausbrüche und am Ende kommen die typischen, großen Pittings.

Und genau das wollen wir mit unserer neuen Technologie verhindern. Je nach Wagentyp und Belastungsrichtung konnten wir die dynamische Tragfähigkeit zwischen elf und 44 Prozent erhöhen. Das bedeuted eine Verlängerung der Laufstrecke je nach Wagentyp und Belastungsrichtung zwischen 40 und 300 Prozent. Deshalb ist die neue Kuse-XL folgerichtig in unserem X-Life-Portfolio angesiedelt. X-life ist unser Gütesiegel für besonders leistungsfähige Produkte der Marken Ina und FAG. Sie zeichnen sich durch höhere Lebens- und Gebrauchsdauern aus, die eben aus höheren dynamischen Tragzahlen gegenüber dem bisherigen Standard resultieren.

Einlaufzone,
Durch eine besonders gestaltete und hochpräzise gefertigte Einlaufzone werden die Kugeln sanft beschleunigt, was den Verschleiß reduziert und die Laufruhe erhöht. (Bild: Schaeffler)

Warum haben Sie diese Optimierungen gerade bei der sechsreihigen Kugelumlaufführung durchgeführt? Standard sind doch eher vierreihige.

Sie haben recht, es gibt nicht viele Hersteller, die so eine sechsreihige Linearführung überhaupt im Portfolio haben. Die meisten Führungstypen mit Kugeln oder Rollen sind vierreihig. Aber wir haben festgestellt, dass bezüglich der Leistungsfähigkeit zwischen vierreihigen Kugel- und Rollenumlaufführungen eine Lücke klafft.Diese Lücke schließen wir mit der sechsreihigen Kuse-XL und reichen nun mit der X-life-Ausführung etwas näher an die Leistungsfähigkeit einer Rollenumlaufführung heran. Damit ist sie besonders für Lineardirektantriebe prädestiniert. Die bestehen in der Regel aus dem bestromten Primärteil und einem Sekundärteil, das hochleistungsfähige Permanentmagnete enthält. Die beiden Teile werden mittels Führungen voneinander getrennt.

Hier wirken zwischen beiden Teilen enorm hohe magnetische Anzugskräfte, die von der Führung permanent aufgenommen werden müssen, das liegt etwa bei dem dreifachen Wert der Spitzenkraft, den der Antrieb in Vorschubrichtung erzeugen kann. Entsprechend ist es für diese Lineardirektantriebe natürlich super, wenn man eine Konstruktion hat, die all diese Lasten wegbügeln kann. Dazu bietet Kuse-XL die passende Wälzkörperanordnung. Die Anzugskräfte werden nun von vier Druckreihen aufgenommen. Sie bietet damit noch Reserve für zusätzliche Kräfte, die zum Beispiel aus einer Bearbeitung resultieren.

Kuse-X-life-Kugelumlaufeinheiten,
Sechs Kugelreihen mit Druckwinkeln von 45° und 60° sorgen bei den Kuse-X-life-Kugelumlaufeinheiten bei kombinierter Belastung für höchste Steifigkeit und Tragfähigkeit. (Bild: Schaeffler)

Wie verteilen sich diese Lasten nun auf die sechs Kugelreihen?

Ich habe in Druckrichtung praktisch die doppelte Anzahl an Kugelflächen im Vergleich zu einer vierreihigen Kugelumlaufführung. Der nominelle Druckwinkel dieser vier Reihen beträgt 45 °, sodass diese Reihen auch in Seitenrichtung gleiche Lasten aufnehmen können. Eine weitere Besonderheit stellt der Druckwinkel der beiden restlichen Laufbahnen in Zugrichtung dar. Ihre Druckwinkel betragen 60 °, sind also steiler, sodass die Tragfähigkeit unter Zuglast im Vergleich zu herkömmlichen vierreihigen Kugelumlaufführungen auch höher ist. Fertigungstechnisch ist das eine Herausforderung, die wir aber seit vielen Jahren beherrschen.

Gibt es Daumenwerte, wo die vierreihige Kugelumlaufführung am Ende ist, ab wann die sechsreihige also sinnvoll ist?

Diese Frage lässt sich nicht generell beantworten. Man muss das alles über die Lastzyklen, über die geforderte Lebensdauer- oder Gebrauchsdauerzeit berechnen. Dafür haben wir mit Berainx auch eine passende Berechnungssoftware. Aber generell gilt, immer wenn ein Lineardirektantrieb im Spiel ist, sollte man an die Kuse-XL denken. Weiterhin muss man wissen, dass durch die Optimierung des zuvor beschriebenen Einlaufbereiches Mikrobewegungen
auch unter hoher Last praktisch eliminiert wurden. Diese Mikrobewegung wird auch als Hubpulsation bezeichnet.

Wie kommt es zur Hubpulsation und was haben Sie genau dagegen gemacht?

Unter einer Mikrobewegung versteht man kleine Hub- und Senkbewegungen eines Führungswagens mit umlaufenden Wälzkörpern quer zur Bewegungsrichtung. Durch die umlaufende Wälzkörperkette ist die Anzahl der tragenden Wälzkörper in der Lastzone nicht ganz konstant. Es laufen Wälzkörper auf der einen Seite in die Tragzone ein und auf der anderen Seite treten Wälzkörper aus der Lastzone aus. Bei Belastung unter Bewegung macht sich dieser Effekt in einer periodischen Einfederung bemerkbar.

Generell ist die Hubpulsation extrem klein. Sie liegt bei hoher Belastung unter einem Mikrometer. Aber je nach Anwendung kann auch eine Amplitude von einem Mikrometer störend sein. Mit der neuen X-life-Ausführung konnten wir diesen Effekt nochmals auf ein Zehntel reduzieren. Das ist eine tolle Sache, etwa für Messmaschinen. Auch bei Schleifmaschinen ist die Kuse-XL eine gute Alternative.

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