Alles eine Frage der Ethik,

Alles eine Frage der Ethik, (Bild: lassedesignen - Fotolia)

Aktionäre oder andere Anteilseigner befürchten, dass allzu viel Ethik dem angestrebten wirtschaftlichen Erfolg entgegenstehen könnte. Wer ethisch handelt, so die Vermutung, muss teurer einkaufen, aufwendig zusätzliche demokratische Mitbestimmungsprozesse etablieren, die zu Lasten der Geschwindigkeit und Performance gehen könnten oder gar ganze Produktreihen aus dem Sortiment nehmen. Hinzu kommt die sicher berechtigte Sorge, dass die eigenen hohen Ansprüche an Ethik in der Praxis eben doch unterlaufen werden und dann beim kleinsten Fehler der Aufschrei der kritischen Öffentlichkeit und der Medien umso lauter wird. Wer Maßstäbe setzt, muss sich an ihnen messen lassen. Es gibt also viele Gründe, besser leise zu bleiben beim Thema Ethik.

Ja, wirklich ethisch zu wirtschaften und eine durchweg ethische Handlungsweise in einem Unternehmen zu etablieren, ist eine Herausforderung. Und ja, die gleiche moderne und ausgiebig konsumierende Öffentlichkeit, die immer lauter nach hohen Handlungsmaximen und Nachhaltigkeit ruft, schlägt hart zu, wenn ein Unternehmen sich auch nur den kleinsten Fehltritt leistet. Hundert gute Taten sind schnell vergessen, wenn eine vermeintlich schlechte erstmal im Strudel der medialen Aufmerksamkeit versinkt.

Aber nein, das darf Unternehmen nicht davon abhalten, sich um ethisches Handeln zu bemühen. Denn wer es nicht tut, wird ebenso abgestraft. Mitarbeiter und Kunden, beides knappe Ressourcen in einer globalisierten und maximal transparenten Welt, stellen eben die Anforderungen, die sie heute stellen. Und die Ansprüche steigen. Sich nicht über Ethik und Nachhaltigkeit Gedanken zu machen, ist keine Option. Ethik und verantwortliches Wirtschaften sind heute unabdingbar – wirken sich mittelfristig sogar positiv auf den Unternehmens- und Markenwert aus und sind die Voraussetzung beim Kampf um engagierte Mitarbeiter, Kunden und sogar bei Investoren.

Deutsche und Ethik.
Deutsche und Ethik. (Bild: ke-next.de)

Die Ethik-Frage

„Wie hältst Du es mit der Ethik?“, frei nach Goethe, wird zur Gretchenfrage. Dabei ist zunächst einmal zu definieren, was denn Ethik für ein Unternehmen bedeutet und welche Ansprüche das Unternehmen selbst an seine Ethik stellt. Kein Unternehmen ist per se unethisch. Es gibt keinen Widerspruch zwischen Erfolgsorientierung und Gewinnstreben auf der einen und gesellschaftlicher Vorbildfunktion auf der anderen Seite. Wirtschaften und Geld verdienen ist alles andere als unethisch. Etwas produzieren, veredeln und verkaufen sorgt für Arbeitsplätze, gesellschaftlichen, technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt, für Prosperität und neue Chancen, für Wohlstand und je nach Standort und Engagement auch für die Standortregion. Die Frage ist nur, wie man Geld verdient, wie ein Unternehmen wächst und wer dabei auf der Strecke bleibt.

Die sportliche Regel, dass der Bessere gewinnen möge, ist durchaus auch in wirtschaftlichen Fragen gesellschaftlich akzeptiert. Es fällt also schwer, Ethik zu definieren, erst recht dann, wenn daraus der Anspruch abgeleitet wird, in jedem einzelnen Produktionsschritt von der Ideenentwicklung bis zum fertig ausgelieferten Produkt zu 100 Prozent alles richtig machen zu wollen. Ein Unternehmen mit hunderten oder gar tausenden Mitarbeitern soll auf der einen Seite jedem Mitarbeiter, zumal jedem leitenden Mitarbeiter, viele Frei- und Gestaltungsspielräume lassen – so erwarten das die moderne Führungsethik und der Angestellte von heute – auf der anderen Seite sollen dann nur wenige haften, wenn beim Nutzen dieser Freiräume Fehlentscheidungen und Fehlentwicklungen eintreten. Erwartungen des Unternehmens, der Mitarbeiter und Kunden und die der interessierten Öffentlichkeit sind eben nicht immer logisch. Es ist schlicht ausgeschlossen, jede einzelne Facette unternehmerischer Tätigkeit vom Einkauf des allerersten Bauteils im In- oder Ausland bis zur CO2-neutralen Auslieferung just-in-time beim Kunden in allen Aspekten ethisch, oder besser nachhaltig zu sein.

Denn es gibt viele ethische Aspekte: den Umgang mit Mitarbeitern, den Umgang mit natürlichen, materiellen und finanziellen Ressourcen, standort- und regionalpolitische Entscheidungen, soziales Engagement und vieles mehr. Die Komplexität ist riesig und sie steigt exponentiell mit der Größe des handelnden Unternehmens und der Anzahl der notwendigen Entscheidungs- und Arbeitsschritte, die mit einem Produkt zusammenhängen.

Über den Autor

Jürgen Linsenmaier,
Jürgen Linsenmaier kennst sich mit Ethik aus. (Bild: Jürgen Linsenmaier)

Jürgen Linsenmaier ist Ethik- und Reputationsexperte, Marketingprofi, mehrfacher Buchautor, Vortragsredner, Unternehmer aus Leidenschaft und Gründer der Ethik Society, einem Zusammenschluss kleiner und großer Betriebe, die sich pragmatisch mit dem Thema Ethik beschäftigen und Best-Practices teilen. Seinen Erfahrungsschatz sammelte Jürgen Linsenmaier in seiner langjährigen Tätigkeit als Geschäftsführer und Vorstand eines Medienhauses. Durch seine Laufbahn als Manager und Unternehmer kennt er die Probleme, mit denen mittelständische Unternehmen tagtäglich zu tun haben. Jürgen Linsenmaier ist ein Mann aus der Praxis für die Praxis. In seinen Vorträgen begeistert er die Zuhörer mit seiner authentischen und praxisorientierten Art der Vermittlung gelebten Erfolgswissens. Sein Motto und Titel seines ersten Buches: „Ihr guter Ruf verkauft! Sonst nichts.“

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