Bei Mitsubishi Electric nennt sich das Smart-Industry-Konzept „e-F@ctory“, und es ist im Grunde keine Antwort auf Industrie 4.0, sondern eine Art Vorläufer. Schließlich hat der japanische Automatisierungsspezialist das Konzept bereits 2003 ins Leben gerufen und mit der e-Factory Alliance eine Plattform geschaffen, die auch für andere Hersteller offen ist. Allerdings wurde das Konzept erst 2014 weltweit expandiert. Da wiederum war die im April 2013 gegründete deutsche Industrie-4.0-Plattform bereits auf der Überholspur und auch in Amerika formierte sich das Industrial Internet Consortium, um sich im März 2014 zu konstituieren. Das globale Rennen um die Deutungshoheit in der digitalen Fabrik der Zukunft hat also begonnen. Und während der Konkurrenzkampf zwischen Europa und den USA einige mediale Beachtung erfährt, entwickelte sich die nächste industrielle Revolution in Japan bislang mit weniger marketingtechnischem Säbelrasseln.
Dem entsprechend ist es vielen, die sich mit der Zukunft der industriellen Produktion beschäftigen klar, dass Deutschlands Industrie-4.0-Konzept eher maschinenbaulich-technische Züge trägt, während das amerikanische Industrial-Internet-of-Things (IIoT) deutlich softwarelastiger daherkommt. Und während es im deutschen Ansatz eher darum geht, über Normierung und gemeinsame Standards die Basis für skalierbare Weiterentwicklungen zu legen, arbeitet die amerikanische Initiative vorwiegend projektbezogen. Doch wo bewegt sich der japanische Ansatz?

Der Blick auf das soziale Umfeld und das doppelte Internet of Things

Hier lohnt sich ein Blick auf die Aktivitäten von Mitsubishi Electric, jenem Konzern, der in Asien bezüglich seiner Marktstellung die Rolle einnimmt, die in Europa einem Siemens und in den USA wohl Rockwell zukommt. Basis für deren Konzepte ist der eingangs genannte e-Factory-Ansatz, den man am ehesten als Smart-Manufacturing-Plattform bezeichnen kann. Über entsprechende Komponenten soll – mit CC-Link oder CC-Link IE vernetzt – eine durchgängige Architektur von der Feldebene über HMI, Scada bis hin in die MES-Ebene aufgebaut werden.
So weit ist das nicht ungewöhnlich. Das bieten die meisten andern „Smart-Xxx“-Konzepte auch. Interessant wird es, wenn man sieht, wie die Japaner das soziale Umfeld sowie zu erwartende soziale und technische Veränderungen in ihr Modell mit einbeziehen. Um einen Blick in die Zukunft zu werfen reicht es laut Kaoru Kawata, Chefentwickler bei Mitsubishi Electric im japanischen Nagoya, nicht aus, einfach Entwicklungen von heute in die Zukunft zu extrapolieren. Zusätzlich müsste auf Basis sozialer und globaler technologischer Entwicklungen eine noch fernere Zukunft antizipiert werden, von der aus rückwärts betrachtet werden müsse, welche Systeme nötig sind, um diese Zukunft zu ermöglichen. Vereinfacht: Welche Technologie brauchen wir in fünf Jahren, damit sich die Welt dorthin entwickeln kann, wo wir sie in zehn Jahren erwarten?
Da ist es nur logisch, dass in der japanischen Industrie-Philosophie das IoT gleich zwei Bedeutungen erlangt: Einmal das „Intranet of Things“, die Vernetzung innerhalb der Werkhalle, die vornehmlich die Effizienz der Produktion steigern soll, zum Anderen das „Internet of Things“, die Vernetzung der Fabrik mit dem Rest der Welt, der Gesellschaft und der Wirtschaft. Hier schlagen neue Geschäftsmodelle ebenso auf wie jene disruptiven Entwicklungen, die ganze Industrien verschwinden lassen, egal wie hoch optimiert deren interne Prozesse sind.
Ein Teil dieser Erkenntnis ist wohl, dass man in einer globalisierten Welt alleine nicht weit kommt: Die von Mitsubishi Electric geprägte CC-Link Partner Association (CLPA) und die Siemens-lastige Profinet International (PI) haben auf der vergangenen SPS-Messe in Nürnberg ihre Kooperation bekannt gegeben. Erstes Ergebnis ist ein White Paper über die transparente Netzwerkinfrastruktur zwischen CC-Link IE und Profinet. Die Zukunft kann kommen.

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Exkurs: Die industriellen Zukunfts-Initiativen weltweit

Derzeit gibt es weltweit Initiativen und Plattformen, die die Zukunft der industriellen Fertigung in einer globalisierten Welt sicherstellen sollen. Auf Basis des EU-Innovationsprogramms Horizon 2020 wurde nicht nur die deutsche Industrie 4.0 initiiert, sondern auch das britische Catapult Programme und Industrie du Futur in Frankreich. In den USA folgte auf die Smart Manufacturing Leadership Coalition (SMLC) mittlerweile das Industrial Internet Consortium. Auch innerhalb der etwas weiter gefassten Programme Made in China 2015 sowie Make in India finden sich Unterpunkte, in denen es um die smarte Entwicklung moderner Fabriken geht. In Japan wiederum gibt es von offizieller Seite die Industrial Value Chain Initiative als Antwort auf Industrie 4.0 sowie e-Factory als Mitsubishi-internes Entwicklungskonzept, das als e-Factory Alliance nun weltweit ausgerollt wurde. Darüber hinaus forciert Japan mit der Robot Revolution Initiative ganz besonders die Robotik.


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