Kollaboration,

Zu einer echten Kollaboration gehört natürlich, dass die Roboter einfach und direkt geteacht werden können, wie Tobias Daniel, Robotics Head of Sales & Marketing bei Comau, auf der Hannover Messe 2017 vorführte. (Bild: Comau)

Dass Menschen und Roboter zusammenarbeiten, war eigentlich schon immer der Plan. Selbst der Name „Roboter“ geht auf literarische Figuren der 1920er-Jahre zurück, künstliche Menschen, die mit dem Menschen kooperieren und kollaborieren. So gesehen könnte die lange Phase, in der real existierende (Industrie-)Roboter ob ihrer schieren Kraft und Schnelligkeit hinter Gitter verbannt wurden, eher als Übergangszeit zu sehen sein. Wenigstens scheint es so, wenn man sieht, mit welcher Vehemenz in den vergangenen Jahren unterschiedliche Konzepte zur Abschaffung des Schutzzauns in den Markt gebracht wurden. Für viele dieser Konzepte gilt, dass sie auf eher kleine Roboter setzen, sodass der potenzielle Schaden, sollte doch einmal etwas passieren, von vorneherein begrenzt ist.

Einen anderen Weg geht der italienische Roboterhersteller Comau. Seine Aura-Technologie vermag auch große Roboter so abzusichern, dass sie für die direkte Zusammenarbeit mit dem Menschen tauglich werden. Die Kombination von Sicherheitselementen ermöglicht es, dass Aura (Advanced Use Robotic Arm) trotz hoher Nutzlast sicher mit einer anwesenden Person interagieren kann.

Industrie 4.0 reloaded

Allen Unkenrufen zum Trotz, im Laufe der Jahre hat die Automatisierung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen beigetragen. Immer seltener müssen Menschen schwere, ermüdende und gefährliche Arbeiten erledigen. Sie nehmen eine übergeordnete Stellung im Prozess ein, während gleichzeitig ihre Effizienz und Produktivität sowie die Qualität des Endergebnisses gesteigert werden. Industrie 4.0 definiert die Rolle von automatisierten Maschinen und Menschen in einem gemeinschaftlichen Kontext neu. Nun soll der nächste Schritt kommen: Eine umfassende und direkte Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine soll eine ähnliche Performancesteigerung ermöglichen. Eine Zusammenarbeit, die sich weder darauf beschränkt, Robotern nur zuzuarbeiten, noch auf kleine, nutzlastbegrenzte Roboter in industriellen Anwendungen reduziert ist.

Aura-Hülle,
Die Aura-Hülle dient als Annäherungssensor, Berührungssensor und weiche Dämpfungsschicht gleichermaßen. Hier ist der Roboter auf der Hannover Messe 2017 zu sehen. (Bild: Comau)

Mit Aura hat Comau ein neues Produkt für die Roboterindustrie im Portfolio, das nun eine echte Zusammenarbeit zwischen großen Hochleistungsrobotern und Menschen realisiert. Es befindet sich derzeit noch im Industrialisierungsprozess und soll Ende des Jahres auf den Markt gebracht werden. Die Ausweitung der kollaborativen Robotik auf Maschinen mit hohen Nutzlasten bedeutet, dass sich für zahlreiche Industriesektoren die Möglichkeit eröffnet, in sämtlichen Prozessen sichere Anwendungen umzusetzen.

Wir Menschen sind das entscheidende Vorbild: Bei unseren Interaktionen nutzen wir mehrere Sinne gleichzeitig, vor allem Tast- und Sehsinn. Wir beobachten die Bewegungen anderer und bewegen uns mit ihnen durch den selben Raum. Die Wahrnehmung anderer durch Sehen und Berührung lenkt unsere Aktionen und Reaktionen. Wenn wir jemanden berühren wollen, kontaktieren oder drängen wir ihn in eine bestimmte Richtung, und das umso stärker, wenn unser Körper instinktiv auf etwas reagiert, beispielsweise, um einer Gefahr auszuweichen. Ein kollaborativer Roboter muss mit Menschen interagieren können und dazu genau diese Faktoren berücksichtigen.

Die Aura-Roboter sind mit Sensoren ausgerüstet, die sich unter einer schützenden Schaumstoffschicht befinden. Das Empfindlichkeitsmanagement ist ein Schlüsselmerkmal der Comau-Lösungen. Aura gelingt es, gleichzeitig sowohl die Nähe, die schiere Anwesenheit einer Person oder einer anderen Automatisierungskomponente, als auch deren Kontakt und Intensität wahrzunehmen. Durch die kombinierte Nutzung unterschiedlicher aktueller Technologien, bei der zum Beispiel Laserscanner die Positionen anwesender Personen ermitteln, kann die Bewegung des Roboters auf dynamische Weise bis zum Stillstand verlangsamt werden, wenn er in die unmittelbare Nähe einer Person gelangt oder sie tatsächlich berührt. Die weiche und sensible Außenhülle erkennt den Menschen dabei schon ein gutes Stück, bevor sie ihn berührt. Die Grundidee ist also die komplette Kollisionsvermeidung. Spätestens sobald Aura berührt wird, stoppt er die Bewegung vollständig und kann je nach den Erfordernissen des Bedieners reagieren, indem dieser seine Sensoren wie Bedientasten benutzt.

Erweiterte Kooperation

Mit Aura will Comau eine Reihe von Problemen bei aktuell bestehenden Lösungen beseitigen: Der kombinierte, integrierte Einsatz von Sensoren und Steuerungen sorgt dafür, dass sich die kollaborativen Roboter in jeder beliebigen Position, sogar über Kopf und ohne Vibrationsschutzvorkehrungen installieren lassen. Kompromisse hinsichtlich Design, Layout und Stellfläche müssen weitaus seltener eingegangen werden. Da die Aura-Ausrüstung theoretisch auf beliebig große Roboter aufgebracht werden kann, ist eine vollständige Kollaboration auch bei hohen Nutzlasten möglich. Ein weiterer Vorteil: Die bei den Aura-Robotern eingesetzte Technologie lässt sich auch auf die dazugehörige Ausrüstung übertragen. Greifer oder Werkzeug des Roboters lassen sich mit derselben Hülle absichern; ein spezieller kollaborativer Greifer von Comau mit einem am Roboterflansch angebrachten Kraft/Drehmoment-Sensor ermöglicht zudem dieselben Sicherheitsfunktionen wie sonst am Roboter.

Neue autonome mobile Plattform

Agile-Transportsystem,
So richtig rund wird die Arbeitswelt 4.0 erst in der Kombination verschiedener Disziplinen. Comau präsentierte in Hannover die Zusammenarbeit von Mensch, Aura-Roboter und Agile-Transportsystem. (Bild: Comau)

Eine passende Ergänzung für die intelligente Fabrik ist Comaus innovative AGV-Plattform (Automated Guided Vehicle), also ein fahrerloses Transportsystem. Agile1500 nennt sich das erste Modell innerhalb der neuen AGV-Plattform. Als modulares, skalierbares und vollständig rekonfigurierbares System kann Agile1500 bis zu 1500 kg mit einer Maximalgeschwindigkeit von 1,7 m/s transportieren. Mit diesen Eigenschaften kann das neue AGV nicht nur Kerntätigkeiten wie die Just-in-Time- und Just-in-Sequence-Produktion vereinfachen, sondern auch werksinterne Logistikabläufe optimieren sowie die Lagerverwaltung und die Produktionseffizienz insgesamt verbessern. Agile1500 kann so eine zentrale Rolle bei der Entwicklung neuer Betriebsplattformen auf Basis der Industrie 4.0 spielen. Dank aktueller Sicherheitsfunktionen und einem integrierten Laserscanner, der das AGV stoppt, sobald ein Hindernis in seinem Fahrweg auftaucht, ist eine einfache Integration in kooperative Anlagenkonzepte möglich.

Grundsätzlich ist Agile1500 ein Standardprodukt, das allerdings konfigurierbar ist. Zusätzlich kann es gemäß den Erfordernissen der jeweiligen Anwendung mit verschiedenem Zubehör ausgestattet werden, was die Leistungsfähigkeit noch erhöht. Diese Vielseitigkeit ermöglicht es, das Agile1500 an unterschiedlichste Produktionserfordernisse und Fabriklayouts anzupassen. Darüber hinaus ist es mit zahlreichen Navigationssystemen kompatibel, die sowohl natürliche Orientierungshilfen (Wände, Gegenstände usw.) als auch vorgegebene Punkte (Magnetpunkte oder Magnetbänder) verwenden. Bezüglich seiner Größe und Geschwindigkeit bietet das System eine sehr hohe Nutzlast. Es ist kompakt und kann platzsparend auf der Stelle wenden. Eine leistungsfähige System-Management-Software verarbeitet Transportaufträge, stellt Fahrzeuge bereit und überwacht die gesamte AGV-Flotte. Sie ermöglicht auch die problemlose Interaktion zwischen den eingesetzten AGV und anderen vorhandenen Automatisierungssystemen.

Mit dem Agile1500 AGV bringt Comau autonome Mobilität in die Fabrikhallen und ergänzt die Robotik – ein wichtiger Faktor für das Industrie-4.0-Paradigma. Dank dieser vollautomatisierten Logistiktechnologie kann Comau eine hochgradig individualisierte, hocheffiziente Produktion besser unterstützen und gleichzeitig die Produktivität und Profitabilität der gesamten Fertigungslinie des Kunden gewährleisten.

Fazit

Comaus Ansatz für eine kollaborative, digitale Fertigung ist flexibel, vernetzt sowie leicht zu verstehen und zu nutzen. Vor allem ist er aber durch eine sichere und synergetische Zusammenarbeit von Mensch und Roboter gekennzeichnet. Comau nennt das Humanufacturing: Industrieroboter stehen und arbeiten direkt neben Bedienern. Humanufacturing bedeutet aber auch, den Wert „Mensch“ in der Fertigungsindustrie zu stärken. Dass hierbei auch tragbare und mobile Mensch-Maschine-Schnittstellengeräte bis hin zur Smart Watch zum Einsatz kommen, ist eigentlich klar.

Sie möchten gerne weiterlesen?