Der Kontrollverlust in der alltäglichen Arbeit bedeutet aber nicht, dass sie ihre Steuerungsfunktion aufgeben. Im Gegenteil. Führung 4.0 bedeutet in der Digitalisierung, dass Manager zugleich immer wieder entlang der Unternehmensziele Projektziele formulieren und für deren Realisierung die richtigen Ressourcen bereitstellen müssen. Sie müssen die Potenziale ihrer Mitarbeiter erkennen, ihre Fähigkeiten fördern und zum Einsatz bringen. Sie müssen die auch von ihrer Persönlichkeit verschiedenen Individuen in den Teams zu kreativen Prozessen führen, ihnen die richtigen Fragen stellen und ihre Schwarmintelligenz nutzen. „Führung 4.0“ bedeutet also, Projekte mit den richtigen Menschen und Ressourcen auf die Schiene zu bringen und sie zu innovativen Lösungen zu inspirieren – eigentlich bis dahin nichts Neues, in Zukunft ist dieser Ansatz aber entscheidend! Die Führungskraft 4.0 ist Ermöglicher des vermeintlich Unmöglichen (das, was vorher noch niemand gemacht hat). Nur so entstehen schnellere Innovationen im Kundeninteresse oder gar disruptive Ansätze. Markus Köhler, Senior Director Human Resources und Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Deutschland brachte es im Juni 2016 auf den Punkt: „Damit Unternehmen schneller auf Marktveränderungen reagieren können, müssen Führungskräfte mehr Verantwortung in die Teams abgeben, die nahe am Markt und am Kunden agieren und Mitarbeitern mehr Freiraum für eigene Entscheidungen überlassen. Manager sollten in Zukunft mehr coachen und weniger kontrollieren.“ Es geht also um einen Kulturwandel, der weniger von Technik als von der Haltung getrieben wird, mit der Führungskräfte ihre Abteilungen oder Teams begleiten.

Vom Anleiter zum Moderator und Coach

Führungskräfte brauchen in einer digitalisierten Arbeitswelt ein erweitertes Kompetenz-Setting, das über rein technische Fertigkeiten hinausgeht. Während sie sich fachliche und methodische Fähigkeiten noch aneignen können, sind soziale und persönliche Kompetenzen schon schwieriger zu erwerben. Projekt-, Selbst- und Zeitmanagement oder Medienkompetenz lassen sich on the job trainieren. Solche internetbasierten Lern- und Trainingskonzepte sind vielfach erprobt und passen sich für ein Selbststudium an die Anforderungen im Joballtag an. Andere Kompetenzen wie emotionale Intelligenz, Empathie, Stressbewältigung und -resistenz, Moderation von Konflikten und Interkultureller Vielfalt haben mehr mit den Persönlichkeitsprofilen der Führungskräfte zu tun. Doch auf genau diese kommt es in der virtuellen Projektarbeit mehr denn je an.

Führung virtueller Teams, Steuerung von Projekten auf Distanz und über Medien wie Chat, Intranets, Foren und Wikis sowie Messenger und Video-Konferenzen haben den Nachteil, dass sich Teams immer seltener persönlich treffen. Die Kommunikationsräume Kaffeeküche und Kantine entfallen im virtuellen Raum, Pausen- und Flurgespräche zur Klärung persönlicher Konflikte sind mediengestützt nur schwer beziehungsweise anders zu organisieren.

Kernkompetenz emotionale Intelligenz

Die Aufgabe von Führungskräften ist, ihre dezentral verteilt arbeitende Mitarbeiter nicht nur fachlich zu begleiten, sondern auch auf einer persönlichen Ebene zu kennen. Sie müssen eine nachhaltige Arbeitsbeziehung zu ihnen aufzubauen und dafür sorgen, dass dies auch innerhalb der Teammitglieder geschieht. Führungskräfte müssen frühzeitig erkennen, wenn es in einem Projekt auf der persönlichen Ebene der Teammitglieder knirscht. Dann gilt es, solche Konflikte zu moderieren, die Mitarbeiter coachen, sie zur Selbstreflexion anzuregen. Voraussetzung für diese Supervisions-ähnlichen Aufgaben ist, dass Führungskräfte ihre eigene Persönlichkeit reflektieren und ihre Werte, Haltungen, Überzeugungen im Kontext ihrer Aufgaben und Ziele festigen und ergänzen. Daniel Goleman bezeichnet diese Kompetenz als emotionale Intelligenz: Selbstwahrnehmung und Selbstbeherrschung, Wahrnehmung der Mitarbeiter mit Empathie und die Bereitschaft zum Beziehungsaufbau. Gleichzeitig müssen solche Manager das große Ganze im Auge behalten. Sie müssen die Fernziele oder auch Visionen formulieren und sie im Einklang mit den Unternehmenszielen halten. Alles das ist ein geistiger, psychischer und kommunikativer Spagat. Viele Führungskräfte brauchen dafür professionelle Begleitung, wenn sie nicht in einen digitalen Dauerstress kommen sollen. Hier sind vielfach individuelle Coaching-Angebote nicht nur zielführend, sondern nahezu unerlässlich.

Über den Autor

Markus Dohm,
Markus Dohm, (Bild: TÜV Rheinland)

Markus Dohm ist Leiter des Geschäftsbereichs Academy & Life Care bei TÜV Rheinland. Dieser Geschäftsbereich bündelt unter dem Motto „ gesund, motiviert und qualifiziert arbeiten“ die Kompetenzen rund um den Menschen an seinem Arbeitsplatz und in seinem beruflichen Umfeld. In Deutschland ist TÜV Rheinland der führende technisch orientierte Lerndienstleister, der analoge und digitale Lernlösungen (u.a. E-Learnings & Gamification) mit maßgeschneiderten Plattformangeboten für das systematische betriebliche Weiterbildungsmanagement verknüpft. Mit umfassenden Angeboten zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement und der Qualifizierung von Menschen leistet TÜV Rheinland einen wichtigen Beitrag dazu, dass der Einzelne ebenso wie Organisationen die digitale Transformation meistern und ihre Chancen nutzen können.

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