In der Waagerechten gehalten werden die 6 mal 20 Meter großen Plattformen über ein endloses Seilsystem. Dies gleicht bis zu einem gewissen Maß Schiefstellungen aus, die durch ungleichmäßige Belastungen, etwa durch randständig montierte Kulissen, bewirkt werden können. Als energiesparende und in der Wartung weniger kostenintensive Alternative wäre für die Hubpodien durchaus auch ein elektrischer Antrieb an Seilen über Umlenkrollen mit Gegengewichten denkbar. Aber aus Platzgründen ist dies in dem 1818 eröffneten Theater schwer zu realisieren. Und so steht im Keller des Opernhauses eine zentrale Druckstation von Bosch Rexroth. Für die Podien und die Personenversenkungen sowie sämtliche Aktuatoren stellt sie 150 bar Systemdruck zur Verfügung, außerdem ein Kolbenspeichervolumen von 400 Liter mit sofortiger Verfügbarkeit und eine Hydraulikpumpenleistung von 2.300 l/min. Bei Einsatz aller Podien fließen pro Sekunde rund 180 Liter Öl durch die Leitungen.

Für die Inszenierung der Beethoven-Oper Fidelio werden viele der Möglichkeiten, die die Bühnentechnik bietet, genutzt. So wird die Bühne von einem zehn Tonnen schweren Stahlgestell eingenommen, das abstrakt für ein in der Handlung vorkommendes Gefängnis steht. Mit einer Tiefe von gut zwei Meter können sich darin Sänger und Artisten bewegen, darin klettern und so neue Räume darstellen. Im Laufe der Vorstellung werden dann Bodenverrieglungen an der Vorderseite des Gestells gelöst, das ganze Gerüst über einen hinteren Drehpunkt gekippt, und mittels vier Hydraulikzylindern langsam und fast lautlos nach hinten umgelegt, sodass es zeitweise ein Labyrinth darstellen kann, um später zum Finale dann erneut wieder aufgerichtet zu werden.

Hierfür stellt die Bühnentechnik ein Sonderaggregat zur Verfügung, das ein Volumen von 2.000 Liter hat und mit einem eigenen Achsrechner versehen ist, welcher für die Positionierung und Überwachung der ihm zugeordneten Antriebsachse zuständig ist. Das Bühnenbild ist als Ganzes auf drei zusammengekoppelte Bühnenwägen montiert, von denen jeder wie die Podien 6 mal 20 Meter groß ist und satte 17 Tonnen wiegt. Von außen sehen sie mit ihrer schwarzen Verkleidung wie ein schlichtes, 30 Zentimeter hohes Podest aus. In dessen Innerem arbeitet eine von einer Siemens-SPS gesteuerte 48-Volt-Hydraulikanlage über Batteriesätze. Die Bühnenwägen werden mittels Unterflurketten mit einem asynchronen Elektrogetriebemotor mit 27 kW über einen Zahnstangenantrieb betrieben.

Der Wagen bewegt sich mit bis zu 80 cm/s auf Rädern, die sich je nach Bedarf auf Quer- und Längsfahrt umsetzen können, wobei der unterschiedliche Reibwiderstand die Regelung des Antriebs zu Höchstleistungen fordert. All diese Bewegungen und Funktionen kann der Maschinist von seinem Führerhaus per Funkfernsteuerung anwählen und dabei die zentrale Computersteuerung nutzen.

Im zweiten Akt der Oper gibt es dann ein Zwischenstück, in dem vier wagemutige Streicher des Orchesters samt Notenpulten und Instrumenten in drei Käfigen von der Decke des Schnürbodens aus herabgelassen werden – und dann in knapp sechs Meter Höhe, über allem schwebend, sehr eindringlich spielen und (dem antiken „deus ex machina“ gleich) die Szenerie beruhigen.

Nerven brauchen die Künstler nicht nur, wenn sie von oben herabschweben, sondern auch, wenn sie aus einer Personenversenkung von unter der Bühne heraufgefahren werden sollen. In jedem der drei Podien sind hierfür zwölf Personenversenkungen aneinandergereiht, die einzeln gesteuert werden können. Unter dem Podiumboden befindet sich ein Krantisch, der über eine Spannweite von 18 Meter freitragend aufgehängt ist und gegen Durchbiegen zwölf Zentimeter vorgespannt wurde.

Techniker verstehen sich als Dienstleister der Künstler

Steuerblöcke
Blick auf die Steuerblöcke im Untergeschoss.

Die jeweilige Personenversenkung kann mit einer Geschwindigkeit von 70 cm/s nach oben fahren, wobei die Klappen über demjenigen, der sich in dem Aufzug befindet, elektrohydraulisch weggefahren werden. Hierbei ist eine exakte Positioniermöglichkeit erforderlich, denn der 30 Tonnen schwere Krantisch wird unter den Podien parallel längs zur Bühnenkante bewegt und muss bis auf wenige Millimeter genau unter der Aufzugsöffnung zum Stehen kommen – was durch Wegmessung über Inkrementalgeber erreicht wird. Die Bewegung unter den Podien vor und zurück erzeugen dabei zwei elektrische Asynchronmotoren, den Hub von 4,3 m die Hydraulikanlage.

Bei diesem Vorgang zeigt sich plastisch, dass sich die Techniker des ganzen Teams als Dienstleister der Künstler verstehen und bei allen technischen Anwendungen versuchen, die innere Situation der Darsteller mit zu berücksichtigen. So ist der Kranwagen unter der Bühne auf seiner Vorderseite nicht optisch geschlossen, sondern mit Plexiglas verkleidet, damit die Techniker am Steuerpult Blickkontakt mit dem Künstler in seinem engen Aufzugbereich halten und vorher besprochene Handzeichen geben können.

Auch das ein oder andere beruhigende Wort wird da gesprochen, denn Künstler sind eben keine Techniker und haben ganz andere Dinge im Kopf. So mancher ist derart auf seine Rolle konzentriert, dass er Gefahr läuft, vor Konzentration und Anspannung eben nicht auf all die Details zu achten, die die Technik vorgibt. Kommt er aber oben an, ist er trotzdem sofort für das Publikum sichtbar, muss sich im grellen Scheinwerferlicht orientieren und sofort wissen, wohin der nächste Schritt zu setzen ist ohne völlig in Gedanken aus seinem Aufzug irgendwohin zu treten.

Deshalb sind die Arbeiten eines Maschinisten an einem Theater auch nicht zu vergleichen mit dem eines Ingenieurs in der Industrie. Der Bühnenbetrieb erfordert nicht nur menschliches Feingefühl, sondern auch eine lückenlose Ausfallsicherheit. Daher sind sämtliche Anlagen – von der Hydrauliksteuerung über die Seilsysteme bis zur zentralen Rechnereinheit – durchgehend redundant ausgelegt.

Extreme Verfügbarkeit ist besonders bei einem Aspekt geboten, der nach all diesen technischen Kraftleistungen als fast banal erscheint – bei den Vorhängen. Lässt sich der Schmuckvorhang nicht öffnen, kann keine Vorstellung stattfinden. Die beiden Vorhanghälften, von denen jede 400 Kilogramm auf die Waage bringt, werden von einem Elektromotor bewegt, wobei die Mechanik dabei beachtenswert ist. Dass der Faltenwurf auch beim seitlichen Aufziehen erhalten bleibt und der Vorhang nicht unelegant einfach flachgezogen wird, wird über einen Antrieb mit spezieller Seilführung erreicht. Die Seilwinde liegt dabei oben in der Führungsschiene an einer Scherenkonstruktion an.

Enormer Energieaufwand

Weniger schmuck, aber sicherheitstechnische Notwendigkeit, ist das Öffnen und Schließen des eisernen Vorhanges. Dieser zwölf Tonnen schwere Vorhang schließt den Bühnenraum gegen den Zuschauerraum im Falle eines Brandes innerhalb von 30 Sekunden luftdicht und verhindert so, dass ein Feuer übergreifen kann. Das Fehlen einer solchen Trennung hat in vielen Theatern, oft ausgehend von der Illumination mit Gas oder Kerzen, zu einem vollständigen Ausbrennen geführt.

Die Beleuchtung ist heute kaum mehr ein Sicherheitsrisiko, aber durchaus im Hinblick auf den Energieaufwand ein gewichtiger Punkt. Auf die entsprechende Frage meint Maschinist Thomas Stirn, man bekäme mit dem Strom für die Beleuchtungsanlage schon durchaus eine Kleinstadt durch den Winter. Das ist zwar wohl doch ein wenig zu hoch gegriffen, wenn auch sofort glaubhaft, denn das gesamte Haus ist am Tag einer Beleuchtungsprobe bis in die Büros im Verwaltungsteil des Opernhauses hinein so warm, dass man selbst im Oktober noch die Fenster im Büro des Technikchefs gerne offen hat. Obwohl man da drei Stockwerke und viele Gänge von der Bühne entfernt ist.

Dennoch liegt der Energieverbrauch der gesamten Bühnentechnik einschließlich Beleuchtung und allen Fahrten am Tag in etwa bei dem, was ein Einfamilienhaushalt im Jahr verbraucht. Da ist es gut, dass der Betrieb des Nationaltheaters nicht wie zu Kaiser Titus´ Zeiten das Kolosseum durch Kriegsbeute, sondern ganz zivil durch Eintrittsgelder und Zuschüssen von Fördervereinen getragen wird.

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