Wie wichtig sind Einstieg und Ausstieg? Sollte ich hier ein besonderes Augenmerk drauf legen?

Grundsätzlich empfehle ich immer, den ersten und den letzten Satz über Tage auswendig zu lernen, sodass diese hundertprozentig sitzen. Denn mit dem ersten Satz präge ich die Erwartungshaltung und der letzte Satz bleibt als Eindruck hängen. Diese Sätze dürfen nicht zu kompliziert sein. Am besten nehme ich jeweils eine ganz einfache klare Aussage. Wenn die Menschen anfangen, die Stirn zu runzeln, weil sie etwas nicht verstanden haben, ist die Wirkung weg. Etwas Schwieriges kann ich im Mittelteil präsentieren, aber nicht im Ein- oder Ausstieg.

Wie könnte denn ein gelungener Einstieg aussehen?

Am besten fangen Sie mit irgendetwas aus dem Vortrag an, das kann eine Metapher oder ein Bild sein und dann begrüßen Sie die Zuhörer.

Wie könnte so ein Einstieg beispielsweise klingen, wenn ein Ingenieur eine neue Anlage vorstellen möchte?

„Heute werde ich Ihnen zeigen, warum wir unseren Gewinn verdoppeln können. Schön, dass Sie alle so früh morgens zu meiner Präsentation der X-Anlage gekommen sind. Mein Name ist Günter Seipp und ich bin der leitende Entwicklungsingenieur.“ Mein Name ist immer wichtig, weil ich dann dieses Projekt mit einer Person verbinde. Wenn ich etwas personalisiere, habe ich einen besseren Zugang zu den Menschen, und diese sind eher bereit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wenn ich auf die Personalisierung verzichte, dann ist das nur eines von vielen Projekten.

Soll ich meinen Namen auch nennen, wenn ich innerhalb meines Unternehmens rede und die Leute mich kennen?

Also wenn ich irgendwann Karriere machen will: Ja. Ihr Name ist Ihre Marke.

Könnten Sie bitte noch ein kurzes Beispiel für einen gelungenen Ausstieg dieses Ingenieurs formulieren?

Ich sollte immer auf die Zukunft verweisen, beispielsweise: „Ich würde mich freuen, wenn ich nächste Woche von der Aufsichtsratssitzung höre, dass das Projekt angeschoben ist.“ Denn damit mache ich gleich die Erwartungshaltungen deutlich. Erstens, dass der Vorstand damit in den Aufsichtsrat geht, und zweitens dass der Aufsichtsrat begeistert sein wird. Sehr häufig wird es in so einer konkreten Situation passieren, dass der Vorstand sagt: Kommen Sie mit zur Aufsichtsratssitzung und präsentieren Sie Ihr Thema selbst.“ Dann habe ich Einfluss. Wenn ich davor Angst habe, sollte ich das natürlich nicht machen. Das heißt, ich muss immer in die Zukunft blicken. Das ist auch das Problem von vielen ungeübten Rednern. Die erzählen über die Vergangenheit. Das interessiert keinen Menschen. Es geht darum: Was machen wir gemeinsam? Wie erobern wir Märkte? Wie gestalten wir die Zukunft? Also muss ich auch einen in die Zukunft gerichteten Ausstieg wählen. Und das bedeutet: Keinen Dank für das Zuhören aussprechen, sondern Sie müssen rausgehen in der Erwartung, dass alle nochmal Schecks über 1000 Euro ausschreiben, damit Sie zehn Minuten länger reden. Das muss so eine innere Erwartungshaltung sein.

Tipp 3: Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen

Wie gehe ich mit Kritikern während meines Vortrags um?

Wenn jemand eine blöde Bemerkung macht, dann nehme ich das als wertvolle Anregung, die das Projekt auf ein ganz neues Level heben wird. Dann kann derjenige anschließend nicht mal sagen, dass er nicht will. Denn er ist jetzt ein Teil dieses Projektes geworden, und viele sind auch ganz dankbar dafür. Es ist ja nicht so, dass alle von Grund auf schlecht oder dagegen sind, aber sie haben natürlich eigene Befindlichkeiten. Außerdem will jeder gerne gelobt werden. Also sage ich: „Das ist eine wertvolle Anregung, darüber haben wir noch gar nicht nachgedacht. Das wird uns völlig neue Dimensionen erschließen, vielen herzlichen Dank.“ Auf keinen Fall darf ich sagen: „Was ist das für eine blöde Bemerkung!“ Denn dann steigt „mein Gegner“ in einen Machtkampf ein und wird nicht eher ruhen, bis mein Projekt tot ist.

Über den Interviewpartner

Günter Seipp ist Gründer und Geschäftsführer von gswSeminare. Der studierte Psychologe und Verwaltungswissenschaftler hat sich auf die Themen Rhetorik, Krisen und Konfliktmanagement spezialisiert, zu denen er verschiedene Seminare anbietet. Er verfügt über eine mehr als 30jährige Berufspraxis.

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