Wie sehr unsere Gesellschaft an Innovationen in der Antriebstechnik hängt, wird 2017 auch in den Diskussionen um Dieselskandal, Autokartelle und die elektrische Verkehrswende deutlich. Neue und bessere Antriebe werden seit langer Zeit gefordert. Sie stehen für Fortschritt. Doch der Fokus auf die primäre Krafterzeugung duch Verbrenner oder Elektromotor verstellt oft den Blick auf ein wichtiges Maschinenelement: Das Lager. Ohne die stetige Innovation sowohl bei Wälz-, als auch bei Gleitlagern, ohne das Engagement von Ingenieuren, die sich detailverliebt in die Neuentwicklung von Komponenten vertiefen, würden wir heute nicht so schnell von A nach B fahren. Entsprechend zücken die Hersteller der Wälz- und Gleitlager derzeit das ganze Repertoire an modernen Methoden, um die Lagertechnik weiterzuentwickeln. Und bei reiner Mechanik bleibt die Entwicklung nicht stehen, längst hat der Trend zur Digitalisierung auch die vielfältigen Reibungsverminderer erfasst. Der Blick in die Branche lohnt sich also auch für diejenigen, die wissen wollen, was Industrie 4.0 mit dem Maschinenbau macht.

Innovationstreiber Windkraft

Die Anwendungen in der Antriebstechnik gehen dabei mittlerweile weit über die Gefährte der Menschen hinaus. Sie sind so vielfältig, wie der Mensch erfindungsreich ist. Und wo Antriebslösungen gefragt sind, dürfen Lagerlösungen nicht fehlen, um lange Lebenszeiten und energieeffiziente Lösungen umsetzen zu können.

Wenn es um aktuelle Innovationstreiber in der Lagertechnik geht, lautet die Antwort der Hersteller deshalb auch, dass die momentane Entwicklung hin zu einer Stromversorgung aus regenerativen Energien eine wichtige Rolle spielt. Ralf Petersen von der Firma NSK richtet den Fokus gleich auf sehr große Anlagen: „Besonders anspruchsvoll ist traditionell die Windkraftindustrie“, betont er. Aber auch darüber hinaus identifizieren die Hersteller Branchen, in denen die Lagertechnik und neue Lösungen darin gefragt sind, wie beispielsweise bei den Spindelantrieben von Werkzeugmaschinen. Die Ansprüche in diesem Bereich steigen vor allem deshalb, weil moderne Maschinen immer höhere Drehzahlen erreichen.

Low-Cost-Lager müssen passen

Beim Blick auf Innovationen lohnt es, sich die verschiedenen Preissegmente genauer anzusehen. Das haben auch die Experten von Findling gemacht, die seit einigen Jahren speziell für die preissensiblen Anwendungen passende Lagerlösungen suchen. Das Ziel dort ist es, durch die Verbindung von bewährter Technologie bei den Wälz- und Gleitlagern mit hoher Standardisierung und gutem Supply-Chain-Management, Leistungssteigerungen und Funktionserweiterungen zu ermöglichen.

Die Innovation kommt hier also weniger aus der Konstruktion heraus, als vielmehr aus dem Anspruch, Maschinen- und Anlagenentwicklern eine passgenaue Lösung durch ein verbessertes Management und Beratung bei der Auswahl anbieten zu können. Klaus Findling zeigt sich mit diesem Ansatz überzeugt: „Low-Cost-Produkte können sehr erfolgreich sein!“ Damit das funktioniert, müssten Konstrukteure und Entwickler jedoch wissen, wo sie die Lager einsetzen wollen und unter welchen Bedingungen die Technik eingebaut werde. Mit den Parametern zu Lebensdauer, Umdrehungszahl, Baugröße und Belastung können so über eine Suchmaske die passenden Lösungen angeboten werden. „Abeg-Methode“ nennen die Ingenieure bei Findling das und können so Lager aus verschiedenen Leistungsklassen für ganz unterschiedliche Anwendungen anbieten.

Industrie 4.0 zeigt sich bei Lagern

Großlagerfertigung,
Großlagerfertigung von SKF am Standort Schweinfurt. (Bild: SKF)

Mit der Innovation ist es immer so eine Sache. Woran macht sich fest, was nun wirklich neue Erkenntnisse und Fortschritt bedeutet? Wenn es darum geht möglichst viele Anwendungsbeispiele für die vierte industrielle Revolution zu finden, sind einige Hersteller von Wälz- und Gleitlagern jedenfalls ganz weit vorne mit dabei. Denn die Anwender sehen gerade in der Vernetzung der Antriebsstränge mit computergestützten Überwachungssystemen die Chance, ihre Maschinen und Anlagen besser überwachen zu können. „Das Wälzlager ist hier quasi das Fenster zur Zustandsüberwachung des Antriebs. Deshalb rüsten wir verstärkt Lager mit Sensoren aus und bieten komplette Condition-Monitoring-Systeme, einschließlich Software“, weiß Ralf Petersen von NSK. Auch bei Schaeffler ist man von den Chancen der Digitalisierung für die Branche überzeugt und sieht sich hier sogar als Pionier in Sachen digitaler Services. Selbstausgegebenes Ziel ist nach wie vor „die Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Prozessqualität der Maschinen und Anlagen zu erhöhen“, sagt Dr. Stefan Spindler, Vorstandsmitglied beim fränkischen Unternehmen. Das Know-How aus der Entwicklung von Wälzlagern wird dort mit den Möglichkeiten der Industrie 4.0 verbunden, um so eine „automatisierte Diagnose“ und die „Restlaufzeitberechnung von Wälzlagern“ anbieten zu können.

Daten zu nutzen, um damit neue Geschäftsmodelle im Rahmen von Zustandsüberwachung und vorausschauender Wartung zu erschließen, davon scheinen die Hersteller gleichermaßen fasziniert wie auch begeistert zu sein. Für Konstrukteure hat das Vorteile, so argumentieren die Hersteller. Denn nun können sie anhand der Daten aus der realen Anwendungen dabei helfen, Lager für neue Projekte passgenau auszulegen. „Das sollte den Konstrukteuren die Vermeidung von Unter-und Überdimensionierung noch einfacher machen“, meint deshalb Klaus Findling. Meist lernten die Konstrukteure doch nur durch Ausfälle oder aufwendige Leistungstests, die aber nicht den realen Einsatzbedingungen entsprächen.

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