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(Bild: Adobe Stock; phonlamaiphoto)

Tatsächlich ist es laut einer von Wakefield Research im Auftrag von Avanade durchgeführten Studie so, dass 98 Prozent der Befragten – Vorstände und leitende Angestellte großer Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern – KI eher als ein Zeitgeistphänomen betrachten. KI wurde dabei nicht als einzelne Technologie definiert, sondern als eine Zusammenstellung aus mehreren Bereichen. Diese entsprechen nacheinander betrachtet oft den einzelnen Schritten, die bei der langfristigen Einführung erfolgen.

Dazu gehören insbesondere die Aspekte Robotic Process Automation (RPA), also die Automatisierung von manuellen und sich wiederholenden Aufgaben und Geschäftsprozessen, sowie intelligente Automatisierung (IA), die Prozesse zum Beispiel mit kognitiven Diensten verbessern; dazu zählt zum Beispiel die Verarbeitung natürlicher Sprache.

Hintergrundinfos

Über den Autor

  • Dr. Robert Laube ist Leiter Anwendungsentwicklung und Chief Technology & Innovation Officer bei Avanade Deutschland.

  • Seit mehr als 20 Jahren berät Laube nationale und internationale Kunden im Bereich Modern Software Engineering, Analytics und Digitalisierung.

  • Er ist Ansprechpartner zu Künstlicher Intelligenz (KI), Robotic Process Automation (RPA) sowie IoT und den innovativen Möglichkeiten, die sich im Bereich Industrie 4.0 im Zusammenspiel mit C

Eklatante Branchenunterschiede

Bei einem Blick auf die Gesamteinschätzung wird klar, dass die Entscheidungsträger davon ausgehen, dass dem Thema derzeit eher zu viel Bedeutung beigemessen wird. Dazu passt die erwartete niedrige Nutzeneinschätzung von KI. Allerdings gibt es dabei auch Branchenunterschiede. Insgesamt schlecht schneidet zum Beispiel der Marketing-Bereich ab, dem nur 15 Prozent der hierzulande Befragten Vorteile durch KI beimessen. Auch im Maschinenbau glauben hierzulande nur 17 Prozent der Befragten, dass KI-Technologien im Bereich der automatisierten Produktion hilfreich sein können – der globale Schnitt beträgt hier 31 Prozent. Diese Zahl darf zumindest aufhorchen lassen, wenn es um die Zukunftsfähigkeit der Branche geht: Unabhängig vom relativ niedrigen Gesamtniveau wird hier deutlich, dass außerhalb Deutschlands doppelt so viele Unternehmenslenker Vorteile an dieser Gegenwartstechnologie sehen. Denn so viel ist klar: KI ist keine Zukunftsmusik. Im Gegenteil, Künstliche Intelligenz ist im Alltag angekommen.

Von Sprachassistenten über Smartwatches bis hin zu sich selbst verbessernder Software, die Reihe der Anwendungsfälle ist groß. Ein Blick auf das Privatleben mit kleinen, spürbareren Gadgets macht das vielleicht einfacher, greifbarer deutlich als die Szenarien der abstrakteren B2B-Welt. Doch es muss uns klar sein: Erst vor einigen Monaten hat eine Software sich in wenigen Tagen beigebracht, besser „Go“ zu spielen als alle anderen Spieler zuvor – inklusive ihrer eigenen Vorgänger-Software. Wer KI als Zeitgeist-Erscheinung und Zukunftsmusik abtut, könnte also bald große Augen machen.

Umso wichtiger ist, dass die für Deutschland so wichtigen Branchen wie die Automobilindustrie oder eben der Maschinenbau jetzt ihre KI-Projekte anpacken. Das gilt umso mehr, als auch entfernte Systeme beziehungsweise verteilt arbeitende Maschinen über neuartige, leistungsfähige, dezentral platzierte Chips im Sinne eines Edge- oder Fog-Computing ihre eigene Intelligenz erhalten können. Wir sprechen dann vom Internet of Intelligent Things – IoIT. Das Ergebnis sind intelligente Edge-Lösung, die Kosten senken, einfach einzurichten sind und nur wenig neue Infrastruktur erfordern.

Einsatzzweck ausschlaggebend für Erfolg

Für die erfolgreiche Nutzung intelligenter Maschinen müssen Unternehmen genau auf den Einsatzzweck achten. Sehen sie Unternehmen nur als Mittel, um die Kosten zu senken, werden die KI-Systeme in jeder Branche mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nutzenbringend eingesetzt, das gilt auch für den Maschinenbau. Wichtige Schritte bei der Implementierung von KI-Ansätzen sind demnach die Erhebung, Auswertung und Nutzung unternehmensrelevanter Daten. Zudem gilt es, die Expertise der Mitarbeiter zum Umgang mit Daten zu schaffen beziehungsweise zu erweitern. Eine Mischung aus langfristiger Strategie und schnellen Etappenimplementierungen ist dabei in der Regel der beste Weg, um den digitalen/KI-Anschluss nicht zu verpassen.

Darüber hinaus spricht noch ein weiterer Punkt für eine stärkere Nutzung von KI im Maschinenbau: Das Auseinanderdriften von langsam drehender Hardware und schnell drehender Software könnte eingedämmt werden. Es sei nur an das Automobil erinnert, das eine Produktionszeit von etwa sieben Jahren vor sich hat – und das inzwischen auch nach dem Verkauf neue Funktionen im Software-Bereich „Over the Air“ erhält. Beispiele hierfür sind neue Funktionen für Komfort- und Entertainment, von der Sitzverstellung bis zur Klimatisierung. Solche Möglichkeiten gibt es zuhauf im Manufacturing-Umfeld, denn fertigende Industrieprozesse laufen in der Regel eben langsamer ab als ihre Software-Pendants. Aus diesem Grund driften die Innovationszyklen zwischen Hard- und Software bisher noch eher auseinander. Die Cloud bietet eine probate Lösungsoption für eine wünschenswerte Harmonisierung. Ein passendes Kommunikationsmanagement kann sie mit intelligenten Maschinen integrieren, ebenso mit den Datenströmen selbst. Hier sowie beim besonders spannenden Aspekt der Maschinen-Sicherheit (im Sinne des Schutzes vor Angreifern, nochmal Stichwort „Over the Air“) gibt es eine schier unermesslich große Bandbreite von KI-Szenarien.

Herausforderung: das eigene beste Szenario erkennen

Das bis hierhin Gesagte verdeutlicht das Dilemma: Die Möglichkeiten, die sich mit KI ergeben, wachsen jeden Tag. Wir befinden uns in einer Zeit des exponentiellen Wachstums. Das ist an sich nicht neu, schon in der Vergangenheit gab es das. Neu ist, dass sich die Änderungen schon innerhalb einer Dekade auswirken, im Vergleich zu früheren Zyklen also wie in einem Zeitraffer. Wir alle sehen das also jeden Tag. Ein Patentrezept, um den richtigen Start zu finden, gibt es nicht. Denn die Bandbreite reicht nun einmal von der Datenverwertung über automatisiertes Arbeiten bis hin zu intelligenten Diensten und Produkten. Allein deswegen ist der Beginn so wichtig, denn die Umsetzung der besten Lösung kann gar nicht gelingen – bis diese fertig ist, gibt es wieder zu viele neue Optionen. Insofern ist Künstliche Intelligenz vor allem eins: ein Weckruf. Denn alte Denkmuster helfen nicht mehr, in der neuen Geschäftswelt neue Erfolgsmodelle zu finden und umzusetzen. Erst zwei Prozent der Befragten der Studie haben diesen Weckruf bereits gehört. aru

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