"Letztendlich ist es der Anwender, der entscheidet, wie weit das Thema Industrie 4.0 ist", sagt John

"Letztendlich ist es der Anwender, der entscheidet, wie weit das Thema Industrie 4.0 ist", sagt John Herold von Belden.

Wie sieht die industrielle Netzwerk- und Sicherheitstechnologie der Zukunft aus? Und welche Rolle spielt sie für die Industrie 4.0 spielen? Diese Fragen beantworten Wolfgang Schenk, VP Sales and Marketing Industrial Connectivity and Industrial Sales EMEA bei Belden, und John Herold, VP Marketing bei Belden, im Interview mit ke NEXT.

Herr Herold, Netzwerktechnologien für die Industrie sind ein großes Thema für die Industrie 4.0. Vorab die Frage: Wo stehen wir in Sachen Industrie 4.0?

John Herold

“Letztendlich ist es der Anwender, der entscheidet, wie weit das Thema Industrie 4.0 ist”, sagt John Herold von Belden.

Herold: Es kommt sicherlich darauf an, wen Sie fragen. Wenn Sie uns bei Belden fragen, dann sind wir davon überzeugt, dass wir die Netzwerk- und Sicherheitstechnik für Industrie 4.0 bereits heute bereitstellen können. Es gibt jedoch noch einige offene Fragen im Bereich der Standardisierung. So sehen wir noch erheblichen Abstimmungsbedarf bei Schnittstellen, Protokollen und Einzelkomponenten auf verschiedenen Ebenen. Um in diesen Fragen weiterzukommen, sind wir Teil des Konsortiums SmartFactory geworden. Dort haben wir eine herstellerübergreifende Produktionsanlage mit unserer Kommunikationstechnik ausgestattet und gesehen: technisch sind die Möglichkeiten da.

Letztendlich ist es jedoch der Anwender, der entscheidet, wie weit das Thema ist. Daher ist die Frage, die wir uns für Industrie 4.0 stellen: Was ist der Nutzen für den Anwender? Wir sehen hier die qualitative Verbesserung der Produktion. Also mehr Flexibilität durch Industrie 4.0 – vielleicht auch höhere Geschwindigkeiten.
Aber wir sehen noch nicht, wo konkret der finanzielle Mehrwert liegt. Und erst wenn sich der entwickelt – und das wird nicht über Nacht passieren, sondern es werden sich einzelne Insel-Geschäftsmodelle entwickeln – wird das ganze Thema Fahrt aufnehmen. Und unser Thema ist dabei die „Connected Security“.

Was bietet Belden hier an?

Herold: Hirschmann „Connected Security“ bietet eine in sich schlüssige und auf einander abgestimmte Netzwerk- und Sicherheitstechnik. Beim Design der Netzinfrastruktur konzentrieren wir uns von Beginn an auf Erstellung eines sicheren Netzwerks. Dies umfasst insbesondere auch notwendige spätere Anpassungen an neue Anforderungen der Produktion. Der Einbezug des Kunden etwa durch nutzerfreundliche Werkzeuge des Netzwerkdesigns oder Plug-and-play Prinzipien spielt eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus leistet Connected Security nebst der passgenauen Auslegung der Netzwerktechnik die Verwendung von speziell für diesen Zweck entwickelten Steuerleitungen, Steckverbindungen und Überwachungssoftware. Mit unserem Certified Industrial Network Program (CINP) bilden wir sowohl Partner als auch Kunden in der Netzwerktechnik aus und stellen durch fortlaufende Zertifizierung deren neuesten Kenntnisstand der Technik sicher.

Herr Schenk, was sind die allgemeinen Trends, die Sie für industrielle Netzwerktechnologien sehen – auch vor dem Hintergrund einer Industrie 4.0?

Schenk: Wir teilen technologisch in drei Themen ein, die stark auf dem Vormarsch sind. Das ist zum einen das Thema Wireless Kommunikation in den Fabriken und das mit einem Schwerpunkt im Umfeld Konfigurieren und Kommunikation mit der Maschine. Innerhalb der letzten  Jahre, in denen von Industrie 4.0 die Sprache ist, beobachten wir, dass die Maschinen auch verstärkt untereinander Wireless sprechen.

Innerhalb der Maschine selber, glaube ich, dass es immer verdrahtet bleiben wird. Aber die Wireless-Kommunikation zu Sensoren wird extrem zunehmen. Dazu muss die Miniaturisierung noch voranschreiten und der Energieverbrauch der Wireless-Kommunikationsmodule muss gesenkt werden. Entscheidend ist jedoch, dass die Standsicherheit der Wireless-Verbindung gegeben sein muss. Die muss erhöht werden und das ist es, woran wir arbeiten: an einer vermaschten Wireless-Struktur mit Störungsunterdrückung und parallelem, also redundantem Verbindungsaufbau über unterschiedliche Frequenzkanäle.

Sie sehen Wireless als Trend – wie weit sind wir da?

Schenk: Ich sehe, dass Maschinenbaufirmen anfangen – im Zusammenhang mit Industrie 4.0 – Konfiguration, Parametrierung und auch den Download eines neuen Programms Wireless durchzuführen. Da ist es nicht kritisch, wenn eine Verbindung erst beim zweiten Versuch klappt, aber für direkte Steuerungsaufgaben sieht das anders aus. Erste drahtlos angebundene Sensoren werden in Applikationen eingebaut. Wir sind gerade dabei, mit einem großen Kranhersteller einen Schritt vorwärts zu machen, Wireless-Technologie einsetzen zu können.

Aber bereits hier müssen die stabileren Systeme eingesetzt werden, die nicht nur auf einem Kanal senden, sondern auf zweien. Auch hier muss sichergestellt werden, dass auch, wenn das Signal zweimal am Ende ankommt, es nur einmal weitergeführt wird. Es muss aber genauso gut funktionieren, wenn womöglich einer der zwei Kanäle gestört wird. Prozentual wage ich keine Aussage, wie viele Anwendungen schon Wireless laufen. Es gibt reale Anwendungen und es schreitet voran. In einem Zeitrahmen von drei bis fünf Jahren wird da schon sehr viel passieren

Wolfgang Schenk

“Für mich ist es sehr verwunderlich, wie lange es trotz gravierender Zwischenfälle braucht, bis Sicherheitslösungen gekauft werden”, meint Wolfgang Schenk, Belden.

Was sind die weiteren Trends?

Schenk: Das zweite Trendthema ist eigentlich längst etabliert. Es geht um die bereits angesprochene Security. Für mich sehr verwunderlich, wie lange es trotz gravierender Zwischenfälle braucht, bis Lösungen gekauft werden. Ich spreche von der Stuxnet-Geschichte, die mittlerweile schon zwei bis drei Jahre her ist. Richtig erfolgreich ist das Thema Security aber eigentlich nur im Zusammenhang mit dem Thema Remote-Access auf Maschinen oder Anlagen geworden, etwa für die Fernwartung. Das Sichermachen einer Fabrik beziehungsweise einer Produktionsanlage, das hat sich allerdings nur sehr eingeschränkt durchgesetzt. Warum? Weil eine Maschine oder Anlage natürlich – solange sie läuft – nicht angetastet werden soll. Baut man eine Firewall ein, kann es sein, dass die Maschine morgen stillsteht, weil sie etwas entdeckt, was vorher keiner wusste und zunächst auch nicht zur richtigen Attacke geführt hat.

Und dann ist da ein dritter Trend – technologisch auch in diesem Segment. Wir sprechen schon vom Internet der Dinge, wir sprechen schon davon, dass jedes Element eine IP-Adresse haben wird, damit muss aber auch eines Tages fast jedes Element einen Ethernet-Anschluss bekommen. Und der muss so designt sein, dass er zu Device, Sensor oder Gerät passt und dass er diese vielleicht sogar mit Energie versorgen kann. Wir befassen uns damit unter dem Titel Embedded Ethernet. Daraus ergeben sich Themen, wie etwa, dass das Ethernet noch echtzeitfähiger werden muss. Da gibt es etwas, das unter Time-Synchronized-Networks in etwa zwei Jahren auf dem Markt erscheinen wird.

Das Interview führte Julia Lansen, Redaktion

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