Hinzu kommt: Durch ihre aktuellere Qualifikation und eine zunehmende Spezialisierung fordern junge Fachkräfte heute mehr Entscheidungsfreiheit. Das kollektive Wissen, das sie sich über ihre unternehmensübergreifenden Netzwerke in kürzester Zeit verschaffen, spielt eine größere Rolle als Herrschaftswissen. Durch die Schwarmintelligenz haben Silo- und Abteilungsdenken nicht nur ihre Legitimität verloren. Ungeteilt sind zurückgehaltene Informationen und Wissen wertlos für ein Unternehmen, das in immer kürzeren Innovationszyklen arbeiten muss.

Vor diesem Hintergrund bedeutet Führung 4.0 ein neues Führungsverständnis und braucht völlig andere Managementmethoden als in der Vergangenheit. Die alten Zeiten sind definitiv vorbei, als Manager allein aus ihrer Hierarchiestufe ihren Durchsetzungsanspruch ableiteten. Kontrolle als Führungsstil hat keine Zukunft mehr. Führungskräfte brauchen Werte und Haltung, damit sie den Raum für Kreativität schaffen und zugleich Sicherheit geben können. Gefordert ist digitale Führungskompetenz – angefangen beim CEO bis in die dritte und vierte Führungsebene. 

Projekte anstatt Linienarbeit

Eine starre auf Hierarchien basierende Führungskultur wird heute weder den Kundenbedürfnissen noch den Mitarbeitern gerecht. Die klassische Linienorganisation mit langwierigen Entscheidungsprozessen ist zudem nicht in der Lage, auf die immer schneller sich ändernden Markt- und Kundenanforderungen zu reagieren. Immer mehr Unternehmen arbeiten deshalb in Projekten. Nach einer Studie des Personalberaters Hays („Von starren Prozessen zu agilen Projekten“, Oktober 2015) verbringen Mitarbeiter aus den Bereichen Finanzen sowie Forschung und Entwicklung 35 Prozent ihrer Arbeitszeit in Projekten. In den vorangegangenen zwei bis drei Jahren ist dieser Anteil um 62 Prozent gestiegen. In der IT verbringen Mitarbeiter bereits 45 Prozent ihrer Zeit in Projekten. Die Berater prognostizieren einen weiteren rasanten Anstieg der Projektorganisation in allen Bereichen. Heute schon wird ein Drittel der Bruttowertschöpfung in Projekten erwirtschaftet. Zu diesem Ergebnis kam 2015 eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement. 2018 soll dieser Anteil des Projektgeschäfts auf 40 Prozent steigen. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass in Unternehmen mit hohen Innovationserfolgen rund 45 Prozent der Arbeitszeit in Projekten erbracht wird.

Kulturwandel wichtiger als Technik

Für Mitarbeiter bedeutet dies: Die Sicherheit in festen Teams und mit klaren Arbeitsprozessen löst sich sukzessive auf. Ständig müssen sie sich auf Neues einlassen, in einem neuen sozialen Umfeld ihre Leistung erbringen und Ziele realisieren. Dies geht oft einher mit Ortswechseln, virtuellen Arbeitsgruppen, unterschiedlichen Arbeitszeiten, wechselnden Vorgesetzen und Kollegen. Während die Digital Natives in der Regel solchen dynamischen Arbeitsbedingungen offen gegenüberstehen, tun sich Mitarbeiter jenseits der 50 häufig schwer damit. Gleichwohl ist das Erfahrungswissen der älteren Generationen in der Projektarbeit dringend nötig. Diese Entwicklung hat zwangläufig Einfluss auf die Führungsaufgaben und die Methoden. An die Stelle der Aufgabenverteilung tritt die Herausforderung, Teams für Projekte zusammenzustellen. An die Stelle von Auftrag und Überwachung der Umsetzung tritt für Führungskräfte die Aufgabe, durch ein authentisches, offenes, kommunikatives Verhalten Prozesse anzustoßen und zu begleiten. Parallel verlieren Manager in solchen volatilen Arbeitsprozessen ihre klassischen Kontrollmöglichkeiten. Sie müssen Verantwortung in Teams delegieren, ihnen Entscheidungsspielräume übertragen. Sie müssen sie auch über eine räumliche oder zeitliche Distanz effektiv führen und bei Bedarf Konflikte lösen können.

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