Dietmar Rudy, Schaeffler,
"Für Linear-Direktantriebe ist die Kuse-XL prädestiniert, weil sie die hohen Anzugskräfte senkrecht zur Vorschubkraft klaglos auf Lebensdauer aufnehmen kann“, ist
Dietmar Rudy überzeugt. (Bild: ke NEXT)

Ist die neue Kuse-XL ein klassisches Katalogprodukt oder gibt es auch kundenindividuelle Anpassungen?

Sie ist ein Katalogartikel. Aber sie können über den Katalog auch kundenindividuelle Anpassungen selbst konfigurieren. Dazu werden wir für die Kuse-Baureihe auch unsere bewährte Kitsystematik einführen, wie sie von den vierreihigen Profilschienensystemen unseres Hauses bekannt ist. Da gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, für unterschiedliche Anwendungsumfelder verschiedene Dichtungssätze auszuwählen, inklusive Hinweis, welches Kit für welchen Verschmutzungsgrad am besten geeignet ist.

So stehen für Kuse-XL verschiedene Frontdichtungen oder Dichtungspakete zur Auswahl, je nachdem ob Sie in staubhaltiger Atmosphäre oder unter Spanbeschuss arbeiten, oder vielleicht Kontakt zu Kühlschmierstoffen besteht. Natürlich haben wir auch die Möglichkeit weitere spezielle Anforderungen zu erfüllen. Zum Beispiel Ausführungen, die gegenüber besonderen Medien beständig sein müssen, oder wenn es um spezielle Schmierstoffe oder um Anwendungen im Lebensmittelbereich geht. Für den Lebensmittelbereich können beispielsweise Beschichtungen eingesetzt werden, die die Anforderung an den Schmierstoff deutlich senken, sodass man selbst mit lebensmitteltauglichen Weißölen unter hohen Kräften eine hohe Laufstrecke erreichen kann. Das sind Anpassungen, die wir aber auf Wunsch für alle unsere Linearprodukte realisieren können.

Die neue Kuse,
Die neue Kuse-XL (Grafik) mit der verbesserten Einlaufphase zeigt eine deutlich geringere Hubpulsation im Vergleich zum Vorgängermodell, wodurch sie auch für Aufgaben in der Messtechnik geeignet ist. (Bild: Schaeffler)

Entwickeln Sie diese Schmierstoffe und Beschichtungen selber oder kaufen Sie hier Produkte zu?

Bei Beschichtungen arbeiten wir oft mit unserem hausinternen Kompetenzzentrum für Oberflächentechnik in unsere Zentrale in Herzogenaurach und externen Entwicklungspartnern zusammen. Schmierstoffentwicklungen laufen immer in Kooperation mit Schmierstoffherstellern in einer Entwicklungspartnerschaft. Die richtigen Schmierstoffe für unsere Linearführungen können Sie auch separat als Arcanol-Fett beziehen. Mit dem passenden Schmierstoff erzielen Sie die höchsten Laufzeiten. Diese Ergebnisse sind durch eine Vielzahl von Versuchen abgesichert. Also das Thema Fett, das ist nochmal ein Maschinenelement für sich, eine leistungsbestimmende Komponente. Genauso wichtig wie die Geometrie einer Laufbahn, genauso wichtig wie der Wälzkörper. Sie können mit dem Fett die Leistungsfähigkeit nochmal deutlich erhöhen. Das klingt komisch, aber das ist so.

Macht der Schmierstoff denn wirklich so einen großen Unterschied?

Ja, absolut! Im Wälzkontakt bildet sich immer eine Druckelipse aus. Wenn Sie sich jetzt die Relativgeschwindigkeiten der Wälzpartner im Kontaktbereich anschauen, erkennen Sie besonders in den Randbereichen der Druckellipse Schlupf und damit Reibung. Aber Gleitreibungsanteile sind grundsätzlich nicht erwünscht. Mit einem guten Schmierstoff, der eine entsprechend gute Haft-, Scher- und Druckfestigkeit aufweist, kann die Reibung deutlich verringert werden.

Linearführungen werden hauptsächlich im Mischreibungsbereich betrieben, was bedeutet, dass der Schmierstoff keinen vollständigen hydrodynamischen Trennfilm zwischen den Wälzpartnern im Kontakt aufbaut. Linearführungen müssen also regelmäßig entweder mit Fett oder mit Öl nachgeschmiert werden. Und da kommt jetzt noch eine weitere Besonderheit der Kuse ins Spiel: Sie können minimalste Ölmengen realisieren, egal in welcher Einbaulage. Sie verfügt über einen Schmierkanal mit integrierter Ventilwirkung. Dadurch kann man minimale Ölmengen unabhängig von der Einbaulage realisieren. Sie können mit kleinsten Dosiereinheiten von 0,03 Kubikzentimeter pro Impuls arbeiten.

Es ist immer sichergestellt, dass die Kanäle im Führungswagen nicht aufgrund der Schwerkraft leerlaufen. Somit kann man insgesamt den Schmierstoffverbrauch bei Ölschmierung signifikant reduzieren. Früher hat man nicht so auf den Ölverbrauch geachtet, aber heute ist das in manchen Maschinen ein entscheidender Punkt. Denn mit diesem Öl und mit diesem Fett verunreinigen Sie Ihren Kühlschmierstoff. Und das führt zu einer schnelleren Zerstörung vor allem der neuen, umweltverträglichen Kühlschmierstoffe. Das ist unter Umständen ein ganz großer Kostenfaktor.

Pulsationsamplitude der Vorgängervariante.
Pulsationsamplitude der Vorgängervariante. (Bild: Schaeffler)

Als Entwicklungsleiter blicken Sie ja auch nach vorne. Gewähren Sie uns einen Blick in die Zukunft?

Gerne. Über 30 Prozent aller Ausfälle von Führungen werden auf Mangelschmierung zurückgeführt. Die wiederum kann auf fehlerhafte Zuführleitungen, Kontamination mit Stäuben oder Kühlschmierstoffen, falsch eingestellte Impulsmengen oder Impulszeiten zurückgeführt werden. Eine Führung auszutauschen ist immer mit großem Aufwand verbunden, schließlich hat sie im Wortsinn eine tragende Rolle in der Maschine. Daher wäre es von Vorteil, wenn ein Führungsschlitten seinen Nachschmierbedarf von selbst erkennt und sich den Schmierstoff zuführt, den er wirklich benötigt. Da der Schmierstoffbedarf immer abhängig ist von den vorliegenden Einsatzbedingungen wie Belastung, Verfahrgeschwindigkeit, zurückgelegte Strecke, Einlaufzustand, dem Schmierstoff selbst und den Umweltbedingungen, ist eine zeitgebundene Steuerung der Nachschmierimpulse nicht günstig. Wir arbeiten daher an der „adaptiven Schmierung“.

Wie haben Sie das umgesetzt?

Die adaptive Schmierung wird mit einem Sensor realisiert, der sich im Führungswagen befindet. In Verbindung mit einer Elektronik und bestimmten Algorithmen ist es uns gelungen, den Schmierzustand eines einzelnen Führungswagens zu messen. Über dieses Prinzip können wir sogar den Produktlebenszyklus verfolgen: Wenn so eine Führung neu ist, sind die Zeiten zwischen den Nachschmierzyklen kurz. Ist die Führung eingelaufen, dann finden Oberflächenglättungen auf den Wälzlaufbahnen statt und es bilden sich bedingt durch die Additive in den Schmierstoffen Reaktivschichten aus.

In diesem Zustand benötigt eine Führung deutlich weniger Schmierstoff. Die Zeiten zwischen den Nachschmierzyklen sind dann sehr lang. Irgendwann beginnen diese Zeitintervalle zwischen den Nachschmierzyklen aber wieder kürzer zu werden. Das tritt spannenderweise weit vor der Entstehung von signifikanten Schäden auf. Aus dem Muster der Zeitintervalle zwischen den Nachschmierzyklen kann man nun eine Aussage über den potenziellen Versagenszeitraum ableiten. Dabei können wir sogar jeden einzelnen Wagen identifizieren. Auf diese Weise können Austauschaktionen geplant werden. Unvorhergesehene Ausfälle werden deutlich unwahrscheinlicher.

Tatsächlich ist sogar eine Gebrauchsdauerverlängerung zu erwarten. Denn es gibt ja einen gewissen Spüleffekt, sprich, die Führung läuft weiter und länger, weil die schädlichen Schmutzpartikel gegen Ende der Lebensdauer rechtzeitig hinausgespült werden. Das ist wirklich eine Innovation. Präsentieren werden wir das wahrscheinlich auf der Messe Emo im Herbst.

Sie möchten gerne weiterlesen?