Jedes großes Geschäft entsteht aus einer Idee, die wachsen muss.

Jedes großes Geschäft entsteht aus einer Idee, die wachsen muss. (Bild: Fantasista / Fotolia.com)

Für Technologiekonzerne ist es tägliche Praxis: Mithilfe von geistigem Eigentum blockieren sie ganze Geschäftsmodelle gegen den Wettbewerb. Das Ergebnis sind hohe Profite und noch höhere Markteintrittsbarrieren. Diese Firmennamen, Produkte und Leistungen kennen viele: Apple, Siemens, Dell, Google, Samsung. Der deutsche Mittelstand hingegen reagiert eher ungläubig auf diesen Weg, Patente zu nutzen. „Geht das überhaupt, ein Geschäftsmodell zu schützen?“, war auch die erste Reaktion von Dr. Jochen Stöbich, Gründer des Unternehmens Stöbich Brandschutz, einem mittelständischen Unternehmen mit über 360 Mitarbeitern aus Goslar.

Moderne IP-Strategien zielen nicht mehr nur auf die Hoffnung ab, Imitationen der eigenen technischen Lösungen zu unterdrücken. Sie sollen vielmehr die Differenzierungsvorteile gegen den Wettbewerb nachhaltig machen und damit die Rendite der Innovationsleistung verbessern. Folglich muss es bei einem Verbietungsrecht darum gehen, den Verbietungsanspruch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu optimieren. Das heißt, das Geschäftsmodell sagt, was man anderen verbieten möchte.

Dem Unternehmer Stöbich leuchtete das sofort ein. Wie dieser strategische Ansatz funktioniert, kann man nun beim Brandschutz für Lithium-Ionen-Akkus von Stöbich lernen.

Im Visier: Der wirtschaftliche Vorteil der Verbietungsrechte

Die Idee zum neuen Markt: Brennende Lithium-Ionen-Akkumulutoren in Elektrofahrzeugen oder Industriegebäuden brachten die Brandschutzexperten drauf, das Thema genauer zu untersuchen. Für dieses Problem wollten sie eine Lösung aus dem eigenen Unternehmen anbieten und damit ein ganzes Geschäftsfeld erschließen – mit möglichst patentgesichertem, exklusivem Kundennutzen.

Zunächst grenzten die Experten das Problem genauer ein: Trotz moderner Batteriemanagementsysteme, welche dabei helfen sollen, die kritischen Zustände von Zellen zu erkennen und gezielt Gegenmaßnahmen einzuleiten, kommt es immer wieder zum Havariefall, also dem thermischen Durchgehen der Zelle. Dies passiert zum Beispiel durch Fremdeinwirkung, Alterung oder Produktionsfehler.

Die Folge sind Zellbrände und Explosionen. Die übliche Vorgehensweise wäre es nun, technische Lösungen für Brandschutzsysteme zu entwickeln, um, beispielsweise im Falle einer Havarie einer einzelnen Zelle innerhalb eines Akkus, eine Kettenreaktion auf die anderen Zellen zu unterbinden. Wenn dann solche Lösungen vorliegen, würde man diese zum Patent anmelden, um Nachahmer von der eigenen Technologie fernzuhalten.

Mit der Gefahr, dass der Wettbewerb Umgehungslösungen entwickelt und einen ähnlichen Kundennutzen am Markt anbietet – schlimmstenfalls sogar günstiger. Somit würde das Geschäftsmodell empfindlich gestört, die angestrebte Innovationsrendite verhindert.

Aus solchen Erfahrungen klug geworden, ging Stöbich bei dem neuen Geschäftsansatz sehr viel marktorientierter und systematischer vor – gemeinsam mit den Strategieexperten von Wurzer und Kollegen, einem in München ansässigen Beratungs- und Serviceunternehmen im Bereich des geistigen Eigentums. Das Nachdenken über Patente begann also bereits mit den Überlegungen zum zukünftigen Geschäftsmodell, und nicht erst nach einer Erfindung.

Who is who

Stöbich Brandschutz / Wurzer und Kollegen

  • Stöbich Brandschutz wurde 1980 in Goslar als Garagenunternehmen von Dr. Jochen Stöbich gegründet. Inzwischen verfügt das Unternehmen über 14 nationale Standorte und 42 internationale Vertriebspartner und Niederlassungen und ist im Lexikon der Weltmarktführer aufgeführt.
  • Das Unternehmen hat zahlreiche Preise erhalten, unter anderem den Innovationspreis Architektur und Bauwesen sowie im Jahr 2011 den Feuertrutz-Preis.
  • Im Jahr 2014 belegte das Unternehmen den dritten Platz des von Fraunhofer IAO und Management Circle ausgelobten Wettbewerbs „IP-Management Award“, mit dem Unternehmen für leistungsstarke Schutzrechtsstrategien ausgezeichnet werden.
  • Wurzer und Kollegen, mit Sitz in München, zählt zu den führenden Beratungs- und Serviceunternehmen im Bereich strategisches Intellectual Property (IP) Management in Europa. Das Unternehmen hat mit Prof. Wurzer einen Vordenker der Wissensökonomie als Geschäftsführer, der unter anderem das Institut für Intellectual Property Management der Steinbeis-Hochschule Berlin leitet.
  • Die Berater helfen beispielsweise dabei, maßgeschneiderte Schutzrechtsstrategien für Innovationen zu entwickeln, oder die Schutzrechte an Geschäftsmodellen und Industriepositionen auszurichten.
  • Zu den Kunden zählen unter anderem Unternehmen wie Siemens und Festo.

Im ersten Schritt analysierten die Münchner Experten für geistiges Eigentum und die Goslarer Experten für Brandschutz den möglichen Kundennutzen der geplanten Produkte, potenzielle Wettbewerber und industrielle Wertschöpfungsstrukturen für den Zukunftsmarkt passiver Brandschutzsysteme. Basierend auf den langjährigen Erfahrungen im Brandschutz arbeiteten die Goslarer anschließend die kritischen Pfade aus, die technologische Lösungen für die Marktteilnehmer zugänglich machen könnten, so zum Beispiel die sichere Führung toxischer Gase, die bei einem Zellenbrand entstehen und die Ausfilterung heißer Partikel, um das weitere Entzündungsrisiko zu verhindern.

Solche technischen Nadelöhre, die den Zugang zum Geschäftsmodell Brandschutz für Batterien ermöglichen und die Grundlage für den Kundennutzen darstellen, grenzte das Team ein, beschrieb sie, und schließlich patentierte das Unternehmen Stöbich diese technischen Nadelöhre systematisch mit den möglichen erfinderischen Lösungen.

Dabei macht sich das Unternehmen den Effekt zunutze, dass Patente zuallererst Verbietungsrechte sind und daher die Frage im Raum stehen muss, welcher wirtschaftliche Vorteil aus der Verbietung für den Anmelder besteht. Diese Antwort kann aber weder die Technik noch das Patentrecht geben, sondern nur das Geschäftsmodell des Unternehmens. Daher war die Antwort für den Technologieführer Stöbich eindeutig: Ein möglichst umfassender Schutz des eigenen Zukunftsgeschäfts beim integrierten Brandschutz für Li-Ionen-Batterien, mit exklusivem Kundennutzen, hohen Margen und möglichst großen Markteintrittsbarrieren für Nachzügler. aru

Autor: Alexander Wurzer, Wurzer und Kollegen

ke NEXT hakt beim Unternehmer nach

Neun Fragen an Dr. Jochen Stöbich, Mitgeschäftsführer von Stöbich Brandschutz

Herr Stöbich, inwiefern hat sich das Vorgehen vom üblichen Vorgehen für Sie unterschieden?

Der große Unterschied lag darin, dass wir in ein völlig neues Geschäftsfeld eintauchen wollen. Wir haben uns dieser Methode bedient um herauszufinden, was eigentlich erfunden werden muss und was wir schützen müssen, um wir Exklusivität generieren zu können.

Normalerweise hat man eine Idee und lässt sich diese dann patentieren. Wo lagen denn Anlaufschwierigkeiten und Hürden bei dem neuen Vorgehen?

Die Schwierigkeit lag darin, dass wir ein sehr breites Feld recherchieren mussten und keine Experten in diesem neuen Geschäftsfeld sind. Teilweise lagen für uns auch branchenfremde Patentanmeldungen und Lösungen vor. Wir mussten diese Ergebnisse lesen und verstehen. Und das war ein gewisses Problem. So ein Patent ist ja nicht immer einfach zu lesen, weil es teilweise verklausuliert ist.

Inwieweit war das Unbekannte ein Problem?

Es gibt noch keinen klaren Markt, keine Vorschriften und keine Normen. Wir haben in Amerika die Messen besucht und vor einigen Wochen in Tokio ausgestellt, um zu klären, wie weit sie dort sind. Aber auch die Amerikaner und Japaner haben noch keine Lösung und schauen nach Deutschland, wie es hier geregelt ist. Alles ist sehr offen, und die Hersteller sagen natürlich: „Das ist sicher.“ Wir aber sehen die Gefahr: Wenn eine Lithium-Batterie im Auto mal abbrennt, kann ich aussteigen. Aber wenn ich einen Heimspeicher habe, die Batterie abfackelt und toxische Gase entstehen, ist das lebensgefährlich. Deshalb läuft bei uns parallel zu der Ausarbeitung auch die Normentätigkeit, weil wir Vorschriften, VDE-Regeln und dergleichen beeinflussen müssen.

Was ging denn überraschend leicht?

Verwunderlich ist, dass sich relativ wenige Leute mit dem Thema beschäftigen. Um das deutlich zu machen: Das Problem ist ja, und das ist vielen nicht bekannt, dass es auch bei Lithium-Ionen-Batterien trotz eines gutes Batteriemanagement-Systems durch den Alterungsprozess zu Entzündungen kommen kann. Darauf basiert unser Prinzip. Wir wollen sicherstellen, dass höchstens eine Zelle abbrennen kann, aber es nicht zu einer kaskadenförmigen Brandübertragung kommt. Dass also nicht 30, 40, 50 Zellen hintereinander abbrennen. Und zum anderen wollen wir sicherstellen, dass die toxischen Gase, die beim Brand entstehen, gefiltert werden, damit keine Gefährdung für Menschen erfolgen kann.

Ihr bisheriger Erfolg beweist ja, dass Sie den richtigen Riecher haben. Sie sich sicher, dass das neue Vorhaben etwas wird?

Wir haben in der Vergangenheit einen ganz guten Riecher gehabt. Wir sind der deutsche Weltmarktführer. Wir haben viele Weltneuheiten erfolgreich in den Markt bringen können. Erfolgreich, weil wir Geld damit verdienen. Aber sicher sind wir uns natürlich nicht. Wir sehen die Problematik mit der Sicherheit. Aber ob das jetzt der große Erfolg ist, hängt ganz davon ab, wie es gelingt, die Sicherheitsvorschriften zu platzieren. Wenn die Versicherungen oder Baubehörden das Aufstellen eines Speichers nur dann erlauben, wenn die Anlage so sicher ist, dass zwar eine einzelne Zelle hochgehen kann, aber keine Gefahr besteht, dass das Haus abbrennt oder dass die Menschen beschädigt werden, dann kann es ein großer Erfolg werden.

Wie lange hat es von der Idee bis zur Patenteinreichung gedauert?

Das hat ungefähr ein dreiviertel Jahr gedauert.

Das ging aber schnell.

Ja. Da sind wir schon immer zügig dran, weil wir in kurzen Zeiträumen unsere Meetings haben. Und weil wir auch gewisse Bedenken haben, dass andere nachkommen.

Welchen Tipp würden Sie aus Ihrer Erfahrung heraus anderen Unternehmen geben?

Wenn man in neue Bereiche hineingehen möchte, dann halten wir es einfach für zu kurz gesprungen, irgendetwas zu entwickeln und zum Patent anzumelden. Die systematische Vorgehensweise würden wir auf alle Fälle wiederholen.

Weil man sonst nicht weiß, ob dieses eine entwickelte Produkt ein Erfolg wird?

Man weiß nicht: Was tut sich links und rechts von einem? Welche Lösungen gibt es bereits, die vielleicht besser sind? Es hat wenig Zweck, irgendeine zweit- oder drittbeste Lösung zu patentieren, wenn es andere und bessere gibt.

Die Fragen stellte Angela Unger, Redaktion

 

ke NEXT hakt beim IP-Berater nach: Vier Fragen an Prof. Alexander Wurzer, Gründer und Mitgeschäftsführer von Wurzer und Kollegen

Prof. Dr. Alexander Wurzer

Prof. Dr. Alexander Wurzer studierte Physik, Mikro- und Molekularbiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und promovierte zum Dr. rer.nat. an der Fakultät Physik. Er berät Industrieunternehmen, Finanzdienstleister und Patentanwälte. Seine Schwerpunkte sind hierbei die Strategieentwicklung für das betriebliche IP-Management, dessen unternehmensweite Umsetzung und das wertorientierte Design von IP sowie die Bewertung von Schutzrechten.

 

Herr Professor Wurzer, geht das überhaupt – ein Geschäftsmodell zu schützen?
Wenn man ein Geschäftsmodell auf eine Idee reduzieren würde, dann geht es natürlich nicht. Ideen sind im Patentschutz nicht zugänglich. Wenn man sich aber klar macht, dass praktisch alle Geschäftsmodelle letztlich eine bestimmte Technik brauchen, um zu funktionieren, dann kommt man der Sache schon näher.

Genau genommen sind es immer technische Aspekte, die ein Geschäftsmodell überhaupt erst ermöglichen, selbst wenn es sich um eine Dienstleistung wie beim Internetversandhandel Amazon handelt. Im Hintergrund steht immer eine ermöglichende Technik, die dem Patentschutz zugänglich ist.

Man muss sich also die im Hintergrund wirkende Technik schützen lassen?
Wenn es einem gelingt, die maßgeblichen Stellgrößen, die technisch notwendig sind, um ein Geschäftsmodell umzusetzen, zu finden und patentieren zu lassen, dann hat man eine enorme Alleinstellung.

Konzerne machen das sehr systematisch. Bei der Firma Dell zum Beispiel sind die technologischen Aspekte des Geschäftsmodells, also wie die Bauteile für Computer vorkonfiguriert werden, patentiert. Daran kommt man nicht vorbei, wenn man Computer so konfigurieren will wie das Dell tut.

Selbst IBM musste Lizenzen erwerben. Je grundsätzlicher und umfassender man das schafft, desto schwieriger ist es für Wettbewerber, auch nur ähnliche Geschäftsmodelle zu betreiben.

Dazu muss ich aber sehr viel umfassender vorgehen als normalerweise, oder?
Der Dreh- und Angelpunkt ist, dass ich tatsächlich erst einmal über das Geschäftsmodell nachdenken muss und nicht sofort über Technik. Ich muss mir die Frage stellen: Was muss ich können, und was würde ein Wettbewerber tun, um ein solches Geschäft zu betreiben? Das ist eine völlig andere Frage als sich zunächst über ein konkretes technisches Problem Gedanken zu machen.

Aber für eine Patentanmeldung braucht man doch was technisch Konkretes, oder?
Ein konkretes Produkt hat viele Anforderungen, die für ein Patent irrelevant sind, und umgekehrt: Im Patent muss ich mit neuem erfinderischen Geist präzise beschreiben, wie man eine Aufgabe lösen kann. Der erfinderische Geist muss aber nicht die Eigenschaften oder Qualitäten eines Produktes haben.

Die Leistung, die das Haus Stöbich hier mit unserer Hilfe vollbracht hat, ist es zu abstrahieren zwischen dem Instrument des gewerblichen Rechtsschutzes mit dem umfassenden Verbietungsanspruch und der konkreten Technik, die ich brauche, um ein Produkt herzustellen. Das sind zwei unterschiedliche Denkwelten.

Die Fragen stellte Angela Unger, Redaktion

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