Sie sagten gerade, die Informationsflüsse spielen eine Rolle. Was ändert sich denn jetzt?

Wir haben die Informationsflüsse durchaus bereits technisiert und formalisiert. In den Betrieben verfügen wir über eine ganze Reihe von Planungssystemen, welche die Planung vom Zeitraum aus auf die einzelnen Arbeitsstationen runterbrechen und dann die Vorgaben in die Peripherie rausschicken. Solche Systeme haben unter komplexen Bedingungen jedoch immer das Problem, dass sie nur näherungsweise die Realität abdecken können, denn oftmals gibt es noch kurzfristige Veränderungen. Das heißt: Ich muss Informationen aktualisieren und brauche ein Feedback. Auch dafür existieren bereits Systeme. Hier ändert sich jetzt der Anspruch. Woher weiß denn Amazon, was Sie gerne lesen? Die werten aus, wo Sie auf deren Homepage klicken. Im Prinzip ist das ein großer Sensor, mit dem man Daten erfassen kann. Und das gleiche versuchen wir in den Betrieben. Bislang musste der Beschäftigte die Daten, beispielsweise einen Maschinenzustand, manuell ins MES-System eingeben. Jetzt versucht man über die Sensorik oder die cyberphysischen Systeme, einen Produktzustand zu erfassen und zurückzumelden. Auf dieser Basis entsteht ein rückgekoppeltes System, das schnelle Anpassungen an dynamische Umfeldbedingungen ermöglicht. Letztlich beruht ein gesundes Informationssystem auf einem solchen Fließgleichgewicht, um die Dynamik zu managen.

Was bedeutet das für den einzelnen Konstrukteur?

Er macht die Erfahrung, die wir alle machen: Die Welt ist vielfältiger, dynamischer und schneller geworden. Ich brauche eine Orientierung, gleichzeitig muss ich mir überlegen, inwiefern oder wie tief ich in eine Planung einsteige. Warum kommen wir auf Design Thinking, auf agile Methoden, bei denen in gewisser Weise eine Planungstiefe rausgenommen und versucht wird, situativer und flexibler den komplexen Aufgaben gerecht zu werden, ohne dadurch die Qualitätsanforderungen der Kunden aus dem Auge zu verlieren? Ich habe den Eindruck, das ist ein grundsätzlicher Trend. Der Konstrukteur ist ja der technische Planer. Es wäre fatal zu sagen, wir planen nicht mehr so gut und das Produkt wird den Kundenansprüchen nicht gerecht. Ich meine, die Aufgabe ist eher, dass der Planer modulare Produkte macht, um schneller auf spezifische Kundenanforderungen eingehen zu können. In vielen Betrieben ist es schon heute so, dass die Planungs- und Konstruktionstools viel stärker in betriebsübergreifende Informations-
strukturen eingebettet werden.

Der Konstrukteur müsste also im Prinzip eine Art Baukastenmaschine konstruieren, und der Kunde kann sich selbst aussuchen, was er möchte und braucht?

Ja, in die Richtung geht’s. Das kann man im großen Stil in der Automobilindustrie sehen. Wenn ich ein differenzierteres Marktangebot habe, wollen Kunden natürlich auch differenziertere Produkte haben. Wenn ich das nicht bedienen kann, habe ich ein Problem. Vielleicht haben wir diesbezüglich einen Geist aus der Flasche gelassen, den wir jetzt nicht mehr reinbekommen, indem wir Vielfalt ermöglicht haben und nun müssen wir diese Vielfalt auch liefern.

Das bleibt hängen: Wie Konstrukteure und Ingenieure sich für die Zukunft rüsten können

  • Im Zuge der Digitalisierung gibt es eine massive Komplexitätssteigerung der zwischenmenschlichen und wirtschaftlichen Beziehungen. Nach Nathan Bennett bezeichnet man das Zusammenwirken von Komplexität, Sprunghaftigkeit, Mehrdeutigkeit und Unsicherheit als Vuca.
  • Digitalisierung meint immer: zu Beginn steht eine Vernetzung.
  • Maschinen werden zukünftig zwar über mehr künstliche Intelligenz verfügen, aber ersetzen werden sie die Konstrukteure aus heutiger Perspektive nicht. Technische Systeme werden die Konstrukteure in Zukunft jedoch verstärkt unterstützen.
  • Konstrukteure müssen künftig modularer und flexibler auf Kundenwünsche eingehen. Sie benötigen also eine gute Vernetzung mit den Kunden, um deren Bedürfnisse und Rückmeldung zu erfahren, und die Offenheit, dies auch umzusetzen.
  • Modulareres Konstruktieren bedeutet auch, dass der Konstrukteur am Anfang weniger in die Tiefe einsteigt, dafür mehr Vielfalt schafft.
  • Vernetzung gibt es zunehmend auch in und unter den Teams: Konstrukteure müssen dazu bereit sein, ihr Wissen verstärkt zu teilen und in den gemeinsamen, gleichrangigen Austausch einzusteigen.
  • Die Vernetzung fordert von Konstrukteuren deutlich mehr kommunikative Fähigkeiten. Erfolgleich werden diejenigen sein, die über ein gutes Einfühlungsvermögen in Kunden verfügen, in Teams vertrauensvoll zusammenarbeiten können, und die bei den zunehmend dezentral getroffenen Enscheidungen ihren Chef mitnehmen.   

Für einen Konstrukteur, der einen anderen Ansatz und eine andere Ausbildung hat und jetzt bei dem Entwurf der Maschine alles berücksichtigen soll, ist das aber eine Herausforderung.

Ja, es ist eine Herausforderung. Dies betrifft aber nicht bloß den einzelnen Konstrukteur, sondern auch die Organisation von Konstruktionsbüros und die Planung der Arbeitsprozesse in den Betrieben. Aber ich denke, es geht auch darum, konstruktive Vorschläge von Kunden, Kollegen und Nutzern offener aufzunehmen. Da war man meines Erachtens in der Vergangenheit viel zu restriktiv, auch, weil die Kapazitäten nicht zur Verfügung standen. Wir brauchen ein Stückweit auch ein neues Denken.

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