„Ein Punkt, der eine zentrale Rolle spielt, ist das selbstbestimmte Arbeiten. Noch lassen zu

„Ein Punkt, der eine zentrale Rolle spielt, ist das selbstbestimmte Arbeiten. Noch lassen zu wenige Führungskräfte ihren Wissensarbeitern wirklich freie Hand. Noch sind zu viele zu sehr dabei, ihre Mitarbeiter zu kontrollieren oder zu sagen, du hast deine Aufgabe so und so zu erledigen. Und das ist in Hinblick auf Kreativität und Motivation oft nicht sehr zielführend.“ Frank Schabel, Leiter Marketing und Communications bei Hays

Unternehmen, die Produkte entwickeln, leben vom Wissen ihrer Ingenieure. Hays hat seine Studie „Wissensarbeiter und Unternehmen im Spannungsfeld“ veröffentlicht. Mit relevanten Ergebnissen: Etwa die Hälfte aller Wissensarbeiter meinen, dass ihre Tätigkeit zu stark von Routineaufgaben überlagert wird. Aber nur ein Viertel ihrer Vorgesetzten sieht das so. ke NEXT sprach mit Frank Schabel, dem Leiter Marketing und Communications bei Hays, über die Studie.

Herr Schabel, inwiefern ist es für Unternehmen in puncto Wettbewerbsfähigkeit wichtig, dass die Wissensarbeiter vernünftig arbeiten können? Dass das Wissen richtig fließt?
Dies ist von zentraler Bedeutung. Wegen des Tempos auf den globalisierten Märkten und den damit verbundenen hohen Innovationszyklen im Bereich Produkte und Services müssen die Unternehmen neue Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung sehr schnell in neue Produkte ummünzen. Dabei ist es sehr wichtig, dass die Wissensarbeiter gut zusammenarbeiten und dass sie sich abteilungsübergreifend zusammenschließen, weil in der Regel verschiedene Bereiche gefragt sind. Das geht aber nur, wenn sie eine Kultur haben, in der das Wissen fließt.

Frank Schabel, Leiter Marketing und Communications bei Hays

„Ein Punkt, der eine zentrale Rolle spielt, ist das selbstbestimmte Arbeiten. Noch lassen zu wenige Führungskräfte ihren Wissensarbeitern wirklich freie Hand. Noch sind zu viele zu sehr dabei, ihre Mitarbeiter zu kontrollieren oder zu sagen, du hast deine Aufgabe so und so zu erledigen. Und das ist in Hinblick auf Kreativität und Motivation oft nicht sehr zielführend.“ Frank Schabel, Leiter Marketing und Communications bei Hays

Haben Sie den Eindruck, dass der Wandel zur Wissensgesellschaft und die Wertschätzung von Wissensarbeitern in der Praxis angekommen ist?
Jein. Es kommt in der Studie raus, dass die Wissensarbeiter  auf der einen Seite wertgeschätzt und auch teilweise separat oder anders behandelt werden. Auf der anderen Ebene existieren  genügend Aspekte, wo es Handlungsbedarf gibt. Ein ganz triviales Beispiel: Unternehmen verfügen über zu wenig Räumlichkeiten, in denen sich Wissensarbeiter zwanglos austauschen können. Das heißt, sie haben keine physischen Treffpunkte.

Sie meinen bestimmt: Teeküchen und Kantinen, wo man in Ruhe sitzen kann. Aber wirkt das nicht immer so ein bisschen, als ob die Mitarbeiter nur Pause machen wollen?
Gar nicht. Ich denke, diese Industriegesellschaft-Denke, dass die  Arbeit mit physischer Anwesenheit acht Stunden an einem fest umrissenen Platz mit festen Pausenzeiten stattzufinden hat, ist passé. Wenn ich mich in der Kaffeeecke treffe und austausche, komme ich teilweise auf ganz kreative Ideen. Oder ich entwickle mit Kollegen, die zwei verschiedene Sichtweisen einbringen, in zehn Minuten eine wunderbare Idee, die ich in fünf Tagen nicht erzielt hätte, wenn ich nur in meinem stillen Kämmerlein gesessen hätte. Ich glaube, da sollten wir einfach Vertrauen haben.

Sie haben in der Studie festgestellt, dass die Hälfte aller Wissensarbeiter meinen, ihre Arbeit wird zu stark von Routineaufgaben überlagert. Wie erklären Sie sich das?
Es ist so, dass Unternehmen durchaus auch im Bereich Projektassistenz und Projektadministration sparen. Das heißt, die Wissensarbeiter müssen dann teilweise Aufgaben selbst übernehmen, die besser an andere Akteure wegdelegiert werden würden. Das geht dann zu Lasten ihrer kreativen Wissensarbeit.

Was waren denn die größten Erkenntnisse aus Ihrer Studie?
Es gibt mehrere Punkte. Zum einen: Was mich nicht überrascht hat, ich aber trotzdem etwas traurig fand, ist, dass viele Unternehmen immer noch Projekte in Richtung Wissensmanagement rein auf der IT-Ebene aufsetzen. Sie verstehen nicht, dass Wissensmanagement ein kulturelles Thema ist. Sprich, dass ich Wissen nie 1:1 von Kopf A über eine Datenbank in Kopf B bringe. Das funktioniert nicht. Wissen ist an uns Menschen gebunden, an unsere Intuition, wie wir das auch physisch erlebt haben. Es gibt ganz klare Grenzen, und deshalb ist es umso wichtiger dass das Wissen in Form von Austausch stattfindet. Und ich glaube, wir haben noch nicht begriffen, wie zentral Wissen gerade bei uns in Deutschland ist, weil wir nicht die Rohstoffe haben. Diese Transformation von der Industrie- in die Wissensgesellschaft – ich dachte, da wären wir schon viel weiter.

Und der andere Punkt?
Was ich für essentiell für alle Beteiligten, sowohl für die Unternehmen als auch die Wissensarbeiter selbst, halte: Wissensarbeiter sind in hohem Maße ihrem eigenen Wissen, ihrem Themengebiet verantwortlich – darauf sind sie stolz. Das ist einer der wesentlichen Unterschiede zur Industriegesellschaft. Und wenn sie das Gefühl haben, sie kommen in ihrem Fachgebiet nicht voran, weil man nicht die Projekte hat, die sie interessieren oder das Unternehmen mit altmodischen Technologien arbeitet und dem Markt hinterher hinkt, dann sind die illoyal, dann gehen die. Und das in einem so hohen Maße, wie ich es nie gedacht hätte.

Hintergrundwissen

Studien von Hays
Der internationale Recruitment-Spezialist Hays verfügt über mehr als 255 Büros in 31 Ländern. In Deutschland, Österreich und der Schweiz besetzt das Unternehmen bei über 800 Unternehmen flexibel und passgenau Projekte und Stellen mit hochqualifizierten Experten.
Hays veröffentlicht regelmäßig interessante Studien aus dem Recruitment-Bereich. Die Studien stehen unter www.hays.de kostenlos zum Download bereit oder können als Broschüre bestellt werden.
Interessierte finden hier die Studie „Wissensarbeiter und Unternehmen im Spannungsfeld“.

Was schlussfolgern Sie daraus? Was würden Sie den Unternehmen empfehlen, um Wissensarbeiter langfristig zu binden?
Das Erste ist, wie schon gesagt, Räumlichkeiten, die Teestube, die Kaffeeecke, zu schaffen. Das Zweite ist, die IT-Welten, die oft ihre Mauern haben, so zu öffnen, dass sich die Wissensarbeiter mit Ihresgleichen, die ganz woanders arbeiten, vernetzen können. Es ist ja oft so, dass Mitarbeiter Vorbehalte gegen das Nutzen von Social Media haben. Da muss man einfach auch stückweit Wände einreißen. Das sind die Formalia. Und dann reden wir im Prinzip von ganz klassischen Werten wie Wertschätzung und Vertrauen. Das heißt, ich ermögliche meinen Wissensarbeitern wirklich so zu arbeiten, wie sie möchten, ihre Arbeit frei zu gestalten – unter dem Zielkorridor, den ich vorgegeben habe. Ich ermögliche es ihnen, sehr flexibel mit viel Vertrauen, dass sie, wenn es sein muss, sich auch mal um ihre Kinder kümmern können, wenn gerade etwas anbrennt. Da gebe ich ihnen den Freiraum, ihre Arbeitszeit einigermaßen flexibel zu gestalten, so wie es mit ihrem Privatleben zusammenpasst. Und dann der letzte Punkt, den hatten wir gerade diskutiert: interessante Aufgaben. Ich muss ihnen einfach viel zur thematischen Entfaltung geben, wie interessante Projekte. Dann werfen Wissensarbeiter sofort ihren Turbo an.n

Welche Erfahrung haben Sie in puncto Wissensarbeit gemacht? Fühlen Sie sich von Routineaufgaben erschlagen oder vom Unternehmen ausreichend wertgeschätzt? Was müsste sich ändern, was läuft bereits gut? Schreiben Sie Ihre Meinung an leser@konstruktion.de.

Das Interview führte Angela Unger, Redaktion

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