Die Roboter James (links) und Maid beim kollaborativen Rastern einer Glasfaserplatte.

Die Roboter James (links) und Maid beim kollaborativen Rastern einer Glasfaserplatte. (Bild: Max Kovalenko / Universität Stuttgart)

Schäden, wie sie etwa durch Vogelschlag an einer Flugzeugtragfläche entstehen, sind mit den herkömmlichen Methoden der zerstörungsfreien Prüfung oft nur schwer zu erkennen. Zwei neue, autonom und synchron arbeitende Forschungsroboter am Institut für Kunststofftechnik (IKT) der Universität Stuttgart sollen die Prüftechnik für Hochleistungsmaterialien wie etwa Faserverbundwerkstoff automatisieren und optimieren.

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Mit leisem Surren hebt James seinen Roboterarm und greift sich einen Werkzeugkopf. Damit bewegt er sich frei durch den Raum und platziert das Tool vor einer Glasfaserplatte, in der eine kleine Macke zu erkennen ist. Mit der gleichen Bewegung setzt sich Sekunden später am anderen Raumende sein Gegenstück Maid in Bewegung und bringt ein entsprechendes Tool auf der anderen Seite der Platte in Position, direkt gegenüber von James.

Gemeinsam rastern die beiden Roboter die Platte nun mit Luftultraschall Punkt für Punkt nach Strukturanomalien ab und tatsächlich: Minuten später erscheint auf dem Bildschirm nebenan blau auf türkis ein Fleck, der das wahre Ausmaß des Schadens erkennen lässt. Und der ist weitaus größer und geht viel tiefer in die Struktur der Platte, als man von außen hätte vermuten können.

Ann-Christin Rusko (l.) und Timo Reindl vom IKT bei der Besprechung der Messergebnisse. Auf dem rechten Bildschirm ist die Schädigung der Struktur als blauer Fleck gut zu erkennen. Der linke Bildschirm zeigt die Steuersoftware.
Ann-Christin Rusko (l.) und Timo Reindl vom IKT bei der Besprechung der Messergebnisse. Auf dem rechten Bildschirm ist die Schädigung der Struktur als blauer Fleck gut zu erkennen. Der linke Bildschirm zeigt die Steuersoftware. (Bild: Max Kovalenko)

James (Joined Automatic Material Evaluation System) und Maid (Mobile Automatic Inspection Device) gehören zu einer flexiblen Dualroboteranlage, die im Rahmen einer Großgeräteförderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft am IKT unter der Leitung von Prof. Marc Kreutzbruck errichtet wurde. Projektkoordinator Timo Reindl erklärt: „Bisher müssen bei der zerstörungsfreien Prüfung mit Ultraschall speziell ausgebildete Mitarbeitende das Prüfteil von Hand abscannen.“ Die Bauteile werden jedoch immer größer und die Formen komplexer. Die händische Prüfung wird dadurch schnell sehr aufwändig und sie ist fehleranfällig.

Dazu kommt die zunehmende Flexibilität in der Produktion, bei der unter Umständen jedes Werkstück individuell ist und in einer Produktionsanlage seinen eigenen Weg geht. „Da muss dann auch die Abschlussprüfung an jedem individuellen Werkstück an jedem Punkt im Raum möglich sein“, ergänzt Yannick Bernhardt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IKT.

Vier Tonnen schweben auf Luftkissen

Yannick Bernhardt (links) und Timo Reindl justieren die Glasfaserplatte für die Messung.
Yannick Bernhardt (links) und Timo Reindl justieren die Glasfaserplatte für die Messung. (Bild: Max Kovalenko)

James und Maid – jeder Roboter bringt etwa vier Tonnen auf die Waage – lassen sich daher auf Luftkissen frei im Raum bewegen. Wo genau sich die beiden gerade befinden, verrät ein Lasertrackingsystem. James sendet die Prüfsignale, Maid, der dafür mit hochsensibler Messtechnik ausgestattet ist, empfängt sie und wertet sie aus.

Die Prüfung umfasst drei Ebenen: So kann die Robotikplattform Fehler lokalisieren und deren Größe und Struktur bestimmen, aber auch Materialien charakterisieren und die Zuverlässigkeit einer Prüfaussage einordnen. Somit helfen die Roboter bei der Entscheidung, ob ein Bauteil betriebstauglich ist sowie bei der Vorhersage der Lebensdauer.

Derzeit macht die Anlage Versuche mit der innovativen Luftultraschallprüfung. Diese findet in der Industrie bisher noch wenig Verwendung, hat aber großes Potenzial, da bei diesem Verfahren kein Koppelmittel erforderlich ist, welches in die komplexen Sandwichteile hineinlaufen könnte.

„Weitere Prüfmethoden wie die Phased-Array Ultraschallprüfung, aktive Thermographie, Wirbelstromprüfung, optische Shearografie wie auch Radar und Terahertzverfahren Vibrationsanalysen sollen im Laufe der Zeit folgen“, sagt der Leiter der Abteilung Produktentwicklung am IKT, Tobias Schaible.

Nach Training finden Roboter ihre Bahn selbst

Vor allem aber sind James und Maid lernfähig. Künftig sollen sie ihre Roboterbahn selbst finden und die zerstörungsfreie Bauteilprüfung vollautomatisiert durchführen. Hierfür können die Roboter manuell eingelernt werden oder das „teaching“ erfolgt vollautomatisch, indem die Bahnplanung aus CAD-Daten am Computer erstellt wird. „Unser Ziel ist ein intelligentes Robotersystem“, erklären die Wissenschaftler.

Hierbei erfassen die Roboter die Bauteilgeometrie mithilfe von optischen Scannern selbst, erstellen vollautomatisch ein Scanmuster und wählen das passende Werkzeug. Solche intelligenten Systeme erlauben nicht nur die automatisierte zerstörungsfreie Prüfung von Bauteilen, sondern liefert auch wertvolle Erkenntnisse für die kontinuierliche Optimierung des Prüfprozesses selbst.

Bleibt noch die Frage, wie James und Maid zu ihren Namen gekommen sind. "Zwei typische Butlernamen“, erklärt Projektkoordinator Timo Reindl lachend. Denn eine große Arbeitserleichterung sollen die beiden tatsächlich sein.

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