Richard Justenhoven, Product Director bei der cut-e group hat einen Masterabschluss in Businesspsychologie und ist auf Psychometrie und online-basierte Auswahl spezialisiert.

Richard Justenhoven, Product Director bei der cut-e group hat einen Masterabschluss in Businesspsychologie und ist auf Psychometrie und online-basierte Auswahl spezialisiert. (Bild: cut-e)

Herr Justenhoven, wie können Ingenieure und Konstrukteure ohne Führungsverantwortung, mit Kollegen, deren Persönlichkeiten eine dunkle Triade aufweist, die also Narzissten, Machiavellisten oder Psychopathen sind, umgehen?

Das erste, das man bedenken sollte: Wenn man einmal gegenüber dem Chef oder anderen Kollegen den Verdacht geäußert hat, dass der Kollege ein Mensch mit psychopathischen Merkmalen sein könnte, bekommt diese Person schnell einen Stempel aufgedrückt, den sie nur schwer wieder los wird. Deshalb rate ich dazu, zunächst zu schauen, ob derjenige beispielsweise nur ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein besitzt, oder ob das Selbstbewusstsein tatsächlich schon so stark übertrieben ist, dass es in Richtung Narzissmus geht. Das Relevante bei der dunklen Triade ist, dass diese Persönlichkeitsausprägungen in den kontraproduktiven Bereich gehen und die Teamarbeit schädigen. Dann wäre der richtige Schritt, zum Vorgesetzten zu gehen und ohne das Keyword zu nennen die konkreten Verhaltensweisen, die der Teamarbeit schaden, zu erläutern.

Was für relevante Verhaltensweisen wären das denn?

Wenn der Narzissmus besonders stark ausgeprägt ist, schaut derjenige beispielsweise ganz stark auf den eigenen Erfolg. Er sieht Teams eher als Unterstützer für die eigene Leistung. Es geht also nicht um den Teamerfolg, sondern um den eigenen Erfolg. Derjenige spielt sich aktiv in den Vordergrund, lässt andere nicht zu Wort kommen, ignoriert gute Vorschläge, schaut nur darauf, was gut für ihn ist, alles andere ist ihm egal. Der Machiavellist würde jede Möglichkeit nutzen, um an sein Ziel zu gelangen. Mikropolitische Taktiken sind häufig Mittel der Wahl, zum Beispiel um andere zu beeinflussen, gezielter Einsatz von scheinbarer Empathie, also Manipulation von anderen, Intrigen spinnen, beispielsweise bewusst Falschinformationen streuen, um bestimmte Reaktionen oder einen Zuspruch zu bekommen. Menschen mit überhöht psychopathischen Persönlichkeitsmerkmalen sind extrem risikobewusst, haben eine übersteigerte Impulsivität, Dinge werden nicht abgewogen, sondern einfach gemacht, auch wenn alle anderen davon abraten.

Das heißt, man sucht im ersten Schritt das Gespräch mit dem Kollegen, und wenn man merkt, dass dies nichts bringt, geht man zum Chef, vielleicht auch mit mehreren Kollegen gemeinsam?

Genau! Die normale Situation wäre, dass man den Kollegen erst einmal auf sein Verhalten anspricht und den vermutlichen Narzissten darum bittet, den Fokus mehr auf das Team zu legen. Selbst Personen mit sehr gesunder Ich-Zentrierung würden sich dann ein Stück weit zurücknehmen. Der Narzisst eben nicht. Das heißt, wenn dieser Weg nicht fruchtet, muss man mit dem Problem zum Chef zu gehen. Nach unserer Erfahrung ist dann ein Vier-Augen-Gespräch sinnvoll, weil dabei die sozialen Probleme viel besser angesprochen werden können, sodass die Führungskraft sich im Anschluss in Ruhe Gedanken dazu machen kann, wie sie darauf reagieren möchte oder ob sie sich noch eine zweite oder dritte Meinung einholt. Aber sie wird nicht vor vollendete Tatsachen gesetzt fühlen, wie im Fall, wenn die gesamte Mannschaft ins Büro marschiert und sagt: „Wir müssen den Kollegen loswerden, das ist ein Narzisst!“

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