Gleichstrom,

Bei Gleichstrom braucht man neue Komponenten, zum Beispiel Schalter, damit der Störlichtbogen erlischt. (Bild: Lapp/TU Ilmenau)

Immer wieder prophezeien Energieexperten einen Kollaps des deutschen Stromnetzes infolge von Überlastungen und Instabilitäten, die sich gefährlich aufschaukeln können. Regenerativer Strom im Überfluss drängt in die Netze, die dafür nicht ausgelegt wurden. Dies sieht auch Professor Frank Berger so, Leiter des Fachgebietes Elektrische Geräte und Anlagen an der Technischen Universität Ilmenau.

In seiner Präsentation während der Lapp-Fachpressetage zeigt der Elektrotechniker seinen Zuhörern eine Grafik, in der die neuralgischen Engstellen im deutschen Stromnetz an manchen Tagen bereits mit bis zu 200 Prozent ihrer eigentlichen Kapazität belastet sind. Die Politik hat mit einem Beschluss zum Netzausbau reagiert und will mit zusätzlichen 380-Kilovolt-AC-Trassen und auch mit Hochspannungs-Gleichstromübertragungsleitungen (HGÜ) in Nord- und Süd-Korridoren den gestiegenen Anforderungen Folge leisten. Nach einem Beschluss des Deutschen Bundestages sollen diese Gleichspannungsleitungen vorzugweise als Erdkabel verlegt werden, um vor allem Windstrom von der Küste in die Ballungszentren zu leiten.

Ideal für große Distanzen

Frank Berger, Leiter des Fachgebiets Elektrische Geräte und Anlagen an der Technischen Universität Ilmenau.
Frank Berger, Leiter des Fachgebiets Elektrische Geräte und Anlagen an der Technischen Universität Ilmenau. (Bild: A. Kradisch)

Die Gleichspannungstechnik sei dafür bestens geeignet, meint Berger. Sie ermöglicht auf längeren Distanzen die Übertragung großer Leistungen mit deutlich weniger Verlusten als bei den klassischen Hochspannungsleitungen mit Wechselspannung. In China boomt diese Technik, denn nur so können die benötigten riesigen Energiemengen von den großen Staudämmen im Inneren und Nordwesten des Landes zu den Megastädten und Industriezentren im Osten geleitet werden. Berger sieht eindeutige Vorteile des Gleichstrom-Konzepts: „Die Technik verspricht eine Reduktion der Energieübertragungsverluste von bis zu 30 Prozent“.

Doch der wahre Paradigmenwechsel im Stromnetz steht erst noch bevor. Denn wenn schon die Hochspannungsleitungen mit Gleichstrom betrieben werden, warum dann nicht auch Niederspannungsnetze und die Stromversorgung im Haushalt? Dort hat der Siegeszug der Wechselspannungstechnik seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in jüngster Zeit zu einer paradoxen Situation geführt: Immer mehr Kleingeräte arbeiten mit Gleichspannung von wenigen Volt – vom elektrischen Rasierer über das Notebook und den Flachbildfernseher bis zu LED-Leuchten. Versorgt werden sie aber mit 230-Volt-Wechselspannung aus der Steckdose. Dutzende Schaltnetzteile übernehmen in modernen Haushalten die Wandlung – mit scheinbar kleinen Verlusten, die sich aber landesweit zu bedeutenden zusätzlichen Aufwänden und Kosten summieren.

Gebot der Vernunft

Durch die Nutzung von Gleichstrom ließe sich enorm viel Energie einsparen, hier eine Entladung am Tesla-Trafo.
Durch die Nutzung von Gleichstrom ließe sich enorm viel Energie einsparen, hier eine Entladung am Tesla-Trafo. (Bild: Lapp/TU Ilmenau)

Berger plädiert deshalb dafür, auch bei der Niederspannungsversorgung langfristig den Gleichstrom nicht außer Acht zu lassen. Gleichspannungsversorgung ist für viele Anwendungsbereiche ein Gebot der Vernunft, sagt der Elektrotechniker, der 2003 an die TU Ilmenau kam. Welche Netzstrategien dafür geeignet wären – bei dem bewährten existierenden AC-Netz auf DC-Netze mit DC-Erzeugern und Verbrauchern überzugehen oder der Parallelbetrieb beider Systeme – sind indes nicht seine Forschungsthemen.

Das Team an seinem Lehrstuhl beschäftigt sich überwiegend mit Schaltgeräten für die Elektroinstallationen sowie mit Isolierstoffen  und da wirft der Gleichstrom einige Fragen auf. Eine betrifft die Schalter. Wer zuhause einen Lichtschalter betätigt, kann zurecht erwarten, dass das Licht ausgeht. Das funktioniert zuverlässig, weil der im Schaltvorgang auftretende Lichtbogen zwischen den sich trennenden Schaltkontakten immer verlöscht, dank der Tatsache, dass der Wechselstrom zweimal im 50-Hz-Takt einen Nulldurchgang hat. Nicht so bei Gleichspannung. Betätigt man hier den Schalter, fließt der Gleichstrom weiter, da er keinen Nulldurchgang hat, wo der Lichtbogen verlischt.

Spezielle gerätetechnische Maßnahmen sind notwendig, um ein Verlöschen des Schaltlichtbogens zu erzwingen. Anderenfalls kann es zur Zerstörung des Schalters und zum Brand kommen. Deshalb tüfteln die Ilmenauer Wissenschaftler auch an neuen DC-Schaltkonzepten für Gleichspannungsnetze von der Niederspannung bis zur Hochspannung.

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