Reifen mit Löwenzahn-Kautschuk,
Der Conti Winterreifen mit Laufstreifen aus dem Löwenzahn-Kautschuk kommt in einigen Jahren auf die Straße. (Bild: Continental)

Während erdölfördernde Unternehmen dabei sind, die vorhandenen Erdölreserven mit von den Umweltschutzorganisationen scharf kritisierten Methoden, wie zum Beispiel dem Fracking, erschöpfend zu erschließen, erprobt der Reifenhersteller Continental heute schon Reifen mit einem hohen Rohstoffanteil aus der post-petrochemischen Welt. Beim Prototypenreifen Contiwintercontakt TS 850 P Taraxagum wird der Laufstreifen aus dem Löwenzahn-Kautschuk Taraxagum hergestellt. Der Werkstoff ist eine Alternative zum Gummi des Kautschukbaums. Erste Patente für den Löwenzahn-Kautschuk wurden schon 1905 erteilt. Das „Unkraut“ ist eine von weltweit gerade mal drei Pflanzen, die als Alternative zu der Milch des Gummibaums in Frage kommen.

Der weltweite Kautschukmarkt wird weiter wachsen, unter anderem getrieben durch die zunehmende Motorisierung in den Wachstumsmärkten Asiens. Heute wird Naturkautschuk vor allem in den klassischen Anbauländern Südostasiens, in Thailand, Malaysia und Indonesien gewonnen. Doch das dort vorhandene Flächenangebot ist begrenzt. Um die steigende Nachfrage zu stillen, müsste weiterer tropischer Regenwald zerstört werden. Deshalb arbeiten Unternehmen und Forschungsinstitute trotz des hohen Entwicklungsaufwands an den alternativen Lösungen. In drei bis fünf Jahren sollen die Löwenzahnreifen auf der Straße rollen.

Rizinuspflanze als Quelle für Bio-Thermoplaste

Marktentwicklung Bio-Polyamid,
Marktentwicklung Bio-Polyamid laut einer Studie von Grand View Research. (Bild: Winkler)

Eine interessante Werkstoffalternativ zu dem klassischen erdölbasiertem Polyamid ist das Vestamid Terra von Evonik. Bei diesem polymeren Werkstoff liefert die Rizinuspflanze den Rohstoff. Das Biopolyamid ist in seiner physikalischen und chemischen Beständigkeit erdölbasierten Hochleistungspolymeren ähnlich. Der Kunststoff Vestamid Terra DS16 natural hat die FDA –Zulassung und kann somit als Basispolymer für die Herstellung von Produkten eingesetzt werden, die für den Lebensmittelkontakt vorgesehen sind.

Die Nachfrage nach Biokunstsoffen steigt. Der globale Bio-Polyamid-Markt wird nach einer neuen Studie von Grand View Research bis zum Jahr 2022 auf 220,6 Millionen US-Dollar wachsen. Der Automobilbau und die Konsumgüterindustrie dürften die treibenden Märkte für den globalen Bio-Polyamid-Markt bleiben. Ein wichtiger Zukunftsmarkt für Bio-Kunststoffe kann der Spielzeugmarkt werden. Immer wieder werden Eltern von Horrormeldungen wie, „die Weichmacher in Plastikspielzeug gelten als krebserregend oder „in mehr als 80 Prozent der getesteten Kinderspielzeuge wurden Schadstoffe nachgewiesen“, aufgeschreckt und verunsichert. Die Unsicherheit könnte durch eine Materialumstellung auf Biowerkstoffe entschärft werden.

Der dänische Bauklötzchenproduzent Lego hat die Zeichen der Zeit offensichtlich verstanden und arbeitet daran, die ölbasierten Werkstoffe zu ersetzen. Am Hauptsitz der Lego Gruppe in Billund, Dänemark, entsteht das Lego nachhaltige Materialienzentrum. Der Baustart ist für 2017 geplant, die Eröffnung soll 2018 erfolgen.

Türinnenverkleidung aus Bioverbundwerkstoff

Naturfaserträger fürs Auto,
Beim 3er BMW besteht die Türverkleidung aus einem mit Kunststoff hinterspritzten Naturfaserträger. (Bild: Yanfeng Automotive Interiors)

Bei den Verbundwerkstoffen werden zwei oder mehrere Materialien miteinander verbunden. Die wichtigsten Gruppen sind naturfaserverstärkte Kunststoffe (NFK) und Holz-Polymerwerkstoffe, international Wood-Plastic-Composites WPC genannt.
Die Erfolgsgeschichte der NFK-Bauteile begann in den 1990er-Jahren in der Automobilindustrie. Inzwischen gibt es auch viele Anwendungen in anderen Branchen. Die ökonomischen und ökologischen Vorteile gegenüber der klassischen Faserbauweise sind  dafür ausschlaggebend.

Ein aktuelles Beispiel für ein Bauteil aus Naturfasern ist die Türverkleidung für Limousine und Touring des neuen BMW 3er. Für die nicht sichtbaren Elemente der Türverkleidungen werden nachwachsende und damit besonders umweltverträgliche Rohstoffe eingesetzt. Die Türverkleidung besteht aus einem Naturfaserträger, der direkt mit Kunststoff hinterspritzt wird. Dieses innovative Produktionsverfahren macht das Bauteil um 20 Prozent leichter als herkömmliche Komponenten.

Lignin: die Werkstoffbasis für Bio-Carbonfasern

Carbonfaser ist ein Zukunftswerkstoff. Mit ihr lässt sich Leichtbau erfolgreich umsetzen. Faserverbundbauteile sind etwa 30 Prozent leichter als Aluminium, dabei so hochfest wie Stahl. Paradebeispiel für die industrielle Umsetzung der Carbonfaser-Bauweise sind der Airbus A380 und der A350. Beim Airbus Langstreckenflugzeug machen Carbonfaserteile etwa 50 Prozent des Strukturgewichts aus. Auch BMW setzt bei seinen Elektrofahrzeugen auf den Superwerkstoff und erreicht so Traumgewichte für moderne PKWs. Aus Preisgründen verbietet sich der Einsatz der Carbonfaser bei niederpreisigen Anwendungen. Konventionelle Carbonfasern kostet 15 Euro und mehr pro Kilogramm. Aktuell gewinnt man Carbonfasern überwiegend aus dem fossilbasierten Polyacrylnitril (PAN) oder aus Pech. Eine interessante Alternative für die Zukunft könnte die Carbonfaser aus Lignin werden. Lignin fällt in großen Mengen als Nebenprodukt in der Zellstoff- und Papierindustrie an. Es ist aufgrund seiner Eigenschaftskombination – hochstabil und besonders leicht – sehr interessant für den Leichtbau.

Jährlich fallen bei der Papierherstellung weltweit rund 50 Millionen Tonnen Legnin an, das meist thermisch verwertet wird. Eine ligninbasierte Carbonfaser würde langfristig nur rund 4,50 Euro pro Kilogramm kosten, was bisher verschlossene Einsatzgebiete für die Faserbauweise öffnen würde.

Biokunststoffe sind heute kein Lückenbüßer mehr oder gar eine Beruhigungspille für Öko-Idealisten. Die vorgestellten Produktentwicklungen sind technisch ausgereift und den mineralölbasierten Kunststoffen ebenbürtig.  

Biokunststoffe waren schon einmal Massenkunststoffe, die industriell hergestellt wurden. Die Gebrüder Hyatt hatten schon im Jahr 1869 eine Fabrik zur Herstellung von Celluloid eröffnet, einem thermoplastischen Kunststoff auf der Basis von Cellulose. Der Werkstoff Galalith (aus Casein) wurde 1897 erfunden und ähnelt stark dem tierischen Horn oder Elfenbein. Man fertigte daraus viele Gebrauchsgegenstände, zum Beispiel Knöpfe, Gehäuse für Radios, Zigarettendosen, Spielzeuge, Griffe für Regenschirme in den verschiedensten Farben.

Im Jahr 1923 startete die Massenproduktion von Cellulosehydrat, ein Produkt, das unter den Markennamen „Cellophan“ auf den Markt kam und bis heute für Verpackungen oder für das Sichtfenster in Briefumschlägen genutzt wird. Die Herstellkosten für Zellglas waren im Vergleich zu den späteren Konkurrenten sehr hoch. Wegen seiner Wasserempfindlichkeit wird es mit Polyvinylidenchlorid beschichtet und ist damit nicht mehr biologisch abbaubar. 1907 entdeckte Leo Hendrik Baekeland das Bakelit. Damit begann der Aufstieg der erdölbasierten Kunststoffe und der Niedergang der Biokunststoffe.

Marktanteil nach Rohstoffbasis,
Naturkautschuk ist nach wie vor ein wichtiger Rohstoff für die Industrie. (Bild: Helmut Winkler)

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