Helmut Schmid,

Helmut Schmid, (Bild: Universal Robots)

Herr Schmid, inwieweit hat sich das Cobot-Geschäft in den letzten zehn Jahren verändert?

Vor zehn Jahren waren wir mehr oder weniger alleine unterwegs, hatten einen Roboter, den UR5 mit fünf Kilogramm Payload, und haben sogenannte Vorstandsprojekte betrieben, also Projekte, die man sich erst einmal anschauen musste. Mit dem Thema Sicherheit hat sich auch keiner ausgekannt. Heute haben wir eine komplette Roboterfamilie mit drei, fünf, zehn und sechszehn Kilogramm Payload und die Sicherheits-beurteilung ist bekannt. Die Anwendungsfälle in den KMUs sind breit geworden und wir haben mittlerweile eine Handvoll Wettbewerber. Was sich auch im Vergleich zu vor fünf, sechs Jahren ganz stark geändert hat, ist die Einstellung gegenüber Robotern.

„Wir verfolgen mit unseren Cobots einen Do-it-yourself-Ansatz für den Mittelstand.“

Helmut Schmid, Geschäftsführer von Universal Robots Deutschland

Inwiefern hat sich die Einstellung geändert?

Früher dachte man: Roboter vernichten Arbeitsplätze.  Heute werden die Rober positiv gesehen als Unterstützung für den Erhalt der Arbeitsplätze.

Sie gehen davon aus, dass künftig noch mehr Anwendungen für Cobots kommen?

Genau. Die Automobilbranche war bisher einer der Haupttreiber für Robotik. Durch die Elektromobilität findet dort natürlich eine Verschiebung statt, das heißt die Elektronikindustrie und Maschinenbeladung werden deutlich stärker. Der komplette Maschinenbau und insbesondere die Maschinenbeladung ist mittlerweile einer der häufigsten Anwendungsbereiche. Dann sind in den letzten Jahre E-Commerce, Logistik, Verpackung, Palettieren dazugekommen. Durch die Corona-Krise stellen die Branchen Pharma und Medizin, die noch wenig automatisiert sind, jetzt fest, dass sie etwas tun müssen, weil das Personal so viele Blut- und Virenproben nicht mehr bewältigen kann. Dasselbe gilt für die Lebensmittelindustrie: Es gibt ganz tolle Anwendungen von Robotern für Pizza- und Burger-Betriebe. Wenn Sie sich vorstellen, dass der Pizzabäcker einen Roboter hätte, der die Pizza aus dem Ofen nimmt, dann könnten viele Restaurants während des Lockdows noch am Laufen sein. 

Die e-Serie,
Die e-Serie von Universal Robots stellt den aktuellen Cobot-Technologiestandard dar. Die Reihe beinhaltet insgesamt vier Modelle (v.l.n.r.): UR3e, UR5e, UR16e, UR10e. (Bild: Universal Robots)

Wie sieht es denn bei den kleinen Unternehmen im Maschinenbau aus. Sehen Sie in diesem Bereich noch große Potenziale?

Unser Hauptgeschäft liegt selbstverständlich im industriellen Umfeld. Was Sie bei 90 Prozent aller kleinen Firmen sehen, ist: Dort stehen Mitarbeiter, die die produzierten Teile vom Band nehmen, verpacken und palettieren. Und genau hier sehen wir für den KMU den Ansatzpunkt. Denn der KMU, egal ob er in München oder im Schwarzwald sitzt, der leidet unter dem Thema Fachkräftemangel. Er ist in der Regel händeringend auf der Suche. Wir haben zum Beispiel bei der Firma Hensel einen UR10-Roboter im Einsatz, der palettiert in zwei Schichten. Das hat bisher ein Mitarbeiter gemacht. Der hat 2,5 Tonnen pro Schicht bewegt! Das ist weder schön noch gesund. Mitarbeiter mit solchen Aufgaben gibt es zu Tausenden! Diese Mitarbeiter kann man dank des Cobot-Einsatzes in andere Bereiche verlagern, für die man dringend Fachkräfte sucht.

UR16e,
Kraftpaket – der UR16e handhabt Objekte bis zu einem Gewicht von 16 Kilogramm. (Bild: Universal Robots)

Das heißt aber auch, dass sich die Maschinen- und Anlagenbauer viel mehr mit Robotik beschäftigen müssten, oder?

Ja, das müssen sie und das tun sie teilweise natürlich schon. Viele Firmen stehen heute vor dem Thema Kostendruck und Produktivitätserhöhung. Kostendruck kann bedeuten: Ich verlagere ins Ausland, nach China, Polen oder Tschechien, weil es angeblich günstiger ist. Die Roboterstunde in Polen, China oder München kostet aber dasselbe. Und wenn ich in einem Hochpreisland wie Baden-Württemberg oder Bayern den Roboter einsetze, dann habe ich die  Vorteile der Sprache und der kurzen Transportwege. Corona ist jetzt das beste Beispiel: Wie abhängig sind wir mittlerweile von den unterschiedlichsten Ländern! Ich denke, die Firmen werden sich zurückbesinnen und sagen: Eigentlich ist der Standort Deutschland gut, nur die Produktivität muss sich verbessern. Und das schafft man mithilfe der Robotik. Durch Corona wird die Automatisierung, gerade im KMU-Bereich, jetzt den nächsten Schritt gehen.

Was sind die häufigsten Fragen, der Maschinenbauer an Sie?

Die häufigsten Probleme sind erst mal ein Verstehen des Konzeptes und der Kosten. Anders herum: Wenn heute sich einer mit Robotik und Automatisierung nicht auskennt, der hat beim Stichwort Roboter als erstes im Kopf: Das kostet 250.000 Euro und ich brauche einen Roboterspezialisten. Die erste Überzeugungsarbeit ist also, dem Mittelstand beizubringen, dass er eine Lösung bekommt, für die er keinen Spezialisten mehr braucht, und die sich  innerhalb von sechs bis neun Monaten amortisiert. Der zweite Punkt ist, den einfachen Arbeitsplatz zu finden. Dabei helfen wir, insbesondere unser hervorragend aufgestelltes Integratoren- und Distributoren-Netzwerk. Dessen Mitarbeiter gehen in die Fertigung, identifizieren die schnell zu automasierenden Tätigkeiten mit dem schnellen Return of Invest und unterstützen bei der Zertifizierung und der Risikobeurteilung. Auch das ist wichtig. Nur weil der Roboter kollaborativ zertifiziert ist, kann ich ihn nicht einfach einbauen. Also die Kenntnis, wie zertifiziere ich das Produkt, wie mache ich die Risikobeurteilung, um im Bereich Mensch-Roboter-Kollaboration im sicheren Umfeld zu arbeiten, ist wichtig.

Vorreiterprojekt

Cobot hilft beim 24/7-Verkauf im Elektrofachgeschäft

  • Universal Robots hat gemeinsam mit dem Elektrohändler Conrad in Berlin ein Projekt umgesetzt, um einen Roboter-rund-um-die-Uhr-Verkauf zu testen. Ein zweiarmiger, humanoider Verkaufsroboter bedient in einem Showroom die Kunden. Zugang erhalten diese per EC- oder Kreditkarte. An einem Terminal wählen sie das gewünschte Produkt aus, bezahlen per Karte und können durch eine Glasscheibe zuschauen, wie der Roboter das Produkt greift und zur Verfügung stellt.

  • Während der aktuellen Corona-Pandemie bietet dieses Konzept den Vorteil, dass Kunden trotz eines Ladensschlusses benötigte Elektroprodukte kaufen
    können. Gleichzeitig sind die Mitarbeiter geschützt. Sie müssen lediglich die Regale für den Roboter wieder auffüllen.

  • Interessierte finden ein Video zum Cobot bei Conrad auf www.youtube com; dazu ins Suchfeld eingeben: „Roboter bedient 24/7 bei Elektrohändler Conrad“.
Endutec,
Endutec hat zum Beladen ihrer CNC-Fräsmaschine eigens eine Beladestation
entwickelt, mithilfe derer der Roboter die Maschine über Stunden hinweg automatisiert bestücken kann. (Bild: Universal Robots)

Kommen wir zu Ihren Soft- und Hardware-Kits. Sie möchten, dass es für die Anwender so einfach wie möglich ist. Wie genau funktionieren diese Kits?

Das Schöne bei den Kits ist, dass alles über das sogenannte Teachpanel gesteuert und programmiert werden soll. Darüber funktioniert die Zufuhr, die Steuerung und die Auslegung. Anwender müssen also nicht mehr die Kamera, den Greifer, den Schrauber separat bedienen oder programmieren.

Um wieviel schneller lassen sich Anwendungen mit Ihren UR+ Anwendungskits umsetzen?

Das hängt natürlich von der Komplexität der Anwendung ab. Um eine einfache Pick&Place-Tätigkeit aufzubauen und zu evaluieren, braucht ein Ingenieur bisher vielleicht zwei bis zweieinhalb Tage. Dafür könnteer den Palettierassistenten hernehmen. Dann spart er sich vermutlich zwei Tage Arbeit.

Kann jeder Konstrukteur mit Ihren Kits arbeiten?

Es kann im Prinzip jeder damit arbeiten, sowohl mit den Kits als auch mit allen UR+ Komponenten. Das ist genau die Philosophie, weshalb wir über eine Open-Source-Plattform arbeiten. Das heißt man kann sich bei uns kostenfrei in der UR-Akademie einloggen und sich kostenfrei die Seminare runterladen, um sich das anzuschauen. Wenn man als Konstrukteur entwickeln möchte, kann man sich kostenlos in unsere Entwicklerplattform einladen. Dort bekommt man einen sogenannten Software-Download-Kit, der von uns kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Dort werden im Prinzip alle Roboterschnittstellen zur Verfügung gestellt. Auch über die technische Service-Seite gibt es alle Fragen, Dokumentationen und technischen Zeichnungen. Wir sind da sehr offen und transparent, weil wir genau das den Konstrukteuren und Partnern erleichtern wollen und keine Hürden aufbauen wollen.

Sie haben gerade den UR16e auf Markt gebracht. Was ist an dem neu?

Die Zahl 16 steht für die Payload. Wir konnten bis dato mit dem UR10 zehn Kilo maximal heben und insbesondere im Bereich des Verpackens und Palettieren ist zehn Kilo eine Grenze. Und das ist einer der Hauptansatzpunkte: schwere Teile zu heben. Und auf der anderen Seite: Eine der häufigsten Tätigkeiten ist das Maschinenbeladen. Maschinenteile haben in der Regel sechs bis sieben Kilo. Mit dem UR16 können Sie jetzt gleichzeitig be- und entladen und erhöhen dadurch die Taktzeit. Da bin ich jetzt also doppelt so schnell.

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