Sie haben das ganze Unternehmen für den Generationswechsel umstrukturiert?

Wir haben nahezu alles auf den Prüfstand gestellt – und wo es uns sinnvoll erschien auch größere Umstrukturierungen angestoßen. Eine zentrale Maßnahme bestand zum Beispiel darin, die Verantwortlichkeiten für die Produktion und den Vertrieb klar zu trennen. Die neue Organisationsstruktur wurde erst in Deutschland umgesetzt und anschließend auf alle internationalen Gesellschaften übertragen. Darüber hinaus haben wir in allen Bereichen und auf allen Ebenen klare Verantwortlichkeiten definiert und die erforderlichen Reporting-Tools für einen systematischen Wissenstransfer geschaffen.

Was sind die zentralen Erfolgsfaktoren für einen Know-how-Transfer?

Ein Unternehmen ist eine über die Jahre gewachsene Struktur mit ihren eigenen Gesetzen. Für einen Generationswechsel ist es wichtig, die oft extrem komplexen
Aufgaben und Zusammenhänge in handhabbare Portionen aufzuteilen. Dazu müssen die entsprechenden Prozesse analysiert und entflochten werden. Dann erst lassen sich Strukturen schaffen, mit denen das Wissen dokumentiert und transferiert wird.

Was hat sich durch die strategische Umstrukturierung verbessert?

Vieles ist einfacher, schneller und klarer geworden. Ein Beispiel: Wir wollten die Prozesse in der Supply-Chain standardisieren. Vor unserer Umstrukturierung war dies Aufgabe des Executive Boards. Dazu haben wir auf unternehmensinterne Experten zugegriffen – aber ohne, dass sie verantwortlich waren. Heute liegt die Zuständigkeit im Corporate Board. Jeder weiß, wer der Supply-Chain-Chef ist und kann ihn direkt kontaktieren. Und dieser kann die Aufgaben im Rahmen seiner Kompetenzen eigenverantwortlich umsetzen.

Bedeutet das unter dem Strich, dass weniger Hierarchie besser ist?

Nein, aber es zeigt die Vorteile von klaren Grenzen, innerhalb derer die Beteiligten mit mehr Handlungsspielraum agieren können. Grundsätzlich ist eine eindeutige Hierarchie für einen reibungslosen Generationswechsel sehr hilfreich. Pfannenberg ist mit drei Hierarchieebenen oberhalb der Einzelgesellschaften organisiert. Im Corporate Board bündeln wir alle Kompetenzen und Funktionalitäten, die für den Unternehmenserfolg relevant sind. Das Executive Board ist ihm übergeordnet und steuert das Unternehmen als operative Einheit. Und das Advisory Board, also der Beirat, steht ihm beratend zur Seite. Alle drei Ebenen arbeiten effektiv zusammen – und wurden in die Prozesse rund um den Generationswechsel mit eingebunden.

Welche Rolle spielt der Beirat beim Generationswechsel?

Die Funktion des Beirats ist viel wichtiger, als gemeinhin angenommen. Im besten Fall ist der Beirat mit Persönlichkeiten besetzt, die durch ihre Kompetenz und Erfahrung bei allen Beteiligten Gehör finden. In unserem Fall besteht der Beirat aus Familienmitgliedern und Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft. Bei einem Generationswechsel fungiert der Beirat dann als Ruhepol zwischen den Gesellschaftern und der Geschäftsleitung – und kann so auch bei heikleren Themen mit sachlicher Neutralität vermitteln.

Was sind die typischen Fehler, die bei einem Generationswechsel auftreten?

Oft ist der Chef oder Inhaber nicht bereit, Kompetenzen abzugeben und seinem Nachfolger Spielraum lassen – auch den Raum, eigene Fehler zu machen. Wenn er immer wieder in die neuen Prozesse hineindelegiert, wird der Wechsel sehr schwierig werden. Wird das Unternehmen irgendwann an ein jüngeres Familienmitglied übergeben, besteht zudem häufig die Gefahr, sich auf das eigen Fleisch und Blut mit denselben Genen zu verlassen. Aber egal wie gut der Nachfolger ausgebildet ist – ihm fehlen die Jahre an Erfahrung und das Know-how aus der innerbetrieblichen Praxis. Da hilft es, der nächsten Generation klare Strukturen zu hinterlassen. Alles andere wird sich rächen.

Welche Chancen sehen Sie in einem Generationswechsel?

Jede neue Führungskraft bringt einen anderen Erfahrungsschatz und seine ganz eigenen Perspektiven mit, aus anderen Branchen oder Märkten. Dieses Wissen ist ein wertvoller Schlüssel, um neue Geschäftsfelder und Potenziale zu erkennen. Damit das Neue eine Chance hat, muss das Unternehmen bereit sein, Veränderungen zu akzeptieren. So kann aus Alt und Neu etwas Kreatives entstehen. Diese Offenheit für die Vielseitigkeit, die gerne unter dem Begriff der Corporate Diversity zusammengefasst wird, ist bei Pfannenberg Teil der Unternehmensphilosophie – und spiegelt sich auch auf der Führungsebene wieder. Die Mitglieder unseres Corporate Boards stammen unter anderem aus Singapur, Amerika und Italien.

Was geben Sie Unternehmen, bei denen ein Generationswechsel ansteht, mit auf den Weg?

Ein Generationenwechsel ist im Grunde eine Art Unternehmenstriathlon, denn neben der personellen Umstrukturierung sind auch Änderungen in der Strategie des Unternehmens durchzuführen – und das alles neben dem täglichen Geschäft. Die Umstrukturierungen für einen Generationswechsel müssen daher langfristig und sorgfältig geplant werden. Besonders, da sie eben zusätzlich zum Tagesgeschäft anfallen. Aber der Aufwand lohnt sich doppelt. Die damit verbundenen Vorteile – klare Strukturen, klare Verantwortlichkeiten und ein leistungsfähiger Wissenstransfer – entfalten ihre Wirkung nicht erst, wenn der Generationswechsel ansteht. Und sie enden auch nicht dort. Sie machen ein Unternehmen flexibler und leistungsfähiger. Sie sind ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunftsfähigkeit.

 

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