Wenn ich in die Zeitung schaue und von extrem hohen Gehältern bei gleichzeitigem Missmanagement lese, habe ich manchmal den Eindruck, dass wir in einem Zeitalter leben, das solche Eigenschaften besonders bevorzugt. Wie sehen Sie das?

Ich würde Ihnen damit Recht geben, dass man durch das Ausleben dieser Eigenschaften schneller in bestimmten Positionen ankommt. Und ja, vielleicht leben wir mittlerweile in einer Gesellschaft, in der der Individualismus den Kollektivismus überholt hat, und dass dadurch Personen mit diesen Eigenschaften schneller ans Ziel kommen. Aber langfristig führt das zu Problemen. Für denjenigen selbst wie auch für das Unternehmen, das am Anfang diese Mitarbeiter fördern wollte.

Was sind Schäden für Unternehmen, wenn sie solche Mitarbeiter einstellen?

Die Schäden kann man vor allem langfristig beobachten. Key-Position-Holder, also Mitarbeiter, die man eigentlich halten möchte, werden durch Machiavellisten aus den Unternehmen getrieben. Auch eine Person mit narzisstischer Prägung, die immer den Erfolg für sich verbuchen möchte, treibt Key-Position-Holder schnell an ihre Grenzen und diese verlassen dann das Unternehmen. Das sieht man auf dieser Ebene ganz stark. Menschen mit psychopathischen Merkmalen gehen bei langfristigen Entscheidungen oft unnütze Risiken ein, und setzen zum Beispiel auf das Ausrollen eines neuen Marktes, der zwar interessant ist, der jedoch mit unglaublich negativen Konsequenzen belegt sein kann, sodass dies zu extremen Umsatzeinbußen führen kann.

Ein Ingenieur mit stark ausgeprägten psychopathischen Zügen würde vielleicht gezielt vordergründig coole Schrottprodukte entwickeln, weil er sich dadurch den schnellen Erfolg verspricht, der aber nicht nachhaltig ist?

Korrekt, dieses Kombinieren von Gegensätzen funktioniert auch im Ingenieursbereich. Beispielsweise wenn ein Auto in den nächsten zwei Jahren bestimmte Voraussetzungen erfüllen soll, die de facto heutzutage noch nicht erfüllt werden können. Dann würde der Abteilungsleiter mit stark ausgeprägten psychopathischen Zügen alle Entwicklungsteamarbeiten auf dieses Ziel ausrichten. Wenn man dieses Ziel erreichen würde, wäre das ein unglaublicher Vorsprung für das Unternehmen, aber die Möglichkeiten sind derzeit begrenzt und entsprechend groß ist das Risiko. Man setzt also viel Geld in eine entsprechende Entwicklung, bei der am Ende nichts rauskommt.

Wie häufig kommen diese Persönlichkeitsmerkmale in ungesunder Ausprägung vor?

Das kommt drauf an, auf welche Studien man verweist. Dementsprechend variieren die Zahlen zwischen zwei und vier Prozent in der Gesamtbevölkerung, je nachdem, ab welchem Level man eine problematische Ausprägung sieht. Darüber hinaus gibt es Studien und Artikel, die darauf verweisen, dass die ungesunde Ausprägung umso häufiger vorkommt, je höher die berufliche Position ist.

Gibt es Zahlen fürs Management?

Zweistellige Zahlen werden auch hier nicht berichtet, aber es geht in den Bereich zwischen vier und sechs Prozent.

Das ist aber nicht so häufig?

Nein, aber die Konsequenzen sind für die Unternehmen so schwerwiegend, dass es wichtig ist, diese Mitarbeiter rechtzeitig zu identifizieren oder am besten gar nicht erst einzustellen. In einer Gruppe von zehn Managern reicht einer, der risikofreudiges Verhalten fördert. Dieser würde seine Mitarbeiter komplett danach auswählen, wie risikofreudig die sind. Ein Narzisst würde schauen, dass er niemanden einstellt, der ihm irgendwie gefährlich werden könnte, also würde er gezielt keine guten Leute einstellen. Je höher der Einzelne kommt, desto mehr Auswirkungen auf den Gesamterfolg des Unternehmens hat er. Allein für den Bereich der Personaleinstellungen bedeutet dies, dass über Jahre hinweg gezielt die falschen Leute rekrutiert werden!

Und das Unternehmen holt sich dann viele unfähige Mitarbeiter ins Haus …

Genau, diese Personen würden gezielt Mitarbeiter auswählen, die ihrem Muster entsprechen, weil sie ihr eigenes Verhalten ausleben wollen. Dadurch erhält man eine Kettenreaktion, eine Schneelawine, weil die eingestellten Personen ihrerseits ebenfalls solche Mitarbeiter aussuchen. Das kann innerhalb kürzester Zeit, sprich einem halben bis ganzem Jahr, Auswirkungen auf die gesamte Unternehmenskultur und –strategie haben, die dann vielleicht nicht mehr erreicht werden kann. Und so kann von einem Einzelnen, auch wenn es sich nur um diese fünf bis sechs Prozent handelt, eine solche Lawine losgetreten werden.

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