Das verlangt eine ganze Menge Selbstanalysefähigkeiten. Gibt es Methoden, die einem dabei helfen?

Was aus meiner Sicht meistens eher fehlt, ist die Fragen zu beantworten: Was will ich eigentlich? Wo will ich hin? Und zwar nicht nur beruflich, sondern auch in der familiären Perspektive, in der Gesundheitsperspektive, in der ganz persönlich privaten Perspektive. Sich darüber Gedanken zu machen und dann die Schritte abzuleiten, hilft aus meiner Sicht viel mehr als sich Pro- und Contra-Listen anzulegen. Denn dadurch schaffe ich mir Leitplanken, anhand derer ich meine Entscheidungen treffen kann.

Das heißt, ich muss alle Belange meines Lebens gegeneinander abwägen und gewichten, was mir wie wichtig ist?

Ja, ich muss individuell für mich herausfinden, in welchen Bereichen ich bereit bin, Kompromisse einzugehen, und ich welchen Bereichen ich das nicht möchte. Dazu muss ich mir aber vorher bewusst sein, was meine Werte sind. Was ist für mich wichtig und was ist für mich nicht so wichtig? Darüber machen sich die meisten Menschen gerade in den technischen Berufen oft nur sehr wenig Gedanken.

Wenn ich Sie richtig verstehe, würde zum Beispiel ein älterer Konstrukteur, dem die agilen Methoden keinen Spaß machen, die Veränderung in diese Richtung trotzdem akzeptieren, weil ihm sein Haus und seine Familie wichtiger sind?

Ja, ganz genau. Ein Mensch, der Familie, Partnerschaft und vielleicht persönlichen Wohlstand als wichtigste Werte hat, wird sich leichter tun, wenn er genug Geld verdient, Abstriche in der Tätigkeit zu akzeptieren als jemand, der Anerkennung und berufliche Weiterentwicklung als wichtigste Werte hat.

Nehmen wir mal einen langjährigen und erfahrenen Konstrukteur, der sich eine gute Position erarbeitet hat und nun im Zuge der Digitalisierung viel modularer, flexibler und im Team konstruieren soll, obwohl er das ablehnt. Wie kann der mit so einer Situation umgehen?

Das ist eine schwierige Frage. Wenn ich etwas nicht will, dann ist es natürlich schwierig, mich zu verändern. Die Frage ist, wie der Rahmen im Unternehmen ist. Also, ob es sich um eine bloße Idee handelt oder ob es wirklich eine solche Unternehmensstrategie gibt, die beispielsweise das Entwickeln mit agilen Methoden, also in einer horizontal teamübergreifenden Weise vorsieht. Wer in einem solchen Umfeld nicht arbeiten kann oder will, der wird dort nicht glücklich werden.

Derjenige müsste sich also seine Nische im Unternehmen suchen?

Wobei das zunehmend schwieriger wird, weil die Art, wie entwickelt wird, sich derzeit im Zuge der Digitalisierung auf relativ breiter Front ändert. Es geht deutlich weg von klassischen Wasserfallmodellen und hin zu breit aufgestellten agilen Methoden mit kurzen Innovationszyklen, weil sich auch die Anforderungen des Marktes komplett verändern. Die Entwicklungsgeschwindigkeit steigt drastisch durch die ganzen digitalisierten Produkte. Ich kann gar nicht mehr so entwickeln, wie ich es früher gemacht habe, also die Anforderungen aufnehmen, das Pflichten-Lasten-Heft schreiben, dann entwickeln und nach eineinhalb Jahren den ersten Prototypen an den Kunden geben. Das funktioniert heute nicht mehr, weil nach den eineinhalb Jahren jemand anderes das Produkt entwickelt hat. Deswegen wird es immer schwerer werden, in diesem Umfeld klassische Entwicklungsrollen zu finden.

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