Japanische Flagge

Japans Wirtschaft scheint ihre Vorreiterrolle verloren zu haben. (Bild: Negro Elkha - stock.adobe.com)

Die neue Heilslehre der Industrie heißt Industrie 4.0, wobei Deutschland eine Vorreiter-Rolle einnehmen möchte. Doch auch hier gibt es interessante Entwicklungen in der japanische Industrie, die deutsche Konzerne nutzen können.

Wir bringen unser Kaizen-Prinzip in eine komplexe elektronische Umgebung. In unseren Werken in Japan haben wir diese Vernetzung auch mit den externen Geschäftspartnern bereits weitgehend umgesetzt“, erklärt Hartmut Pütz, Präsident der Factory Automation – European Business Group, Mitsubishi Electric Europe. Kaizen (Kai = Veränderung; Zen = zum Besseren) bezeichnet die japanische Lebens- und Arbeitsphilosophie und ein methodisches Konzept, in dessen Zentrum das Streben nach kontinuierlicher und unendlicher Verbesserung steht.

In Japan ist die Diskussion über Industrie 4.0 voll im Gange. Jetzt geht es dort um die konkrete Umsetzung. Dabei ist nicht die Technologie die eigentliche Herausforderung. Die Schwierigkeit besteht darin, die digitale DNA der Mitarbeiter und die Bereitschaft zu neuen Kooperationsformen und offenen Plattformen zu fördern, erklärte Masahiro Ozaki, Leiter der Initiative Industrie 4.0/Industrial Internet, PwC Japan.

Um unternehmensübergreifende Kooperationen zu schaffen, müssen sich Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette öffnen. Da müssen japanische Konzerne jedoch noch einiges lernen, mahnt Wolfgang Scheremet vom Bundeswirtschaftsministerium, das als „Japan AG“ bezeichnete eher geschlossene japanische Wirtschaftssystem. Die Zusammenarbeit beim Thema Industrie 4.0 soll ausbebaut werden – hier planen Deutschland und Japan einen umfassenden Ausbau der Zusammenarbeit, erklärte auch Japans Botschafter Takeshi Yagi auf dem deutsch-japanischen Wirtschaftsforum der Hannover Messe 2016.

Japan und Deutschland, die als führende Roboter-Länder gelten, wollen unter anderem die Forschungszusammenarbeit in der Robotik weiter vorantreiben. Bundeskanzlerin Merkel will Japans Premierminister Shinzo Abe 2017 zur CeBIT einladen und wünscht sich Japan als Partnerland dieser weltweit größten IT-Messe. Zudem sehen sich beide Länder angesichts der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaft sowie der voranschreitenden Überalterung ihrer Gesellschaften vor gemeinsame Aufgaben gestellt, wie etwa die Notwendigkeit von Strukturreformen.

Stagnation auf hohem Niveau

Japan galt bis Anfang der 90er-Jahre, unterbrochen von der ersten Ölpreiskrise, als Vorbild der industriellen Modernisierung, als Muster für effektive, „schlanke“ Produktion und zeigte kontinuierlich hohe Wachstumsraten. Mit gewaltigen Summen und laufenden Zinssenkungen versuchte der Staat den Abschwung zu verhindern. Dabei unterblieben notwenige Strukturreformen.

Langsam geht es aufwärts. Im 1. Quartal 2016 lag die Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent höher als im Vorquartal. Gegenüber dem Vorjahr lag der Zuwachs bei 1,7 Prozent. Die Arbeitslosigkeit in Japan liegt derzeit bei 3,2 Prozent und somit so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Die Regierung Abe unternimmt seit ihrem Amtsantritt den Versuch, mithilfe von Konjunkturprogrammen, einer enormen Geldschwemme und tiefgreifenden Deregulierungen Japans Wirtschaftskrise zu durchbrechen. Der Plan gilt als hoch gesteckt. Das BIP müsse bis 2020 jährlich um real drei Prozent zulegen. Eine derartige Steigerungsrate gab es zuletzt vor dem Wachstumseinbruch Anfang der 1990er-Jahre. Der zarte Aufschwung gründet sich auf Konsumsteigerungen, da Geld an Wert verliert und Sparen ein Minusgeschäft wird. Als schwach erwiesen sich dagegen die privaten Investitionen von Unternehmen, die um 1,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal schrumpften.

Japanische Spitzenmanager haben eine neue Welle der Globalisierung für Japan gefordert. Die größte Herausforderung liege in der nach innen gewandten Denkweise vieler Unternehmen. Die Wirtschaft müsse sich weiter öffnen, ihre vermeintliche Homogenität zugunsten von mehr Ausländern aufbrechen, stärker mit anderen Kulturen zusammenarbeiten, mehr Frauen beschäftigen und Englisch als Geschäftssprache akzeptieren.

Kaum Investitionen trotz billigem Kapital

Trotz Krediten, die in der Finanzierung kaum etwas kosten, kommt die gewaltige Geldmenge der japanischen Banken kaum als Investition in der Wirtschaft an. Die Kapitalanlagen der Unternehmen erfüllten vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2015 die Erwartungen nicht. Unsicherheiten über den Konjunkturverlauf in der VR China und dadurch auch in den asiatischen Schwellenländern werden hauptsächlich dafür verantwortlich gemacht. Die im Inland getätigten Investitionen bleiben bisweilen deutlich hinter den Prognosen zurück.Vor allem der Sektor elektrische Maschinen, die Halbleiterindustrie, die Kfz-Branche und der Bereich der Datenzentren für Cloud-Anwendungen werden in einer Studie der Bank of Japan als Wachstumsbereiche genannt. Wachstumsimpulse soll die Wirtschaft durch eine lange angekündigte und in Stufen durchgeführte Senkung der Unternehmenssteuer erhalten.

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