Nicht alle Unternehmen werden sich wie WEG für den Schritt zum Komplettanbieter entscheiden. Aber wer dies tut, wird mit Anforderungen konfrontiert, die bisher nicht in seinem Verantwortungsbereich lagen. „Energieeffizienz ist für uns der wichtigste Aspekt bei der Entwicklung und Konzeption von Antriebslösungen. Und das nicht erst, seit Anfang des Jahres nun IE3-Motoren beziehungsweise umrichtergeregelte IE2-Motoren in Europa Pflicht geworden sind. Bereits seit 2012 haben wir mit unseren W22 IE4-Asynchronmotoren Lösungen im Programm, die aktuelle Mindestanforderungen übertreffen und Anwendern großes Energiesparpotenzial bieten“, erklärt Jürgen Ponweiser.

Mit dem umfangreichen Frequenzumrichterportfolio in Kombination mit Getrieben des Tochterunternehmens Watt Drive kann WEG aufeinander abgestimmte Getriebemotorensysteme mit hoher Energieeffizienz anbieten, wie etwa die neue Generation eines modularen Systemmotors, der bereits ab 0,75 Kilowatt in der Energieeffizienzklasse IE3 verfügbar ist. Dieser weist im Direktanbau an ein Getriebe von Watt Drive aufgrund geringerer Reibungsverluste der schnell laufenden Welle merkliche Wirkungsgradvorteile gegenüber IE2-Motoren und dem Motoranbau mittels IEC-Adaptern auf. Darüber hinaus ermöglicht dieser Systemmotor den weltweiten Einsatz für unterschiedliche Netzspannungen.

Vom Antriebsstrang zur Mechatronisierung

Neben der Aktorik gehört natürlich auch Sensorik zur Komplettlösung, um den Muskelpaketen Fingerspitzengefühl zu verleihen. Der Vergleich mit organischen Systemen sei erlaubt, um die Aufgabe zu verdeutlichen. Immer kompaktere und robustere Sensoren, oftmals mit Funkanbindung, haben sich ihren Weg bis in die äußersten Spitzen der Mechanik gebahnt. Die Mechatronik hat die Trennung von Mechanik und Elektrik obsolet gemacht.

Rune Friis-Knutzen, Leiter strategische Produkt- und Marktentwicklung bei Lenze, beschreibt die Konsequenzen: „Bei der Mechatronisierung geht es zunächst einmal darum, Funktionen am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen. Wenn eine wesentliche Funktion für den Anwender beispielsweise dadurch verbessert oder gar erst erzielt wird, dass Sensoren Informationen sammeln und diese dann zur Steuerung des Produktionsprozesses nutzen, dann ist dieses Thema für uns selbstverständlich relevant.“

Wie Lenze dies umsetzt, zeigt insbesondere die g500-Getriebereihe in Kombination mit dem Lenze Smart Motor, bei dem laut Hersteller elektronische Intelligenz mit der Einfachheit eines Drehstrommotors gepaart wurde. So können die Sensorinformationen direkt innerhalb des Systems verarbeitet werden.

Der Lenze Smart Motor zeigt, dass sich Mechatronik auch positiv auf das Getriebe auswirken kann: Durch die Möglichkeit, die Motordrehzahl frei einzustellen, lässt sich die Variantenvielfalt von Getriebemotoren um bis zu 70 Prozent reduzieren. Statt vielen unterschiedlichen, fein abgestuften Getriebeübersetzungen, werden nur noch wenige unterschiedliche Varianten benötigt. Für den Maschinenbauer entfällt dadurch ein aufwendiges Variantenmanagement, die Lagerhaltung wird verringert und die Kosten reduziert.

Industrie 4.0 im Getriebe

Rune Friis-Knutzen, Leiter strategische Produkt- und Marktentwicklung bei Lenze,
"Bei der Mechatronisierung geht es zunächst einmal darum, Funktionen am richtigen Ort zur Verfügung zu stellen", so Rune Friis-Knutzen, Leiter strategische Produkt- und Marktentwicklung bei Lenze. (Bild: Lenze)

Spätestens jetzt, bei der Diskussion um Vernetzung, kommt man um das Thema Industrie 4.0 nicht mehr herum. Rune Friis-Knutzen beschreibt, wie sich Lenze dem Thema nähert: „Unter Industrie 4.0 verstehen wir das intelligente Vernetzen von Antriebssträngen zur Steigerung der Produktivität und Effizienz. Um den Prozess in Abhängigkeit vom aktuellen Bedarf und Anlagenzustand bestmöglich zu beeinflussen, müssen alle Komponenten des Antriebsstranges in ihren Möglichkeiten und Grenzen bekannt sein.“ Dazu gehört natürlich auch das Getriebe, sodass die Maschinenintelligenz auch Getriebe-Know-how benötigt. Daraus resultiert, dass Lenze in diesem Zusammenhang nicht mehr von einzelnen Komponenten spricht, sondern von mechatronischen Systemen, in denen die einzelnen Baugruppen aufeinander abgestimmt sind.

Neben neuen Anforderungen bringt Industrie 4.0 für Getriebe auch viele Chancen. Durch die Vernetzung entsteht unter anderem die Möglichkeit zu einem intelligenten Condition Monitoring. Dazu muss aber auch in der Anlagensteuerung oder im Antriebsstrang eine entsprechende Auswertung und Steuerung erfolgen, wofür wiederum ein entsprechendes Getriebe-Know-how in der Elektronik erforderlich ist.

Generalisten scheint also die Zukunft zu gehören in der vernetzten Welt von Industrie 4.0. Damit die kundenspezifischen Lösungen schnell verfügbar und bezahlbar bleiben, haben manche Hersteller ein Baukastensystem entwickelt, wie das Beispiel Nord Drivesystems zeigt. Jörg Niermann, Bereichsleiter Marketing des Unternehmens, stellt es vor: „Viele Kunden stellen besonders individuelle Konfigurationsmöglichkeiten und maximale Flexibilität in den Vordergrund. Man könnte dies einen langfristigen Mega-Trend nennen – er kam ja bereits mit den ersten Ansätzen zur Modularisierung von Antriebslösungen auf, und die liegen jetzt schon Jahrzehnte zurück. Kundenwünsche in dieser Richtung prägen unser Geschäft aber nach wie vor. Rund um Getriebe, für die wir variantenreiche Baukästen anbieten, liefern wir sehr oft anwendungsspezifisch abgestimmte Komplettpakete, also anschlussbereite Antriebssysteme mit passendem Motor und der Antriebselektronik, bei Bedarf verstärkten Lagerungen und Wellen, vergrößertem Lagerabstand, Scheiben- und Trommelbremsen, manchmal mit Doppelgetrieben, Hilfsmotoren, unterschiedlichen Kühlsystemen und noch vielem mehr.“

Durch Servo-Anwendungen, bestehend aus Getriebe, Synchron- oder Asynchronmotor und Antriebselektronik fließt fast zwangsläufig Steuerungs-Intelligenz in den Antrieb ein. Dies nutzt dieser Hersteller dafür, das System so zu ertüchtigen, dass es antriebsnahe Aufgaben selbstständig lösen kann. So muss zum Beispiel ein moderner Pumpenantrieb nicht, sobald er eine Störung feststellt, abschalten und per Störsignal einen Wartungsauftrag auslösen. Durch Puls- und Reversierbetrieb kann er so manche Verstopfung auflösen. Erst, wenn dieser durch einfache Parametrierfunktionen vorgegebene Entstörbetrieb nicht fruchtet, schaltet der Pumpenantrieb auf Störung.

Gerade bei Nord Drivesystems lässt sich aber auch beobachten, dass nicht nur die Vernetzung, sondern auch das Getriebe selbst noch Raum für Verbesserungen bietet. Nord ist nach eigenen Angaben der Erfinder des Blockgehäuse-Designs für Getriebe. Damit lassen sich auch große Anwendungen bis 242.000 Nm mit relativ kompakten Antrieben realisieren. Weitere Vorteile der Fertigung aus einem Graugussblock liegen in einer sehr hohen Radial- und Axialbelastbarkeit, der Vermeidung von Leckage, geringem Wartungsbedarf und einer langen Lebensdauer.

Ein weiterer Vorzug der Nord-Industriegetriebe ist, dass alle sechs Aufstellseiten zur Verfügung stehen und dass sich beidseitige Wellenabgänge realisieren lassen. Jörg Niermann erklärt: „Wenn oben und unten, rechts und links keine Rolle spielen, erhalten Anwender äußerst variable Systeme. In der Praxis heißt das unter anderem, dass sie mit weniger Ersatzgetriebe-Typen auskommen.“ Auf Effizienz durch optimiertes Design setzt der Hersteller auch bei Stirnrad-, Kegelstirnrad- und Schneckengetrieben. Bei neuen Nordbloc.1-Baureihen der letzten Jahre wurde das Leistungsgewicht noch weiter verbessert. Darüber hinaus standen noch spezielle Anwendungen im Fokus des Re-Engineering: Anlagen und Prozesse, die mit starker Verschmutzung einhergehen oder bei denen aus hygienischen Anforderungen heraus regelmäßig und intensiv gereinigt werden muss. Die Gehäuseoberflächen weisen deshalb keinerlei Toträume oder enge Winkel auf.

Alle Flächenübergänge sind fließend, sodass sich Verschmutzungen nicht festsetzen können und der Wartungsaufwand sinkt. Beim Punkt Hygiene setzt auch die Oberflächenvergütung nsd tupH an, die Nord entwickelt hat und die gemäß FDA Title 21 CFR 175.300 für Lebensmittelanwendungen zugelassen ist. Gehäuse aus Aluminium erhalten dadurch eine glatte und ultraharte Oberfläche, die anders als Lack unempfindlich gegen Stöße und Kratzer ist und Antriebe dauerhaft vor Korrosion schützt. Die Antriebe haben sich in Anwendungen mit maritimer Atmosphäre bewährt, wo Instandhaltungskosten und -aufwand extrem gesunken sind, da die entsprechend behandelten Antriebe eine deutlich längere Lebensdauer haben als lackierte Modelle.

Auch Klassiker können verbessert werden

Johannes Kübler, Leiter Vertrieb Stöber Antriebtechnik,
"Um die Energieeffizienz zu verbessern, beziehen wir die Massen des Antriebsstrangs mit in die Überlegungen ein", erklärt Johannes Kübler, Leiter Vertrieb Produktmanagement Mechanik bei Stöber Antriebstechnik. (Bild: Stöber Antriebstechnik)

Trotz aller Vernetzung und Mechatronisierung bietet das Produkt an sich immer noch Verbesserungsmöglichkeiten, die nur darauf warten, von klugen Köpfen entdeckt zu werden. Selbst ein klassisches Zweigang-Schaltgetriebe von Stöber kann hier noch punkten: „Es ist eine Spezialkonstruktion die wir für energiesparende Hauptspindelantriebe bei größeren Werkzeugmaschinen entwickelt haben“, erklärt Johannes Kübler. Ein Schaltgetriebe erlaubt den Wechsel zwischen hohen Drehzahlen und niedrigen Momenten für die Feinbearbeitung und hohem Drehmoment bei niedriger Drehzahl für die Schwerstzerspanung. Der Antriebsstrang kann aber kompakter und kostengünstiger gehalten werden als bei Lösungen mit leistungsstärkeren Motoren. Mit dieser klug umgesetzten Idee schließt sich so der Bogen zum ursprünglichen Produkt Getriebe und der Kernkompetenz der Hersteller.

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