Lager

Lager

Die Hannover Messe bietet Unternehmen jedes Jahr die Möglichkeit, sich mit ihren Produktneuheiten vorzustellen. 2015 war mit der MDA ein besonderes Jahr für die Antriebstechnikhersteller, zumal (mal wieder) der Dauerbrenner Industrie 4.0 im Fokus der Messe stand. Auch die Lagerhersteller haben die Chance ergriffen, um ihre Lager Industrie 4.0 tauglich zu machen.

Dazu hat SKF auf der Messe zwei Systeme vorgestellt: SKF Enlight und SKF Insight. SKF-Geschäftsführer Manfred E. Neubert beschreibt die Vorteile: „Wir vernetzen immer mehr Zustandsüberwachungstechnik mit Hilfe von Apps.“ SKF-Insight-Lager gibt es für Schienenfahrzeuge und Windenergieanlagen. Minisensoren werden direkt in die Lager integriert.

„Unsere Lösung geht über die aktuelle Sensorlagertechnologie hinaus. Sie integriert unterschiedliche Sensoren, setzt intelligente Funktechnik ein und bringt ihre eigene Stromversorgung mit. Die Lager senden ihre Daten in die SKF-Cloud, und der Kunde hat Zugriff auf unsere Diagnose- und Supportleistungen“, so Neubert.

Bei Schienenfahrzeugen erlaubt dieses System große Kosteneinsparungen, denn Radlager sind sicherheitskritische Komponenten und werden meist in festen Abständen – unabhängig von ihrem tatsächlichen Zustand – ausgetauscht.

SKF Enlight erlaubt die Erfassung der Schwingungs- und Temperaturwerte und überträgt diese mittels App auf mobile, eigensichere Endgeräte. Per Magnetfuß wird der Sensor an der Maschine befestigt und überträgt die Messdaten per Bluetooth an die App. Diese vergleicht die Daten mit ISO Normen und zeigt den Zustand mittels „Ampel-Anzeige“ an. Bei Überschreiten der Messwerte gibt das Gerät eine Warnung ab, und der Anwender kann eine On-Demand-Diagnose im Fernwartungszentrum von SKF in Auftrag geben.

Pendelrollenlager

Ein mit SKF Insight Zustandsüberwachungstechnologie ausgerüstetes Pendelrollenlager wird in Windenergieanlagen und Schienenfahrzeugen erprobt. Bild: NSK

Auch das Unternehmen Schaeffler entwickelt für Industrie 4.0: Zum einen in der eigenen Fertigung, zum anderen werden die Wälzlager mit Sensoren, Aktoren, Steuerungen und entsprechender Software erweitert.

Ziel ist die kontinuierliche Zustandsüberwachung bis hin zur autonomen Lösungssuche bei Fehlermeldungen oder die aktive Steuerung von Prozessen durch im Lager erhobenen Daten, wie etwa das Drehmoment. Mit einer neuen Sensortechnologie von Schaeffler können die Materialspannungen in Antriebswellen unmittelbar gemessen und in ein präzises Drehmomentsignal umgerechnet werden.

Drehmomente werden in vielen Maschinen von der Steuerung als Sollwert dem Motor rechnerisch und elektrisch vorgegeben. Temperatureinflüsse in Hydrauliken oder Reibung in zwischengeschalteten Getrieben spielen dann keine Rolle mehr. Erste Anwendungen der Drehmomentsensortechnologie finden sich bereits in der Landtechnik.

Die Sensoren erlauben zusätzlich zum Drehmoment die Messung der Drehzahl und somit die Berechnung der übertragenen Leistung. Aus diesen Daten sind die Belastungshistorie der Lagerungen und des gesamten Antriebsstranges ermittelbar und erlauben weitere Aussagen etwa über die Restlebensdauer.

Lagereinheit

NKE Agri Unit, eine für Scheibeneggen entwickelte Lagereinheit. Bild: NKE

So sollen dank Entwicklungen wie den Condition-Monitoring-Systemen und Sensortechnologien Maschinen und Produkte zukünftig besser in der Lage sein, ihren Zustand und damit den Wartungsbedarf selbst zu diagnostizieren. Konsequent hat Schaeffler dies in seinem Sensorlager für E-Bikes umgesetzt. Hier wird die Tretachse nicht nur gestützt, sondern auch die Leistung des Elektromotors auf den Fahrer abgestimmt. Hierfür werden Drehzahl, Drehmoment, Drehrichtung und -winkel gemessen.

Industrie 4.0 und die Vernetzung immer intelligenterer Lager sind also ein nicht mehr umzukehrender Trend, der immer wichtiger wird. Davon ist auch Natalie Simon von NSK überzeugt und betont: „Bauteile werden heutzutage mit Sensoren ausgestattet und liefern so dem Nutzer tiefergehende Informationen zum Zustand der Lager.“

SKF Explorer

Das weiterentwickelte vierreihige SKF Explorer Kegelrollenlager setzt neue Maßstäbe bei der Austauschbarkeit offener und abgedichteter Lager, da beide Ausführungen maßlich identisch sind und die gleiche Tragfähigkeit aufweisen. Bild: SKF

Lagerhersteller NKE Austria sieht zwar die Wichtigkeit von Industrie 4.0, jedoch zögert Verkaufsleiter Thomas Witzler: „Industrie 4.0 bahnt sich an, aber wir warten noch ab, bis die Normierungen von Maschine zu Maschine erfolgt sind.“

Megatrend Green Enviroment

Schaeffler hat zudem mediengeschmierte Wälzlager für Wasserturbinen entwickelt, die durch Wasser geschmiert werden. Der ökologische Vorteil leuchtet sofort ein, man kann auf Öle und Fette verzichten. Außerdem verbaut Schaeffler nicht hermetische Dichtungen, das Wasser soll ja eindringen, somit wird das Gewicht dieser Dichtungen minimiert. Partikel, die die Wälzkontakte beschädigen können, werden von den Dichtungen jedoch abgewiesen.

FAG-Velomatic

Ein Kommunikationsmodul vernetzt die FAG-Velomatic im E-Bike mit dem E-Antrieb beziehungsweise im konventionellen Fahrrad mit dem Sensor-Tretlager sowie dem optional erhältlichen elektrischen Schaltmodul und dem Fahrer-Smartphone. Bild: Schaeffler

Durch Oberflächenoptimierung, Schaeffler hat neue diamantartige Schichtsysteme entwickelt, werden die Reibverluste so weit minimiert, dass selbst bei Mangelschmierung Reibwerte wie bei optimaler Schmierung erreicht werden. Das führt zum Beispiel bei Pkw zu einer messbaren Reduzierung des CO2-Ausstoßes.

„Den Öko-Gedanken nimmt SKF traditionell sehr ernst“, so auch Geschäftsführer Neubert und stellt BeyondZero als ein komplettes Öko-Life-Cycle-Konzept vor, das die Umwelt ebenso schone wie den Geldbeutel der Kunden. „Unsere Kunden sehen sich mit steigenden Energiekosten und/oder gesetzlichen Vorschriften konfrontiert, die nach ressourcenschonenderen Lösungen verlangen.

Wir stellen den verschiedensten Industriezweigen immer reibungsärmere Lager zur Verfügung, die in unzähligen Anwendungen weltweit für Energieeffizienz sorgen und damit Millionen von Tonnen an CO2-Ausstoß vermeiden. Die Lager sind aber nicht nur reibungsminimiert, sie halten auch länger. Weil wir viele dieser Lager wieder aufbereiten können, benötigen wir außerdem viel weniger Rohstoffe.“

Werkstoffe zählen

SKF Großlager-Prüfzentrum

Ein 3D-Model des geplanten neuen Großlagerprüfzentrums von SKF. Bild: SKF

Optimierung von Werkstoffen ist ein großes Thema bei den Herstellern. Durch die Verwendung spezieller Werkstoffe versuchen die Lagerhersteller, den Verschleiß zu minimieren. Keramikkugeln in Wälzlagern zeichnen sich zum Beispiel durch Härte, geringeres Gewicht, Präzision, eine hohe Wiederholgenauigkeit, geringere Momente und höhere Steifigkeit aus. Sie sind weniger anfällig gegen ätzende Flüssigkeiten und haben einen deutlich geringeren Partikelabrieb. Sie sind damit reinraumfähig und vakuumtauglich. Wälzlager mit Keramikkugeln werden deshalb gerne in der Luft und Raumfahrt sowie zur Herstellung von Wafern eingesetzt.

Bei Windkraftanlagen scheinen Wasserstoffeintrag durch den verwendeten Schmierstoff und Schlupf an den Kontaktstellen eine Rolle zu spielen. Bei Wälzlagern von Lichtmaschinen bei Kraftfahrzeugen wurden ähnliche Probleme auf elektrische Ströme zurückgeführt. NSK hat über die Optimierung des Restaustenitgehalts in ihrem STF Stahl (einem Stahl mit carbonierter Oberfläche) dafür gesorgt, dass Spannungsspitzen minimiert werden.

Natalie Simon von NSK: „Den Forderung nach optimierten Werkstoffen, die immer höhere Belastungen aushalten, kommt NSK mit seiner neuen BNEQARTET und dem Anti-White-Structure Steel nach. Unseren F&E-Ingenieuren in Japan ist es gelungen, mit einem neuen Werkstoff die Widerstandfähigkeiten gegen das White Structure Flanking um den Faktor 7 zu erhöhen.“

Norelem setzt bei seinen Gleitlagern auf unterschiedliche Werkstoffkombinationen: So sind die Lager entweder aus einem Stahl-Bronze-Kunststoff-Verbund oder aus reiner Sinterbronze. Bei der Entwicklung wurde auf chemische Resistenz und die Erfüllung der RoHS-Richtlinie geachtet. Bei dem Verbundgleitlager aus Stahl, Bronze und Kunststoff ist in der Bronze eine Schicht aus PTFE eingelassen. Diese sorgt zusammen mit anderen Gleitzusätzen für eine reibungsfreie Drehung.

Das Trägerblech ist durch eine Kupfer-Zinn-Auflage vor Korrosion geschützt. Es entsteht kein Stick-Slip-Effekt, damit eignen sich die Lager besonders für den Trockenlauf und für die Durchführung kleinster Bewegungen wie zum Beispiel bei Präzisions-Werkzeugmaschinen. Gleitlager aus Sinterbronze speichern in ihrem Kapillarsystem Öl, das sie im laufenden Betrieb an die Welle abgeben, um diese zu schmieren. Bei Stillstand der Welle wird das Öl vom Gleitlager wieder aufgesogen.

Bei den Wälzlagern sorgen Käfige aus Stahlblech, Polyamid oder Hartgewebe dafür, dass die Lager geringe Reibwiderstände und minimalen Verschleiß aufweisen.

Auf die Frage nach neuen Trends in Materialien und Verbesserungen in der Stahllegierung betont Thomas Witzler von NKE Austria: „Ein Trend ist sicher die Nachfrage der Kunden nach mehr Belastbarkeit von Produkten, unsere neu entwickelte Agri Unit ist im Bereich der Landtechnik eines der Ergebnisse.“

Thomas Witzler

„Wir erkennen einen verstärkten Kundenbedarf nach flexiblen Prozessen.“
Thomas Witzler, NKE Austria. Bild: NKE

Auch Schaeffler hat einen Niro-Stahl weiterentwickelt und führt Lager aus Cronitect, einem martensitisch gehärteten Stahl. Diese werden nach DIN 50021 SS einem Salzsprühnebel ausgesetzt und zeigen deutlich bessere Korrosionsbeständigkeit. Nicht nur die Werkstoffe der Lagerteile werden optimiert, die Industrie versucht auch die Schmiermittel zu verbessern.

NSK hat im April 2015 ein neues Schmierfett für seine Lager rausgebracht: RACEGRD. Im Test konnte so mit einer Schmierung das Lager deutlich länger betrieben werden als mit dem Vergleichs-produkt. Außerdem wurde der Tropfverlust des Schmiermittels beim Betrieb verringert, und die Temperaturschwankungen innerhalb des Lagers durch optimierte Schmierung minimiert.

Es geht auch kleiner

Obwohl Lager zum Teil enorme Kräfte aufnehmen müssen und dies der Verkleinerung der Lager eigentlich entgegenspricht, versuchen die Hersteller, die Abmessungen ihrer Lager bei gleichbleibender Robustheit zu verringern. So bietet Rodriguez in seinem Sortiment Ultra-Slim-Dünnringlager mit einem Querschnitt von 2,5 x 3,0 Millimeter an.

Diese Lager sind für leichte und mittlere Anwendungen mit langsamen oder intermittierenden Rotationsbewegungen geeignet. Als Hybrid-Dünnringlager können die Lager auch mit Käfigen aus Teflon (PFTE) oder als vollkugelige Ausführung mit Keramikkugeln geliefert werden. Diese Lager benötigen nur ganz wenig Schmierung (sogenannte Mangelschmierung) oder gar keine Schmierung mehr.

Manfred E. Neubert

„Den Öko-Gedanken nimmt SKF traditionell sehr ernst.“ Manfred E. Neubert, SKF. Bild: SKF

SKF stellte im Juni 2015 auf der Metec in Düsseldorf sein neues vierreihiges SKF Explorer Kegelrollenlager vor. Die Abmaße und Tragfähigkeit dieses Lagers sind bei der offenen und abgedichteten Version identisch, was die Flexibilität des Anwenders erhöht. Die neue kompakte Dichtung erlaubt eine Vereinheitlichung des Lagerdesigns, auch bei der offenen Ausführung gibt es keinen Käfigüberstand.

Das macht den Ein- und Ausbau der Lager einfacher und reduziert das Risiko von Beschädigungen beim Handling und im laufenden Betrieb. So erklärt SKF-Geschäftsführer Neubert: „Bei der Entscheidung für ein offenes oder abgedichtetes Arbeitswalzenlager müssen häufig Kompromisse hinsichtlich Tragzahl, Zuverlässigkeit und Lebensdauer gemacht werden. Die vierreihigen SKF-Explorer-Kegelrollenlager sind in beiden Ausführungen maßgleich und haben die gleiche Tragfähigkeit.“

Betrachtet man die Lagergeometrien, so erkennt man, dass die Firmen allgemein versuchen, ihren Lagern eine höhere Belastung zu zumuten, dabei die Baugröße aber beizubehalten. Auf der anderen Seite erwarten die Hersteller, dass die Lager größer werden. Ein gutes Beispiel dafür sind die Lager in Windkraftanlagen, wo Leistung und Lagerbelastung immer mehr zunehmen. Das zeigt sich auch bei den Testständen: So hat Schaeffler vor kurzem einen großen Prüfstand fertiggestellt, SKF baut demnächst einen neuen und sehr großen Prüfstand. Miniaturisierung zählt nicht zu den Haupttrends der Branche.

Je nach Anwendung

Auch NKE hat zur Hannover Messe 2015 ein neues Lager präsentiert. Bisher mussten Landmaschinenhersteller bis zu zehn einzelne Komponenten beschaffen und assemblieren. Nun steht ihnen eine vormontierte Lagereinheit zur Verfügung, wobei einzelne Bauteile mehrere Funktionen übernehmen.

Die von den Außenabmessungen her mit bestehenden Lösungen vergleichbare Konstruktion bietet im Inneren eine optimierte Geometrie für maximale Belastbarkeit und Kippsteifigkeit. Dabei ist eine Anpassung der Anschlussgeometrien der Einheit, um diese in bestehende Konstruktionen zu integrieren oder spezifisch auf neue Anwendungen abzustimmen, jederzeit möglich. Grundsätzlich sieht NKE den Trend: „Produktqualität wird vorausgesetzt.

Wir erkennen derzeit einen verstärkten Kundenbedarf nach flexiblen Prozessen, engerer Zusammenarbeit und rascher Reaktion auf geänderte Kundenanforderungen.“ Das unterstreicht auch NSK: „Der Markt verlangt nach längerer Lebensdauer. Zudem geht der Trend vom reinen Wälzlagerverkauf hin zum Added Value. In diesem Zusammenhang unterstützt NSK die Kunden mit seinem AIP-Programm“.

Dabei wird dem Kunden nicht nur das Produkt verkauft, sondern anhand einer Vorortanalyse sein Bedarf sowie die Einsatzbedingungen für das Lager analysiert. Beratung zum Einbau und Handling sowie Schulungen des Instandhaltungspersonals runden das Programm ab. fa

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