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Prof-Dr-Ing-Werner Bick ROI - (Bild: ROI Management Consulting)

Vier Fragen an Professor Werner Bick

Welche Chancen sehen Sie im automobilen Leichtbau für 3D-Druck?

Der große Vorteil von 3D-Druck liegt vorrangig in der gestalterischen Freiheit des Konstrukteurs und der Kombination aus komplexem Design und niedrigem Gewicht. Allerdings wird der Einsatzbereich aufgrund der aktuell verfügbaren und rentablen Geräte auf maximale Bauteilgrößen von etwa 500x500x500 mm begrenzt, wobei mittlerweile auch schon Anlagen mit noch größeren Arbeitsbereichen angeboten werden. Zusätzlich begrenzt die vergleichsweise hohe Fertigungszeit – bei großen und sehr komplexen Bauteilen können es im Extremfall schon einmal 48 Stunden pro Stück sein – den Einsatz auf niedrige Stückzahlen. Bei Massenherstellern können das Fahrzeugbaureihen mit einer Take Rate von weniger als einem Prozent sein wie etwa die M-Reihe bei BMW. Luxusmarken wie Ferrari oder Lamborghini hingegen könnten das Verfahren sogar für einzelne Teile über alle Fahrzeuge hinweg einsetzen.

Welche Bauteile eignen sich Ihrer Meinung nach für diese additive Fertigung?

Neben dem Prototypenbau sind am ehesten Bauteile in Kleinserien-Mengen geeignet, durch deren gewichtsoptimierte Gestaltung die ungefederten Massen am Fahrzeug reduziert werden können, wie zum Beispiel Achsaufhängungen. Aber auch Motorlager und Verbindungsstücke im Chassis können durchaus geeignet sein. Ebenso eignet sich der 3D-Druck zur Herstellung selten benötigter Ersatzteile, aber auch für den Formen- und Werkzeugbau. Die Größe solcher 3D-Druckbauteile liegt bei maximalen Kantenlängen von circa 500 mm und wird durch das Preis-Leistungsverhältnis der heute verfügbaren Drucker begrenzt. Die Hersteller solcher Geräte sehen die Weiterentwicklung als einen evolutionären Prozess bei dem in nächster Zeit keine disruptiven Technologiesprünge erwartet werden.

Welche Materialarten bieten sich vorzugsweise für den 3D-Druck an?

Wurde früher standardmäßig auf Kunststoffe wie Polyamid gesetzt, so können heute die unterschiedlichsten Materialien wie Magnesium, Titan, Stahl, Karbon oder auch Legierungen zum Einsatz kommen. Im Flugzeugbau wird zum Teil eine Nickel-Legierung für extrem wärmefeste Triebwerksteile verwendet, die bei der Brennkammer-Reparatur zum Einsatz kommen und die Effizienz der Turbine steigern

Welche Anwendungsbeispiele haben sich bereits bewährt und wie weit ist die Industrie bei diesem Thema?

Viele Branchen fangen erst an, sich mit dem Thema 3D-Druck auseinanderzusetzen, obwohl es streng genommen kein komplett neues Verfahren ist, sondern eher eine Fortsetzung von Stereo-Lithografie oder Laser-Sintern. Am weitesten fortgeschritten sind zwei Branchen. Erstens der Flugzeugbau, da hier signifikante Gewichtseinsparungen erzielt werden können. Für den Airbus A320 wurde eine Triebwerksabdeckung mit einem um 65 Prozent leichteren Gewicht hergestellt. Zweitens die Medizintechnik, die bei vielen Produkten wie Hüft- und Kniegelenken oder Zahnersatz einen sehr hohen Individualisierungsgrad hat. Interessanterweise hat auch die Life-Style-Branche das Thema entdeckt, da dem Wunsch des Kunden nach Unterstreichung der Persönlichkeit mit individuellen Schmuckkreationen nachgekommen werden kann.

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