Der Dekonbot 2 des Fraunhofer IPA reinigt mit Bürsten einen Lichtschalter

Ein kleiner Job für einen Roboter, ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Ausbreitung von Krankheiten: Der Dekonbot 2 des Fraunhofer IPA reinigt mit Bürsten einen Lichtschalter. (Bild: Fraunhofer IPA/ Rainer Bez)

Um Kliniken in Europa bei der Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie zu unterstützen, hat die EU-Kommission im vergangenen Jahr 200 Desinfektionsroboter angeschafft. Als Lieferanten wurde UVD Robots und der dänische Roboterhersteller Blue Ocean Robotics ausgewählt, die in Zusammenarbeit mit dem Universitätskrankenhaus Odense einen Desinfektionsroboter entwickelt, getestet und verifiziert haben. Dieser nutzt UVC-Strahlung, also UV-Licht im Spektralbereich zwischen 100 und 280 nm zur Desinfektion.

Als eines von 40 Krankenhäusern in Deutschland haben die Alb Fils Kliniken (AFK) in Göppingen erfolgreich an der EU-Ausschreibung teilgenommen und kostenlos einen der UVC-Roboter erhalten. „Der Roboter sieht im Betrieb durch seine blaue UVC-Strahlung wie ein fahrendes Solarium aus, er ist jedoch ein High-Tech-Produkt, das durch die UVC-Strahlung seine Umgebung in kurzer Zeit desinfiziert“, erklärt Markus Weger, Fachexperte für Krankenhaushygiene und Oberarzt am AFK.

 

Den UVD-Roboter im Einsatz zeigt das folgende Youtube-Video:

Roboter erwischt 99,99 Prozent der Bakterien und Mikroorganismen

Laut Blue Ocean Robotics ermöglichen die Roboter „die Übertragung von Krankheiten zu reduzieren, indem sie mehr als 99,99 Prozent der Bakterien und Mikroorganismen innerhalb von etwa 10 bis 12 Minuten in einem Patientenzimmer zerstören“. Im Gegensatz zu vielen stationären Desinfektionsrobotern handelt es sich um ein mobiles, vollständig autonomes System, das UVC-Licht integriert, um nicht nur Oberflächen, sondern auch die Luft von Viren und Bakterien zu befreien. „Damit ist der Roboter neben den üblichen Desinfektionsmaßnahmen ein weiterer Baustein bei der Bekämpfung übertragbarer Erreger“, so Weger.

Bei den Alb Fils Kliniken ist vorgesehen, den Roboter zusätzlich zur manuellen Schlussdesinfektion sowohl in Covid-Zimmern als auch in Zimmern mit Kontamination durch multiresistente Erreger einzusetzen – also dort, wo das höchste Infektionsrisiko besteht. Weger: „Die Reduktion der Keimbelastung dient der Patientensicherheit, schützt aber auch das Personal, was zu einer Erhöhung der Arbeitssicherheit führt“.

Während der Desinfektion bleibt der Roboter allein

In der Klinik fährt der Roboter von seiner Dockingstation aus vollautomatisch auf zuvor definierte und programmierte Räume zu. Die Türen müssen ihm noch aufgehalten und wieder geschlossen werden, denn während der Desinfektion darf sich aus Sicherheitsgründen keine Person im Raum aufhalten. Im Zimmer führt der Roboter selbstständig die Desinfektion durch. Strahlenschatten sollen ausgeglichen werden, indem einzelne Stellen im Raum aus mehreren Richtungen angesteuert werden.

Abschließend ist an einem angeschlossenen Steuerungstablet elektronisch auslesbar, wie viel Energie der Roboter tatsächlich in welchen Teilen des Raumes abgegeben hat und welche Stellen des Zimmers die Strahlen nicht erreicht haben. „Ohne einen wesentlichen zusätzlichen Zeitaufwand kann der Roboter mit seiner rückstandsfreien Desinfektion in den Ablauf der weiterhin unerlässlichen manuellen Scheuerwischtechnik der Reinigungskräfte integriert werden“, sagt Oberarzt Weger.

Auch am Rhön-Klinikum Campus Bad Neustadt wurden positive Erfahrungen mit dem UVC-Robot gesammelt, wie die kaufmännische Leiterin Annette Hartmann berichtet: „Wir sind sehr beeindruckt von der neuen Technologie“. Für Hartmann steht fest: „Der Desinfektionsroboter ist ein Add-on, das uns bei wiederkehrenden, standardisierten Desinfektionsabläufen unterstützt. Unsere Reinigungskräfte kann er aber nicht ersetzen, so viel ist sicher“. Die oft erforderliche Wischdesinfektion von Oberflächen, an technischer Ausstattung und Infrastruktur wie Lichtschaltern oder Aufzugknöpfen führe weiterhin das Reinigungspersonal aus.

Roboter für die Wischdesinfektion

Aber auch das könnte sich in relativ naher Zukunft verändern: Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA hat zum Jahresende 2021 den Prototyp seines Desinfektionsroboters DeKonBot 2 vorgestellt, der ab Anfang 2023 ausgeliefert werden soll.

Als mobile Basis des Systems wird der Scitos X3 des deutschen Herstellers MetraLabs mit einem kollaborativen Sechsachs-Knickarm-Roboter der Firma Universal Robots kombiniert, der mit einem Bürstensystem arbeitet. Softwareseitig ist die Erkennung der zu desinfizierenden Objekte eine Schlüsseltechnologie des DeKonBot 2, heißt es beim Fraunhofer IPA. Die Algorithmen müssen bei unterschiedlichen Umgebungsbedingungen wie beispielsweise variierenden Beleuchtungsverhältnissen, zuverlässig funktionieren. Dabei sind Türklinken, Türknäufe, Lichtschalter oder Aufzugknöpfe  in verschiedenen Formen und Ausprägungen zu erkennen und im Raum zu lokalisieren.

Maschinelles Lernen erkennt Türklinken und Lichtschalter

Das sollen maschinelle Lernverfahren ermöglichen: Sie erkennen die Objekte anhand von zweidimensionalen Farbbildern und klassifizieren sie in verschiedene Objekttypen, an die der Roboter seine Reinigungsbewegung anpasst. Um die exakte Position und Kontur des zu reinigenden Objekts zu ermitteln, wird ein neu entwickeltes Sensorsystem eingesetzt. Dieses basiert auf einem Zeilenlaserscanner, der auch spiegelnde Oberflächen zuverlässig und präzise erfassen soll.

Eine Praxiserprobung von DekonBot in einem Bürogebäude zeigt das folgende Youtube-Video:

„Das Ziel der Weiterentwicklung war es, einen kompakten, kostengünstigen und funktionalen Roboter zu gestalten“, erklärt Simon Baumgarten, Wissenschaftler am Fraunhofer IPA und verantwortlich für den Aufbau des Roboters. „Herausfordernd war zudem, das Reinigungswerkzeug flexibel, raumsparend und zugleich so zu gestalten, dass es unterschiedlichste Objekte effektiv desinfizieren kann.“

Mehrwert durch Kopplung an Gebäudedaten

Ein weitergehendes Projekt hat Fraunhofer Italia am Technologiepark NOI in Bozen in Form des Desinfektionsroboters BALTO im Einsatz.

Die Besonderheit dieses Desinfektionsroboters liegt nicht in der Fähigkeit des Desinfizierens an sich, sondern vor allem darin, dass er direkt mit dem Building Information Modeling, kurz BIM, vernetzt ist. In den BIM-Modellen sind nicht nur die Gebäude-Geometrien gespeichert, sondern auch alle grundlegenden Bauteil-Attribute wie Funktion oder Materialien. „Wir haben auf Basis des offenen Roboter-Operating-Systems ROS eine Schnittstelle geschaffen, über die der Roboter direkt mit BIM sprechen kann“, erläutert Dr.-Ing. Michael Riedl, stellvertretender Direktor des Fraunhofer Italia Innovation Engineering Center.

Auf diese Weise soll BALTO nicht nur erkennen, wo sich im Gebäude beispielsweise Türen befinden, sondern auch, welche Türen oft genutzt werden und aus welchem Material deren Türklinken sind. Entsprechend soll er sein Desinfektionsprogramm anpassen.

Das Prinzip von BALTO zeigt das folgende Video:

Sie möchten gerne weiterlesen?