Evasive Maneuver Assist,

Mit dem teilautomatisierten Ausweichen per Evasive Maneuver Assist (kurz EMA) für Lkw kommt ZF der Vision Zero, das heißt dem Ziel des absolut unfallfreien Fahrens, erneut einen großen Schritt näher. (Bild: ZF)

Zwar fahren moderne Lkw dank zahlreicher Helfer heute schon auf hohem Sicherheitsniveau: EU-weit gelten beispielsweise für neu zugelassene Lkw eine elektronische Stabilitätskontrolle (Electronic Stability Control – ESC), automatische Notfallbremssysteme (Advanced Emergency Braking Systems – AEBS) und Spurhalteassistenten (Lane Departure Warning Systems – LDW) als Pflicht. Doch für ZF ist ebenso klar: Die intensivere Vernetzung und Automatisierung von Systemen und Funktionen – ebenso wie der Transfer von Pkw-Technologien auf Nutzfahrzeuge – bietet noch weit größere Sicherheitspotenziale, die es zum besseren Schutz sämtlicher Verkehrsteilnehmer möglichst schnell und effektiv zu realisieren gilt. Deshalb zündet der Technologiekonzern jetzt im ZF Innovation Truck 2016 die nächste Stufe aktiver Assistenzsysteme: Sowohl der Evasive Maneuver Assist (EMA) als auch der Highway Driving Assist (HDA) nutzen fortschrittliche Sensorik als „Augen“, gepaart mit der Intelligenz performanter Steuerungen und der Handlungsfähigkeit elektrifizierter Mechanik. Diese Helfer wirken somit Abstandsfehlern inklusive dichtem Auffahren und dem Abkommen von der Fahrbahn entgegen.

Ausweichen statt Aufprallen

Wenn Trucker Verkehrshindernisse im Allgemeinen oder Stauenden im Besonderen gar nicht oder zu spät registrieren, übernimmt bei Bedarf das einzigartige EMA-System das Steuer – das heißt auch die Kontrolle über die elektrohydraulische Reax-Servolenkung von ZF. Die Assistenzfunktion erkennt nämlich, ob das AEBS oder eine vom Fahrer ausgelöste Notbremsung ausreicht, um rechtzeitig vor Hindernissen stoppen zu können. Kann durch das Bremsmanöver ein Auffahrunfall nicht verhindert werden, zum Beispiel auf glatten Straßen oder bei plötzlich auftauchenden Hindernissen nach Kurven oder Kuppen, dirigiert der EMA – aktiviert durch einen Lenkimpuls des Fahrers nach links oder rechts – den Lkw mitsamt seinem Auflieger sogar aus Maximaltempo selbständig und sicher auf den gewünschten, freien Fahr- oder Pannenstreifen.

„Unsere Funktionsinnovation leistet zeitgleich das automatisierte Ausweichen, Bremsen und Stabilisieren – bei allen Geschwindigkeiten, jedem Beladungszustand des Sattelzugs und mit jeglichem Auflieger. Diese Funktion leistet einen Beitrag zur Verhinderung von Auffahrunfällen”, sagt Mitja Schulz, Senior Vice President & Leiter Lenksysteme für Nutzfahrzeuge bei ZF TRW. „Unserem übergeordneten Ziel, der Vision Zero, kommen wir damit einen großen Schritt näher.“ Bei plötzlichen manuellen Ausweichmanövern besteht schließlich immer das Risiko, dass der Fahrer beim Ausweichen entweder zu schwach lenkt und dadurch eine erst recht kritische Kollision mit Teilüberdeckung auslöst oder aber zu abrupt und stark einschlägt, was den Lkw ins Schleudern bringt, kippen lässt oder auf eine Nebenfahrbahn gerät und andere gefährdet – solchen Szenarien beugt EMA zuverlässig vor.

Assistenzfunktion EMA,
Stauende ohne Schrecken: EMA – eine von ZF mit Wabco realisierte Assistenzfunktion – lenkt Sattelzüge sicher an Gefahrenstellen vorbei und trägt dazu bei, Auffahrunfälle zu verhindern. (Bild: ZF)

EMA resultiert aus der Kombination führender Technologien von ZF und Wabco, einschließlich der elektrohydraulischen Servolenkung Reax und Wabcos elektronischem Bremssystem (EBS), Notbremsassistenten, elektronischer Stabilitätskontrolle (ESC) und fahrdynamischen Regelsystemen. Wann sich der in einem eigenen ADAS-Steuergerät verwirklichte EMA aktiviert, orientiert sich an der Regellogik von Wabcos automatischer OnGuardActive-Notfallbremse. Das System warnt den Fahrer in Stufe eins akustisch sowie optisch per Display vor; in Stufe zwei folgen haptische Signale in Verbindung mit einer moderaten Verzögerung von bis zu 3,5 m/s². Stufe drei bedeutet schließlich eine Vollbremsung an der Stabilitätsgrenze bis zum Stillstand.

Ein plötzliches „Verreißen“ des Volants interpretiert das Lenksystem bereits ab Stufe eins – also nach erfolgter Fahrerwarnung – als Befehl, den EMA zu starten (Trigger-Erkennung). Während des automatischen Steuerns berechnet die Funktionssoftware die optimale Ausweichbahnkurve laufend neu voraus und justiert den Lenkwinkel entsprechend. Die integrierte Überrollschutz-Funktion des EMA wurde für derart extreme Fahrsituationen angepasst. Umgesetzt ist diese über die Vernetzung mit dem ESC-System und der Querbeschleunigungssensorik im ZF Innovation Truck 2016. Überstimmen lässt sich der EMA übrigens jederzeit: Der Fahrer muss dazu während der autonomen Ausweichphase lediglich kurz selbst lenken, bremsen oder aufs Fahrpedal treten.

Wie auf Schienen

Geht es indessen ums Spurhalten, schützt der Highway Driving Assist in einem zweiten ZF Innovation Truck effektiv vor jenen oft sehr schwerwiegenden Konsequenzen, die Unachtsamkeiten, Ablenkungen oder Sekundenschlaf haben können: Das System warnt den Fahrer nämlich nicht nur vor einem unbeabsichtigten Verlassen der Bahn, sondern hält den Sattelzug dann auch selbständig und aktiv auf Kurs. Zugleich wahrt es über alle Tempobereiche automatisch den Sicherheitsabstand zum Vorausfahrenden, was in diesem Fall sogar Anhalten und Wiederanfahren miteinschließt. „Ursprünglich war diese Funktion, wie wir sie auf der IAA 2015 angekündigt haben, als elektronischer Assistent für Pkw bestimmt. Wir haben sie nun zugunsten höherer Sicherheit und der Fahrerentlastung auf schwere Lkw übertragen“, erläutert Schulz.

Ein Schlüssel dafür ist auch hier die intelligente Fusion von ZF-Sensoren: nämlich jener der S-CAM-Frontscheibenkamera zum präzisen Erfassen der Straßenmarkierungen mit dem Radarsensor AC1000 zur Abstandserkennung. Letzterer stellt bei niedrigen Geschwindigkeiten ein breiteres Sichtfeld zur Verfügung, während er bei zügiger Fahrt mit hoher Reichweite punktet. Weitere Vernetzungen komplettieren dieses System: Diese umfassen die Bremsen ebenso wie das automatische Getriebesystem TraXon Hybrid inklusive der vorausschauenden Schaltstrategie PreVision GPS und die Reax-Lenkung. Nicht zuletzt verfügt der HDA über eine von ZF eigens dafür entwickelte Steuerungselektronik mit einem besonderen, zusätzlichem Detail: „Fehlen die Markierungen auf einer Seite, rechnet das System diese zuverlässig virtuell hinzu“, führt Schulz aus. „Wir können den HDA schon in circa zwei Jahren in Serie bringen, das heißt, alle Verkehrsteilnehmer bereits sehr früh von den Sicherheitsgewinnen profitieren lassen. Bis dahin ist es außerdem absolut realistisch, dass er alle Voraussetzungen fürs Lkw-Platooning mitbringt.“ jl

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