Drapiergreifsystems mit Textilzuschnitt,

Der Demonstrator des Drapiergreifsystems kombiniert effizient die bisher getrennt ausgeführten Teilprozesse des Preformings und der Handhabung textiler Halbzeuge. (Bild: wbk Institut für Produktionstechnik)

Mit dem in einem geförderten Forschungsverbund aus Industrie und Wissenschaft entwickelten Forschungsdemonstrator eines Drapiergreifsystems werden zweidimensionale textile Halbzeuge aufgenommen und während des Transports zum Infiltrationswerkzeug dreidimensional verformt. Die Landesagentur für Leichtbau Baden-Württemberg präsentiert diese Innovation mit ihrem ThinKing im August. Die Leichtbau BW gibt mit diesem Label monatlich innovativen Produkten oder Dienstleistungen im Leichtbau aus Baden-Württemberg ein Forum.

Durch den neuen Ansatz lässt sich für Bauteile mit geometrisch geringer, dreidimensionaler Ausprägungen der Prozessschritt des Preformings vollständig in den nicht wertschöpfenden Handhabungsvorgang integrieren. Die beiden bisher getrennt ausgeführten Teilprozesse des Preformings und der Handhabung textiler Halbzeuge werden effizient kombiniert.

Preforming beeinflusst Qualität und Taktzeit

Aufbau Drapiergreifsystem,
Der pixelartige Aufbau ermöglicht die Konfiguration von Drapiergreifsystemen beliebiger Kontur und die Kombination mit Standardgreifelementen. (Bild: wbk Institut für Produktionstechnik)

Durch die intelligente Automatisierung des Preformingprozesses können die Taktzeit gesenkt und die Qualität der Bauteile gesteigert werden. Beides führt zu einer Verringerung der Bauteilkosten und begünstigt einen stärkeren FVK-Einsatz. Denn der Preformingprozess selbst beeinflusst maßgeblich Qualität und Taktzeit der Bauteilherstellung und trägt einen vergleichsweise großen Anteil an den finalen Bauteilkosten von knapp zwölf Prozent.

Die RTM-Wertschöpfungskette bietet grundsätzlich ein großes Potenzial zur Herstellung von FVK-Bauteilen in großer Stückzahl. Innerhalb dieses Herstellungsprozesses stellt das Preforming, also der Umformvorgang textiler Zuschnitte von einer 2D- in eine 3D-Faserstruktur, einen der kritischen Prozessschritte dieser Technologie dar. Die eigentliche Umformung wird in industriellen Prozessen bislang vorwiegend in manuellen Tätigkeiten ausgeführt.

Auch die Herstellung von Bauteilen mit ausgeprägter dreidimensionaler Kontur, welche ohnehin einen mehrstufigen Umformprozess benötigen, kann durch die Drapiergreif-Technologie vereinfacht werden. So ist es beispielsweise möglich, eine erste Umformstufe bereits während des Transports am Drapiergreifer auszuführen, der aus mehreren sogenannten Pixeln aufgebaut ist.

Jedes Greiferpixel bildet hierbei ein autarkes System, welches über einen Datenbus mit anderen Greiferpixeln verbunden werden kann. Der pixelartige Aufbau ermöglicht die Konfiguration von Drapiergreifsystemen beliebiger Kontur und die Kombination mit Standardgreifelementen.

Integrierten Sauggreifer

Jedes Greiferpixel des Drapiergreifsystems verfügt über einen integrierten Sauggreifer, mit welchem der handzuhabende Textilzuschnitt an der Saugfläche gehalten wird. Hierbei wird die Saugleistung jedes einzelnen Greiferpixels dezentral geregelt, um eine energieeffiziente und prozesssichere Handhabung zu erzielen. Dafür wurde in die Saugfläche eines Niederdruckflächensaugers (NFS) ein Kraftsensor zur Messung der Anpresskraft integriert – eine wbk-Eigenentwicklung.

Zur Messung der Anpresskraft FA zwischen Textilzuschnitt und Greifersaugfläche wird die resistive Eigenschaft von Kohlenstofffasertextilien ausgenutzt. Die dezentrale Regelung aller einzelnen NFS im Greifsystem hat auch einen großen Energieeinspareffekt zur Folge. Im Vergleich hierzu verbrauchen aktuelle Greifsysteme, die nach dem derzeitigen Stand der Technik arbeiten, 59 Prozent mehr. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die zur Erzeugung der Saugleistung erforderliche Druckluft als das teuerste Energieübertragungsmedium gilt, können durch die gesteigerte Energieeffizienz Betriebskosten eingespart werden.

Darüber hinaus lassen sich über die im Greifsystem integrierten Sensoren, diese bestehen im Wesentlichen aus jeweils zwei Metallelektroden, elektrische Ströme ins Kohlenstofffasertextil einleiten. Hierdurch werden die Textilzuschnitte flächig oder punktuell erwärmt und etwaige zur Fixierung genutzte thermo- oder duroplastische Binder aktiviert. Einzelne Halbzeuglagen lassen sich somit zu einem komplexen Preform fügen.

Metallische Lasteinteilungselemente

Greiferpixel des Drapiergreifsystems,
Jedes Greiferpixel des Drapiergreifsystems verfügt über einen integrierten Sauggreifer, dessen Leistung dezentral geregelt wird. (Bild: wbk Institut für Produktionstechnik)

Darüber hinaus lassen sich durch die implementierte Regelung Zusatzfunktionen wie beispielsweise das prozesssichere Vereinzeln textiler Halbzeuge vom Stapel und eine kontinuierliche Überwachung des Handhabungs- und Drapierprozesses realisieren. So kann durch die integrierte Sensorik zu jedem Zeitpunkt eine Verschiebung des Textilzuschnitts am Greifsystem erfasst und der Drapiervorgang zielgerichtet beeinflusst werden. Von Beginn an wurde das Drapiergreifsystem so konstruiert, dass mit diesem die Herstellung hybrider Bauteile möglich ist. Neben der Manipulation textiler Halbzeuge, können mit dem Greifsystem auch metallische Lasteinleitungselemente automatisiert in einen textilen Lagenaufbau eingesetzt werden.

Das Drapiergreifsystem wurde in einem Forschungsverbund aus Schunk und J. Schmalz auf Industrieseite und dem wbk Institut für Produktionstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelt. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) Baden-Württemberg hat das Verbundforschungsprojekt "Technologie-Entwicklungen entlang der RTM-Wertschöpfungskette zur wirtschaftlichen Herstellung hybrider Bauteile" - HyPro vom 01. Juni 2014 bis 31. Mai 2016 gefördert. Die an dem Drapiergreifer-Projekt beteiligten Industriepartner wollen die Entwicklung zur Marktreife weiter vorantreiben. hei

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