Standardmäßig werden Wälzlager mit einem Fettfüllgrad von 25 bis 35 Prozent des freien Volumens im Lager ausgeliefert. Im Gelände reicht das jedoch kaum aus, um das Eindringen von Schmutz wirksam zu verhindern. Außerdem kann beim Reinigen der Mountainbikes Wasser in die Lager geraten, wenn deren Dichtungen beziehungsweise Deckscheiben durch den Hochdruckstrahl „eingedrückt“ werden. Zum Vergleich: Oft genug säubern die Biker ihre verschmutzten Maschinen mit mehr als 15 bar Wasserdruck. Allerdings dürfen gängige Standard-Dichtungen, wie sie normalerweise in Mountainbikes verbaut sind, lediglich maximalen Druckunterschieden von etwa ein Bar ausgesetzt werden. Die Folge: Wasser und weitere Fremdstoffe gelangen ins Innere, der Schmierstoff schützt die Stahloberflächen im Lager nicht ausreichend und es kommt zu chemischen Reaktionen. Rostnarben und Spaltkorrosion verursachen möglicherweise Schälungen und Risse, die im schlimmsten Fall sogar die Sicherheit des Fahrers gefährden.

Festes Öl gegen Lager-Verfall

Abhilfe soll hier eine Neuentwicklung von SKF schaffen: Solid Oil. Dabei werden die Lager mit einer in Öl getränkten Polymermatrix gefüllt, die den freien Raum im Lager vollständig ausfüllt und den Käfig sowie den Wälzkörper komplett umschließt. Diese Lösung ist für Fälle konzipiert, bei denen die Lagerstelle schwer zugänglich und eine Nachschmierung schwierig ist. Dazu kommen Anwendungen, bei denen die Lagerstelle aggressiven Reinigungsmitteln widerstehen muss, wie zum Beispiel in der Lebensmittelproduktion. Dort werden Anlagen aus Hygienegründen regelmäßig mit scharfen „Desinfektionsmitteln“ abgespritzt. Dabei schützt die Matrix gegen Reinigungsmittel, Verunreinigungen und damit letztlich vor Korrosion. Das Wälzlager wird durch das Einbringen von Solid Oil praktisch wartungsfrei, sodass ein Nachschmieren hinfällig ist.

Das System hat den Vorteil, dass das Öl stets an der Einsatzstelle bleibt; es tritt also nicht aus und verschmutzt seine Umgebung nicht. Im Lager wird deutlich mehr Schmierstoff deponiert als bei einer herkömmlichen Fettschmierung. Die Polymermatrix ist umweltverträglich und ermöglicht die gleiche Tragzahl wie Standardlager.

„Stresstest“ im Selbstversuch

Um die Eignung der Polymerfüllung für Sportgeräte zu testen, kam der passionierte Mountainbiker und SKF-Anwendungsingenieur Benjamin Michael auf die Idee, eine Art Selbstversuch durchzuführen. Gesagt, getan: Mit Unterstützung von Florian Fischer aus dem Schweinfurter Coffee + Bike Store stattete der Ingenieur einen Laufradsatz seines Bikes mit Solid-Oil-Lagern aus. Fischer und Michael hatten sich die Lagerung der Laufrad-Naben herausgepickt, weil diese ihrer eigenen Erfahrung nach den größten Schwachpunkt darstellt.

Es folgte ein knapp einjähriger „Stresstest“. Dafür absolvierte der Fahrer die „Tour de Torture“ mit dem neu getunten Bike, eine Veranstaltung, deren Rahmendaten so manchem Radler Respekt abverlangen dürften: 5500 Kilometer Laufleistung, darin über 90 Höhenkilometer, mit einem Gelände- und Schotteranteil von 87 Prozent bei einer gesamten Einsatzzeit von 228 Stunden; davon 31 Prozent bei Regen beziehungsweise Nässe, inklusive einer viermaligen, gründlichen Reinigung des Rades per Hochdruck.

Nach Abschluss der Testphase für Mensch und Maschine zeigte sich, dass die ölgetränkte Polymermatrix das Korrosionsrisiko sowie die Kondensatbildung minimiert. Außerdem bewährte sich die zusätzliche Abdichtung per RS1-Dichtscheiben als verstärkter Schutz gegen Wassereintritt und Rost. Weil Solid Oil aufgrund des relativ großen Ölreservoirs im Lager zwei- bis viermal mehr Grundöl als ein Lager mit herkömmlicher Fettschmierung enthält, konnte Michael während der gesamten Testphase komplett auf eine Nachschmierung verzichten. Seine anfänglichen Bedenken wegen einer womöglich erhöhten inneren Reibung hat der Test ausgeräumt: Die mit Polymer ausgestatteten Laufräder zeigten das gleiche Verhalten wie Standardlaufräder.

Fazit

Der Härtetest im Feld hat das Potenzial nachgewiesen, welches Lager mit Solid Oil für den Einsatz in Mountainbikes haben. Aus Sicht des Herstellers eignet sich die neue Lagergeneration für den Einsatz in Wälzlagern in Schwingen vollgefederter Räder, in Tretlagern und in Laufräder-Naben.

 

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