Uni Saarland Anlauf,

Lässt sich von Hitze, Störwerten und Störgasen nicht beeindrucken: Ein neu entwickelter Keramiksensor in Kombination mit einem fourierbasierten Impedanzspektrometer ermittelt den exakten Feuchtegehalt in Ofen-
oder Trocknerluft. Projektleiter Tilman Sauerwald (l.) und Forscher Henrik Lensch (r.) aus dem Team von Professor Andreas Schütze von der Universität des Saarlandes stellten ihre Gemeinschaftsentwicklung mit Partnerunternehmen auf der Hannover Messe vor. (Bild: Oliver Dietze)

Für die Hersteller von Sensorik und Messtechnik geht es kontinuierlich aufwärts. Davon ist Dr. Thomas Simmons überzeugt. Das liegt für den Geschäftsführer des AMA Verband für Sensorik und Messtechnik vor allem am Bedarf, der sich durch Digitalisierung, künstliche Intelligenz und das Internet of Things (IoT) zunehmend ergibt. Sie alle brauchen Daten als Basis und diese werden von Sensorik und Messtechnik erfasst und ausgewertet.

„In den intelligenten Sensoren, den Smart Sensors, erkennen wir den Trend vom Sensor hin zum Sensorsystem, um die zunehmende Komplexität zu beherrschen“, erklärt Simmons. In Summe führten diese Technologietrends „nochmals zu einem deutlichen Wachstumsschub“. Trotz zuletzt getrübter Stimmung im produzierenden Gewerbe verzeichneten die AMA-Mitglieder 2018 ein Umsatzwachstum von zehn Prozent. Im laufenden Jahr sollen es immer noch ordentliche fünf Prozent sein.

„In den intelligenten Sensoren, den Smart Sensors, erkennen wir den Trend vom Sensor hin zum Sensorsystem, um die zunehmende Komplexität zu beherrschen“, erklärt Simmons. In Summe führten diese Technologietrends „nochmals zu einem deutlichen Wachstumsschub“. Trotz zuletzt getrübter Stimmung im produzierenden Gewerbe verzeichneten die AMA-Mitglieder 2018 ein Umsatzwachstum von zehn Prozent. Im laufenden Jahr sollen es immer noch ordentliche fünf Prozent sein.

Oliver Marks,
(Bild: Turck)

„Daten sind das Lebenselixier von Industrie 4.0, und diese Daten werden im Wesentlichen von Sensoren geliefert.“

Oliver Marks, Geschäftsbereichsleiter Automatisierungsprodukte bei Turck

Dazu trugen sowohl Inland als auch Ausland bei. Die Exportquote stieg um insgesamt vier Prozentpunkte auf 55 Prozent, vor allem Dank des Exports ins außereuropäische Ausland. Interessant: Trotz Brexit-Befürchtungen eines guten Viertels sehen knapp 70 Prozent der AMA-Mitglieder diesem eher gelassen entgegen.

Etwa 180 Spezialisten für Prüf-, Längenmess- und Wägetechnik scharen sich im VDMA-Fachverband Mess- und Prüftechnik. Von dort gibt es zwar noch keine vollständigen Zahlen für 2018, aber die industrielle Längenmesstechnik und die Prüftechnik konnten in der ersten Jahreshälfte 2018 gegenüber 2017 ebenfalls zulegen. Und das nach einem Spitzenjahr für beide Teilbranchen mit Produktionswerten von 3,4 bzw. 2,4 Mrd. Euro. Lediglich die Wägetechniker mussten Federn lassen. Ihre Produktion fiel im Vergleich der ersten drei Quartale 2018 zu 2017 um mehr als zwölf Prozent. Für das Gesamtjahr 2018 rechnen sie vorläufig mit einem Produktionswert von 1,1 Mrd. Euro.

Sensorik-Branche im Aufbruch

„Erhebliche Wachstumspotenziale sind offensichtlich“, freut sich Dr. Christian Ripperda, Vizepräsident und Leiter Technologie von Isra Vision, einem Hersteller von industrieller Bildverarbeitung und Machine Vision. Der Markt der industriellen Bildverarbeitung, der aktuell etwa 7,5 Mrd. Euro beträgt, wachse ständig. Und das, obwohl laut Ripperda das IIoT im Markt noch gar nicht richtig angekommen sei. Einen geradezu „sprunghaften“ Anstieg der industriellen Bildverarbeitung im Bereich Integrated Assembly verzeichnet auch Andrzej Grzesiak, Leiter Metrology Systems, Zeiss Industrial Quality Solutions.

Kunststoffsensorik -
Die Zukunft der Kunststoffsensorik: Bei der Digitalen Freiform Multisensorik (DFM) nimmt ein Modulbaukasten die Sensorik für verschiedene Messgrößen wie Temperatur, Feuchtigkeit, Druck oder Kraft in einem Kunststoffgehäuse auf. Mittels Energie-Harvesting versorgen sich die Module selbst mit Energie, die Sensorsignale werden drahtlos durch eine Bluetooth-Schnittstelle übertragen. (Bild: Jumo)

Im Wesentlichen sieht das Benedikt Rauscher vom Automatisierungsspezialisten Pepperl+Fuchs genauso. Er ist Leiter für IoT/I4.0-Projekte und meint, trotz Brexit und Protektionismus sei „momentan eher eine Beflügelung durch das Erschließen neuer Anwendungsgebiete durch das IIoT festzustellen“. Auch Sensorhersteller Sick verzeichnet seit Jahren eine steigende Nachfrage für Sensorik: „Ein wichtiger Treiber dieser Bewegung ist die Entwicklung hin zu Industrie 4.0; Sensoren sind dabei die wesentlichen Instrumente zur Datengenerierung und machen das Internet der Dinge überhaupt erst möglich“, stellt Christoph Müller, Senior Vice President bei Sensorhersteller Sick fest. Die Sensorik gar als „Lebenselixier von Industrie 4.0“ sieht Oliver Marks, Geschäftsbereichsleiter Automatisierungsprodukte bei Turck. Sie liefere die wesentlichen Daten, wodurch der Bedarf überproportional zum Wachstum der Automatisierungsbranche wachse.

Vom Sensor zum Sensorsystem

Einfachere Vernetzung, Anbindung an übergeordnete Netzwerke und eine Vorverarbeitung von Daten am Sensorsystem kennzeichnen für Professor Jürgen Fleischer, Institutsleiter für Maschinen, Anlagen und Prozessautomatisierung am wbk Institut für Produktionstechnik des Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die aktuelle Sensorentwicklung. „Damit einher geht der Trend weg vom einfachen Sensor, hin zum vernetzten Sensorsystem“ – selbst wenn das nicht ganz billig sei und der Aufwand für Beschaffung und Integration immer größer werde.

Drahtlose Datenkommunikation,
Drahtlose Datenkommunikation von einem Messgerät zu einem PC über das Digimatic-Protokoll: Das U-Wave-System von Mitutoyo verbessert die Effizienz der Messung, indem die langen und umständlichen Datenkabel entfallen. (Bild: Mitutoyo)

 

„Hybride Systeme, um mehr Aufgaben mit fertigungstauglichen Konfigurationen abzudecken, sind zunehmend gefordert“, stellt auch Stefan Staab, zuständig für das Business Development beim Maschinenbauer und Präzisionsmesszentren-Hersteller Klingelnberg, fest: „Berechnung und Signalverarbeitung finden schon in der Sensorik statt, dies komprimiert das Datenvolumen für die notwendigen Datentransfers.“ Oft sei die Datenübertragung der „Bottleneck“ in den Hardware-Schnittstellen. Bei der Interpretation der Resultate und in der Prozessoptimierung könnten zukünftig auch Methoden der künstlichen Intelligenz helfen. „Es werden schnellstens Informationen an die entscheidenden Stellen respektive zur Quittierung/Information transferiert oder durch logische Verknüpfungen selbst geregelt und gesteuert.“

Ein konkretes Beispiel für eine Vorverarbeitung beschreibt Christian Schmidt, Entwicklungsleiter bei Ahlborn Mess- und Regelungstechnik. „Die gesamte Signalverarbeitung wie Digitalisierung, Berechnung, Messwertkompensation oder Korrektur erfolgt bei unserem Almemo-Stecker bereits im Messfühler. Die dahinter geschalteten Messgeräte/Datenlogger dienen dann unter anderem als dezentrale Messwerterfassungsgeräte mit Datenspeicher, als lokale Anzeigegeräte und Schnittstelle in die Cloud.“

„Die Daten müssen sicher, schnell und idealerweise vorgefiltert, beispielsweise nach Zuständigkeit, und an die richtigen Adresspunkte geliefert werden“, sagt Frank Schulz, Produktmanager Handmessmittel und Datenübertragungssysteme beim Messmittelhersteller Mitutoyo Deutschland. Und das werde immer häufiger drahtlos geschehen. Stichwort 5G: Manche Unternehmen erwögen sogar den Erwerb einer Frequenz, um unabhängig von Netzanbietern agieren zu können. „Mit einer eigenen 5G-Infrastruktur könnten diese zum Beispiel vernetzte Produktionsabläufe und einen höheren Automatisierungsgrad schaffen.“ Die Messtechnik lassen sich komplett digital in den Prozess einbinden, „die Ergebnisse könnten Produktionsplanung, -effizienz, -methode und -ausführung der Automatisierung deutlich verbessern“.

Closed-Loop-Konzept,
Für Kegelräder bereits etabliert, für Stirnräder jetzt auch verfügbar: Das Closed-Loop-Konzept von Klingelnberg führt die Bearbeitungsmaschinen mit der Messmaschine zusammen. (Bild: Klingelnberg)

 

Das erfordere jedoch sehr robuste Funkverbindungen, wie Dr. Ulrich Kienitz, Geschäftsführer von Optris, einem Hersteller berührungsloser Temperaturmesssysteme, zu bedenken gibt: „Funkverbindungen zu Sensoren sind im Automationseinsatz aufgrund ihrer Störanfälligkeit, insbesondere in Nähe starker elektrischer Aktoren, eher selten aufzufinden.“ Noch verlasse sich deshalb die Industrie-Sensorik überwiegend auf traditionelle Schnittstellen wie Ethernet bzw. PoE-Verbindungen und Bus-Systeme wie Modbus, Profibus und Profi-Cat. Ein weiterer Aspekt: „Durch die Einbindung von Sensoren in IT-Systeme müssen sie bidirektionale Kommunikationsfähigkeiten mitbringen und weltweit eindeutig identifizierbar sein“, meint Benedikt Rauscher von Pepperl+Fuchs.

Sensorik: Näher an der Linie messen

Sensorlösungen für Industrie-4.0,
Sensorlösungen für Industrie-4.0-Anwendungen nutzen bereits künstliche Intelligenz: Signale komplexer Multi-Sensor-Systemen lassen sich damit auch auswerten, wenn keine klaren Regeln formuliert werden können. (Bild: Pepperl+Fuchs)

Wo wird in Zukunft eigentlich gemessen? Weiter im klimatisierten Messraum oder zwischen Spänen und Kühlschmiermitteln? Für Professor Heiko Wenzel-Schinzer, Geschäftsführer der Wenzel Group dominiert das Thema Inline-Messen: „Es muss deutlich schneller und näher an der Linie und weniger im Messraum gemessen werden.“ Da ist er ganz auf einer Linie mit Zeiss-Mann Andrzej Grzesiak, der bestätigt: „In der produzierenden Industrie werden immer mehr Qualitätsdaten in oder an der Linie erfasst.“ Der zukunftsweisende Messraum werde kein isoliertes System mehr sein. Eine neue Herausforderung seien die Hairpints von Elektromotoren für die E-Mobilität: bei Ihnen müsse nicht nur die Geometrie, sondern auch die Dicke der Isolierung sowie die Qualität der Montage inline erfasst werden.

Sensoren müssen nicht nur mit rauen Umgebungen zurechtkommen, sondern Oliver Marks von Turck zufolge auch deutlich vielseitiger werden: „Der Trend geht klar zu Multisensoren, die mehrere Messgrößen auf einmal aufnehmen, zum Beispiel zusätzlich Condition-Monitoring-Informationen wie Temperatur, Vibrationen, Feuchtigkeit oder ähnliches aufnehmen.“

Dotscan,
Eignet sich besonders zur Erfassung von Freiformflächen und darüber hinaus auch für kleinste Strukturen: der Dotscan von Zeiss mit chromatischen Weißlichtsensoren. (Bild: Zeiss)

In der Messtechnik werden immer mehr optische Sensoren eingesetzt. Professor Wenzel-Schinzer: „Sie erlauben in kurzer Zeit die Aufnahme unendlich vieler Punkte. Die Auswertung der Punktewolken erfolgt dann immer häufiger über einen intelligenten Algorithmus, statt mit einem selbst erstellten Messprogramm.“

Darüber hinaus müssten sie Christian Schmidt von Ahlborn zufolge auch noch „autark, intelligent, miniaturisiert und mit geringem Energieverbrauch für lange Batterielaufzeiten seien“, um ein Langzeit-Monitoring zu ermöglichen. Fazit: Die Herausforderungen für die Hersteller werden eher mehr als weniger, aber es lohnt sich auch wirtschaftlich. wk

"Smarte Sensorsysteme"...Interview mit Dr. Thomas Simmons, AMA Verband

Dr. Thomas Simmons,
Dr. Thomas Simmons, Geschäftsführer des AMA Verband für Sensorik und Messtechnik. (Bild: AMA/Eva Oertwig)

Der AMA Verband für Sensorik und Messtechnik mit Sitz in Berlin wurde 1981 als „Arbeitsgemeinschaft Messwertaufnehmer“ (daher AMA) gegründet. Heute repräsentiert er rund 460 Mitgliedsunternehmen und Institute, die sich mit Sensoren und Messtechnik für physikalische, chemische, klimatische oder sonstige Messgrößen beschäftigen. ke NEXT sprach mit AMA-Geschäftsführer Dr. Thomas Simmons.

Herr Dr. Simmons, welche Themen treiben die Mitglieder Ihres Verbandes derzeit am meisten um?

Natürlich das IoT und die Digitalisierung: Schätzungen zufolge werden bereit im nächsten Jahr 20 Milliarden Geräte miteinander kommunizieren. Dadurch werden Unmengen an Daten entstehen, die dank selbstlernender Algorithmen in sogenannte Smart Data umgeformt werden. Damit ermitteln sie relevante Informationen, beispielsweise zu Energieverbrauch, Anlageentscheidungen und zur Erkennung von Hackerangriffen oder zur Steuerung industrieller Prozesse. Daher gehen wir davon aus, dass unsere Branche durch das IoT nochmals einen deutlichen Wachstumsschub erhalten wird.

Wo liegen die Vorteile und woraus ergibt sich wirtschaftlicher Gewinn?

Gefragt ist die intelligente Verknüpfung von verschiedenen Sensordaten mit anderen Informationen, beispielsweise die Lokalisierung durch GPS oder WLAN oder modellbasiertes Wissen über den Prozess. Damit können Sensoren mittels intelligenter Algorithmen schon im Feld entscheiden, welche Ereignisse sie melden und an welche Stelle gemeldet wird.

Die Sensorik speist die Messtechnik mit Daten. Ist es nicht sinnvoller, wenn Sensoren gleich Informationen liefern?

Wir beobachten in den letzten Jahren einen deutlichen Wandel in der Sensorik und Messtechnik. Zunehmend spielen smarte Sensorsysteme, die neben der eigentlichen Messgrößenerfassung auch die Signalaufbereitung, die Signalverarbeitung und die Kommunikationsfunktionen in einem Gehäuse vereinigen, eine immer wichtigere Rolle. Eine der zukünftigen Herausforderungen ist natürlich die Dateninterpretation. Um eine Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation oder ganze Sensornetzwerke für sogenannte Smart Cities stabil zu betreiben, benötigen wir in Deutschland belastbare Hochgeschwindigkeitsnetze.

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Weiter steil bergauf gehen die Umsatzerwartungen des AMA Verband für Sensorik und Messtechnik für das laufende Jahr. (Bild: AMA)

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