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(Bild: irina - Fotolia)

Platzt die Chinablase? Diese Frage wird seit Jahren regelmäßig diskutiert. Doch selbst in den Jahren der weltweiten Wirtschaftskrise setzte sich der Aufstieg der chinesischen Wirtschaft kontinuierlich fort. China hat gegenüber den etablierten Wirtschaftsnationen gewaltig aufgeholt, seine Steigerungsraten – selbst bei einem Rückgang der Wachstumsraten auf sieben Prozent – nähern sich denen der entwickelten Länder. Auch wenn das Wachstum nur noch ein Viertel der Prozente von 2004 betragen würde, wäre dies in der Summe 2014 immer noch mehr als vor zehn Jahren, da sich innerhalb von nur zehn Jahren das BIP mehr als verfünffachte.

Ein weiteres zweistelliges Mengenwachstum um jeden Preis wäre nicht nachhaltig, erzeugte unbezahlbare ökologische Folgenkosten. Daher setzt China jetzt auf qualitatives Wachstum, auf Forschung und Entwicklung. Dank diesem neuen Wachstumskonzept bestehen – insbesondere für deutsche Technologieführer – neue, lukrative Geschäftschancen. Chinas Wirtschaft geht also nicht die Puste aus, sondern das Land schaffte den Sprung vom Entwicklungsland zu einer zunehmend modernen Volkswirtschaft. Es leidet weniger unter Exportschwäche, sondern setzt zunehmend auf den Binnenmarkt.

Wachsende Umweltauflagen

EntwicklungChina hat die Umweltgesetzgebung laufend verstärkt und die Überwachung der Umweltregeln ausgebaut. Tausende Fabriken wurden wegen Umweltbelastung bereits geschlossen. Millionen Bürger treten als Kontrolleure auf und überwachen beispielsweise mit Smartphone-Apps Verschmutzungswerte. Sechs chinesische Unternehmen müssen Rekordstrafen von umgerechnet etwa 21,4 Millionen Euro zahlen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua Anfang 2015. Dies ist die höchste jemals in China verhängte Strafzahlung wegen Umweltvergehen.

In die Debatte zur Vorbereitung der Vorgaben für den 13. Fünfjahresplan (2016–2020) schaltete sich auch der Wirtschaftsreformer Li Yining ein, einst Doktorvater von Premier Li an der Universität Peking. Im Gegensatz zu starren, im Voraus festgelgten Zuwachsraten müsse sich China an „weiche Kennziffern“ gewöhnen und neue Prioritäten wie Beschäftigung oder Umweltstandards setzen, an denen es den Erfolg seiner Wirtschaftspolitik misst. Dieser Umbau in Richtung Nachhaltigkeit und Hightech ist für die Weltwirtschaft nur von Nutzen. Zumal das Land mit weit mehr als doppelt so vielen Einwohnern als die EU globale Umweltverantwortung übernehmen muss.

Deutschland als bevorzugter Partner

Deutschland hat für den bevorstehenden ökologischen Umbau Chinas die passende Technologie. Der jährliche Warenaustausch zwischen Deutschland und China hat ein Volumen von etwa 150 Milliarden Euro. Dies ist fast ein Drittel des gesamten Handels der EU mit China. China ist der wichtigste Wirtschaftspartner der Bundesrepublik in Asien und der drittgrößte weltweit. Nach Schätzungen hängen an den Exporten nach China rund eine Million Arbeitsplätze in Deutschland. Und in China gibt es bereits über 4000 Niederlassungen deutscher Unternehmen, über 1000 davon sind Produktionswerke. Umgekehrt beginnen jetzt chinesische Konzerne Niederlassungen in Europa zu gründen.

Die Kooperationen sollen im Rahmen einer strategischen Partnerschaft mit Deutschland besonders im Bereich der Zukunftstechnologien und modernster Industriestrukturen ausgebaut werden, betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel 2014. „Wir wollen vor allen Dingen Bereiche wie Industrie 4.0, Energieversorgung und Forschung weiterentwickeln. 2015 ist das Jahr der Innovationskooperation zwischen Deutschland und China. Von daher haben wir China eingeladen, als Gastland an der CeBIT 2015 teilzunehmen“, unterstrich die Bundeskanzlerin.

Chinesische Unternehmen in Deutschland

China rückt technologisch immer näher an das Niveau der Industrieländer heran. In Folge dessen internationalisieren sich viele chinesische Industrieunternehmen und gründen weltweit Niederlassungen und Produktionswerke. Nach Erhebungen der 2014 in Berlin gegründeten Chinesischen Handelskammer in Deutschland gibt es inzwischen 2500 chinesische Firmen, die in Deutschland eine Firma übernommen haben oder ein Joint Venture betreiben, meist kleine oder mittelständische Unternehmen. Insgesamt sind in den mit chinesischem Kapital ausgestatteten Betrieben in Deutschland bereits 12.000 Menschen beschäftigt.Know-how

Für China ist Deutschland nur ein Land in der EU, ein Teil seiner globalen Investitionsstrategie. „In Westeuropa setzen die Chinesen auf hochwertiges Investment“, sagt Margot Schüller, Asien-Direktorin des Giga Instituts für Asien-Studien. „In den osteuropäischen Ländern stehen oftmals die Fabriken auf der Einkaufsliste, in Südeuropa Infrastruktureinrichtungen.“ Schüller prognostiziert eine weitere Zunahme chinesischer Investitionen in Europa. „Chinesische Investoren bringen Kapital, und wie die Beispiele der Telekommunikationskonzerne Huawei und ZTE zeigen, mittlerweile auch Know-how.“

„Bereits seit fünf, sechs Jahren suchten chinesische Unternehmen nach passenden Sparten, um auf der technologischen Leiter nach oben zu klettern“, so Sun Yi, Partnerin von Ernst & Young. In der Staatsschuldenkrise in Europa hätten die chinesischen Investoren eine Chance gesehen, um günstig bewertete europäische Unternehmen aufzukaufen. Das habe dazu geführt, dass 2013 über 120 europäische Firmen in chinesische Hände übergingen – viermal mehr als noch 2004.

In jüngster Zeit wandelt sich jedoch das Bild der Investitionen aus China: Meist steht nicht mehr der günstige Preis eines Unternehmens im Vordergrund einer Investitionsentscheidung. Wichtiger wird dessen Substanz und längerfristige Entwicklungsfähigkeit. Zudem werden die Investitionen immer weniger staatlich organisiert, also von chinesischen Staatsbetrieben getätigt. Allein 2014 haben Firmen ohne Staatsbeteiligung 188 Übernahmen außerhalb der Volksrepublik eingeleitet und dafür insgesamt 21 Milliarden US-Dollar investiert.

Bild: Alois - Fotolia

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Zahlen, Daten, Fakten

Maschineneinfuhren: 2013 hat China Maschinen im Wert von insgesamt 80,7 Milliarden Euro importiert.

1. Wichtigster Handelspartner mit einem Anteil von 23 Prozent (18,5 Milliarden Euro) war Japan.

2. Dicht auf Japan folgt Deutschland mit einem Anteil von 22,5 Prozent (18,1 Milliarden Euro).

3. Die USA lagen mit einem Handelsanteil von 11,5 Prozent (9,3 Milliarden Euro) auf Platz 3 der größten Lieferländer.

Investitionen in Deutschland

Dieser Wandel macht chinesische Investoren besonders für den deutschen Mittelstand interessant. Bei vielen Mittelständlern sieht Frau Liu Mingming, Asien-Chefin des deutschen Technologiekonzerns Voith, jedoch große Vorbehalte. Das Chinabild in Europa orientiere sich noch an der Mao-Ära. „Das moderne, offene China ist nicht so bekannt. Zudem sind in Deutschland die Geschäftsabläufe sehr formell, in China spielen auch bei Geschäften die persönlichen Beziehungen eine viel größere Rolle. Darauf sollte man sich einstellen“, rät Liu.

Für die Finanzinvestitionen Chinas ist He Linbo zuständig, er verantwortet den europäischen Privat-Equity-Bereich des riesigen chinesischen Staatsfonds China Investment Corporation (CIC), der mehr als 650 Milliarden US-Dollar verwaltet. „Mich interessieren besonders die kleinen und mittelgroßen Unternehmen, der deutsche Mittelstand oder Infrastruktur-Projekte“, so He. Dabei sei die Sichtweise von deutschen Mittelständlern und chinesischen Unternehmen ähnlich.

„Beide haben eine eher langfristig angelegte Strategie und sehen nicht nur auf den kurzfristigen, möglichst hohen Gewinn. Wir haben beispielsweise mit unserem Fonds vor einigen Jahren in ein Hightech-Unternehmen in Deutschland investiert. Auch nach der Übernahme unterstützen wir das Unternehmen mit Kapital und unserem Wissen, um es weiterzuentwickeln. Schließlich suchten wir für das Unternehmen einen passenden Partner in China, an den wir es weiterverkaufen konnten. Bei uns arbeiten viele Experten, welche in den wichtigsten Zielländern unserer Investitionen lange in Führungspositionen arbeiteten, die also beide Seiten kennen“, erzählt He.

Warum die Verständigung mit Chinesen nicht immer ganz einfach ist, sehen Sie hier:

Langfristig angelegte Strategie

Deutschland sei für chinesische Investitionen in Technologiefirmen sehr wichtig, meint He. „Hier gibt es sehr gute Investitionsvorausetzungen, bestens qualifizierte Fachkräfte und eine gute Infrastruktur. Wir investieren dabei vorzugsweise im Technologiesektor, in Unternehmen mit erstklassiger Technologie.“ In Europa hingegen stehen bei den chinesischen Investitionen nicht nur  der Technologieerwerb, sondern verstärkt Marktzugang und Markenkompetenz im Fokus. Auch die Chinesische Handelskammer CHKD stellt fest, dass sich die Struktur chinesischer Investitionen in jüngster Zeit grundlegend änderte.

„Immer mehr Investitionen aus China kommen von Privatunternehmen. In Deutschland ist jedoch kaum bekannt, was diese hier suchen, welche Investitionsstrategie sie hier fahren. Dazu hat die Chinesische Handelskammer eine Studie verfasst, um Missverständnissen vorzubeugen und die Erwartungshaltungen auf eine Ebene zu bekommen. Wichtige Gründe ist die Infrastruktur, die schnelle Erreichbarkeit von China nach Europa und zwischen den verschiedenen europäischen Ländern. Wichtigste Zielbranchen sind der Maschinenbau und die Automobilbranche“, so die CHKD.

Unternehmensgründungen

Während die Übernahmen insbesondere von Traditionsmarken wie Putzmeister hierzulande immer wieder für Schlagzeilen sorgten, verlaufen Direktinvestitionen und eigene Unternehmensgründungen chinesischer Konzerne eher still und unspektakulär. Alleine der chinesische Netzwerkausrüster Huawei beschäftigt an seinen verschiedenen Standorten in Deutschland über 1800 Mitarbeiter, überwiegend gut qualifizierte Techniker. Viele Namen von chinesischen Unternehmensgruppen mit Milliardenumsatz sind in Deutschland jedoch noch kaum bekannt und stoßen mit ihren Investitionsabsichten auf Vorbehalte.

Und doch zeigten Erfahrungsberichte der durch chinesische Investoren übernommenen Unternehmen insgesamt ein deutlich positives Bild, berichten selbst die deutschen Gewerkschaften. Danach setzten die Investoren auf ein langfristiges Engagement, so Wolfgang Müller, Senior Advisor Automotive & International Relations bei der IG Metall Bayern, in der Zeitschrift ChinaContact. Die Unternehmensstrukturen würden kaum geändert, Investitionen flössen auch nach der Übergabe, und Arbeitsplätze würden langfristig gesichert.

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Entgegen ersten Vorbehalten bei den Gewerkschaften setzt sogar Müller darauf, diese Übernahmen aktiv zu gestalten, chinesischen Investoren die Vorzüge des deutschen Systems der Arbeitsbeziehungen zu erklären und auch funktionierende Kommunikationsstrukturen mit dem chinesischen Management zu schaffen.
Die chinesischen Investoren sind für diese Lernprozesse in der Regel sehr offen. In Deutschland herrschen ganz andere Verhältnisse als in China, gelten andere Gesetze, sind die Arbeitsbeziehungen ganz anders als in China geregelt. Die chinesischen Unternehmen, die hier investieren, müssten diese Bedingungen lernen. „Wenn die anderen Geschäftsvoraussetzungen in Deutschland nicht begriffen werden, können auch gut gemeinte Investitionen scheitern“, warnt Song Hailiang von der China Communications Construction Company (CCC). Von daher würden auch die Führungspositionen in Europa vorzugsweise mit lokalen Experten aus den jeweiligen Ländern besetzt.

Dr. Hubert Lienhard, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschuss‘ der Deutschen Wirtschaft und Vorsitzender der Konzerngeschäftsführung bei Voith kann auf über dreißig Jahre Chinaerfahrung zurückblicken. Lienhard sieht insbesondere auch bei der Qualifikation von technischen Fachkräften für die Produktion in China einen großen Nachholbedarf. Dies sei auch gesellschaftlich notwendig, um die Mittelschicht dort zu stärken und zu große Einkommensunterschiede abzubauen. Gegenseitige Investitionen helfen dabei, so Lienhard.

Die Hürden für chinesische Investitionen sollten weiter abgebaut werden. „Deutschland muss für chinesische Investoren eine wirkliche Willkommenskultur schaffen“, fordert Lienhard. Dies gelte auch umgekehrt für deutsche Investitionen in China.
Denn Handel und Investitionen nutzten im Endeffekt beiden Seiten. „Wir werden unsere Probleme nicht lösen, wenn wir weitere Handelsbarrieren errichten. Wir brauchen mehr Handel mit China, nicht weniger,“ mahnt auch der Hamburger Handelskammerpräsident Fritz Horst Melsheimer.

Autor: Dr. Thomas Kiefer, Chinaexperte und freier Autor für die ke NEXT

Interview mit Prof. Michael Abramovici, RUB und Tongji Universität

Prof. Michael Abramovici

Prof. Michael Abramovici

Was sind Ihre Vorlesungsschwerpunkte an der Tongji Universität?
Ich unterrichte Virtuelle Produktentwicklung und Product Lifecycle Management (PLM).

Brauchen die Chinesen unser deutsches Know-how?
China befindet sich nach wie vor in einem dramatischen industriellen Wandlungsprozess. Auf dem Weg zu einer industriellen High-Tech-Nation ist China auf externes Know-how aus allen führenden Industrieländern angewiesen.

Wie ist der Stand der Forschung in China?
Der Stand der Forschung ist bereichsspezifisch und lässt sich nicht so pauschal zusammenfassen. China hat in den letzten zwei Jahrzehnten enorm viel in die Forschung investiert und in fast allen Disziplinen stark aufgeholt. In vielen Gebieten (z. B. Elektromobilität, alternative Energieerzeugung) ist die Forschung global wettbewerbsfähig.

Was tut sich dort in Sachen Industrie 4.0?
Industrie 4.0 steht noch nicht sehr weit oben auf der Agenda chinesischer Unternehmen. Aber immer mehr chinesische Firmen verfolgen die Industrie 4.0-bezogenen Entwicklungen in anderen Industrieländern. Einige Forschungsprogramme zu diesem Thema sind auch in China in Vorbereitung. Die Firmen, die sich mit dem Thema bereits befassen (z.B. Shenyang Machine Tool Group), sehen darin eine riesige Chance für eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Unternehmen.

Könnte uns China bei der Einführung von Industrie 4.0 überholen?
Auch diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, da Industrie 4.0 ein äußerst komplexes Thema mit sehr vielen Facetten und Aspekten ist. Die zunehmende Internet-Fähigkeit von Maschinen und Produkten werden chinesische Firmen schnell nutzen wollen, um etwa in entlegenen Regionen oder Entwicklungsländern Fern-Service- bzw. Fernbetriebs-Leistungen für Maschinen und Anlagen anzubieten. In vielen Nischenbereichen kann uns China mit einem erfolgreichen Vertrieb neuer Industrie 4.0-Services noch überraschen und ganz klar auch überholen.

Die Fragen stellte Ingrid Fackler, Redaktion

Erfahren Sie mehr zu Professor Abramovicis Gedanken zum Thema Industrie 4.0 in einem Rückblick auf den ersten ke-NEXT-Kongress 2014 “Future Machinery”

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