Für einen Patienten fertigte der Spezialist FIT production ein Individualimplantat für das

Für einen Patienten fertigte der Spezialist FIT production ein Individualimplantat für das Hüftgelenk. Computertomographisch wurde ein präzises 3D-Modell des Beckens mit Knochendefekten erstellt, an dem die zu überbrückenden Fehlstellen und die verbleibenden Knochenstrukturen detailliert dargestellt werden. Daraus wurde das Implantat gefertigt. (Bild: FIT production)

Die Nachfrage beim 3D-Druck ist in den vergangenen Jahren eine rapid gestiegen – gerade im Bereich der Industrie und vor allem der medizinischen Implantate zeigen sich überraschende Synergien. FIT Production, ein Dienstleister im Bereich der Additiven Fertigung, hat sich auf medizinische Implantate aus Titan spezialisiert. Das Produkt hat vielen Vorteilen in der Humanmedizin.

Additive Fertigung ist eine innovative Produktionsmethode, die Objekte nicht auf konventionelle Art und Weise durch umformende und trennende oder fügende Verfahren erstellt, sondern sie werkzeuglos aus 3D-Daten schichtweise aufbaut. Die oft zeitaufwendige und teure Herstellung von Werkzeugen entfällt, sodass auch individualisierte Implantate innerhalb von nur drei bis vier Arbeitstagen hergestellt werden können.

Durch den Schichtbau sind hochkomplexe Geometrien in anatomischen Formen und mit organischen Leichtbaustrukturen realisierbar, die mit konventionellen Methoden nicht möglich sind. Daraus ergeben sich ganz spezifische Vorteile additiv gefertigter Implantate vor, während und nach der Operation: Für den Patienten verkürzt die schnelle Herstellbarkeit die Wartezeit bis zur Operation, die Beschaffenheit der Implantate senkt das Komplikationsrisiko während und nach der Operation und die Reha-Dauer wird verkürzt.

Implantate für große Knochendefekte

Implantate werden in der Regel zur Behandlung von großen Knochendefekten eingesetzt, die aufgrund eines Traumas, eines Infekts oder eines Tumors entstanden sind. Sie sind häufig mit einer massiven Funktionseinschränkung sowie mit Schmerzen für den Patienten verbunden. Die verbliebenen Strukturen sind häufig nicht belastbar, und der Patient daher bettlägrig. Muss der Patient lange auf sein Implantat warten, steigen mit der Dauer der stationären Liegezeit gesundheitliche Risiken wie der Abbau der noch vorhandenen Knochensubstanz und eine Verschlechterung der Gesamtkonstitution. Auch gravierende sekundäre Risiken wie Wundliegen und Druckgeschwüre (Dekubitus), Krankenhausinfektionen (nosokomiale Infektionen) und Lungenentzündungen sowie psychische Belastungen gefährden die Genesung des Patienten.

Daher ist die schnelle Verfügbarkeit ein entscheidendes Argument für additiv gefertigte Implantate. In der Regel dauert der komplette additive Herstellungsprozess wenige Tage, im Vergleich zu sechs bis acht Wochen bei der konventionellen Fertigung.

Werkstoff Titan

Beispiel für addtive Fertigung eines Implantates: Für einen Patienten fertigte FIT Production ein Individualimplantat für das Hüftgelenk. Computertomographisch wurde ein präzises 3D-Modell des Beckens mit Knochendefekten erstellt, an dem die zu überbrückenden Fehlstellen und die verbleibenden Knochenstrukturen detailliert dargestellt werden. Daraus wurde das Implantat gefertigt. (Bild: FIT production)

Für einen Patienten fertigte FIT Production ein Individualimplantat für das Hüftgelenk. Computertomographisch wurde ein präzises 3D-Modell des Beckens mit Knochendefekten erstellt, an dem die zu überbrückenden Fehlstellen und die verbleibenden Knochenstrukturen detailliert dargestellt werden. Daraus wurde das Implantat gefertigt. (Bild: FIT production)

Titan zeichnet sich durch gute mechanische Materialeigenschaften aus und verfügt über eine hohe Festigkeit bei einer relativ geringen Dichte, mit Zugfestigkeiten von 900 MPa und mehr. Als Material für Implantate empfiehlt es sich besonders, da es eine sehr gute Korrosionsbeständigkeit besitzt und keine immunologische Abstoßungsreaktion (Implantatallergie) hervorruft.

Hinzu kommt, dass die für den Schichtaufbau charakteristische, prozessbedingt raue Oberfläche der Titan-Implantate in Verbindung mit komplexen Mikrostrukturen eine hervorragende Grundlage für das stabile Einwachsen von Knochengewebe (Osseointegration) darstellt. Eine Lockerung des Implantats kann dadurch nahezu ausgeschlossen werden.

Das Einwachsverhalten additiv gefertigter Implantate ist von Anfang an so verlässlich wie bei den bewährten konventionell mit Plasmaspray nachzubearbeitenden Oberflächen. FIT Production liefert sowohl Individual- als auch Serienimplantate aus biokompatiblem Titan Grade 2 (Reintitan) und Titan Grade 5 (Ti6Al4V) im EBM-Verfahren (Electron Beam Melting).

Implantate herstellen

Heute sind schon zwei Herstellungsarten von Implantaten in der additiven Fertigung etabliert: Individuallösungen und Serienimplantate. „Ein typisches Beispiel für ein Individualimplantat ist der Fall eines Patienten, der dringend ein neues Hüftgelenk benötigte und bei dem eine Vorverlegung des Operationstermins erforderlich wurde. Über die additive Fertigung konnten wir die Zeitvorgabe von sechs Tagen ohne weiteres erfüllen“, beschreibt Alexander Bonke, CEO des Unternehmens. „Computertomographisch wurde ein präzises 3D-Modell des Beckens mit Knochendefekten erstellt, an dem die zu überbrückenden Fehlstellen und die verbleibenden Knochenstrukturen detailliert dargestellt wurden. Auf dieser Grundlage wurde, in engem Dialog mit der Klinik, ein patientenspezifisches Implantat konstruiert, das exakt auf die Gegebenheiten in Situ angepasst war.“

In Serie werden Wirbelsäulencages im 3D-Druck-Verfahren hergestellt. Diese künstlichen Wirbelkörper sorgen durch eine gewünschte Verknöcherung für die Stabilisierung der Wirbelsäule. Die Herstellung von 2000 Implanten erfolgt an nur drei Werktagen. Additiv gefertigte Implantate senken das Komplikationsrisiko während und nach der Operation und verkürzen die Reha-Dauer. (Bild: FIT production)

In Serie werden Wirbelsäulencages im 3D-Druck-Verfahren hergestellt. Diese künstlichen Wirbelkörper sorgen durch eine gewünschte Verknöcherung für die Stabilisierung der Wirbelsäule. Die Herstellung von 2000 Implanten erfolgt an nur drei Werktagen. Additiv gefertigte Implantate senken das Komplikationsrisiko während und nach der Operation und verkürzen die Reha-Dauer. (Bild: FIT production)

Bonke erklärt weiter, dass es Ziel war, viel intaktes Knochenmaterial zu bewahren, eine gute Primärstabilität zu gewährleisten und eine schnelle Belastbarkeit zu ermöglichen. „Die Operation selbst verlief komplikationslos, und der Patient konnte mit der Aussicht auf eine vollständige Genesung bereits nach kurzer Zeit in die Reha entlassen werden“, sagt der Geschäftsführer.

Für bestimmte Implantattypen ist aber auch eine Serienfertigung sinnvoll, da Implantate in größerer Losgröße und weitgehend unabhängig von ihrer Komplexität schnell und günstig hergestellt werden können. Wirbelsäulencages, das sind künstliche Platzhalter, die als Ersatz für das entfernte Bandscheibensegment zwischen benachbarten Wirbelkörper eingebracht werden, stellt das Unternehmen beispielsweise in Serie her.

Sie sorgen durch eine gewünschte Verknöcherung für die Stabilisierung der Wirbelsäule. Hier ist die Herstellung von 2000 Implantaten zugleich pro Baujob möglich, über mehrere Lagen, bei einer Laufzeit von etwa drei Tagen. Die produzierten Cages weisen eine hohe Komplexität auf. Unterschiedliche Größen sind in einem Produktionszyklus möglich.

„Neben dem deutschen Markt ist besonders die Nachfrage aus Skandinavien, USA, Australien, dem Mittleren Osten, China und Japan groß“, erklärt Bonke. Trotzdem stehe die additive Fertigung in der Medizinbranche noch am Anfang. Bonke dazu: „Gemessen am Gesamtbedarf nach Endoprothesen ist der Anteil additiv gefertigter Implantate aber noch verhältnismäßig gering. Dank der Pluspunkte wie schnelle Lieferbarkeit, guter Patientenverträglichkeit und der eher geringen Herstellungskosten substituieren additive Verfahren aber zunehmend konventionelle Methoden. Unser Ziel ist es, diesen Anteil in den kommenden Jahren deutlich auszubauen.“ hei

Autorin: Elisabeth Bauer, FIT Production

ke NEXT hakt nach

… drei Fragen an Alexander Bonke, CEO FIT production

Welche technischen Besonderheiten macht das Verfahren aus?

Alexander Bonke, CEO bei FIT production (Bild: FIT production).

Alexander Bonke, CEO bei FIT production (Bild: FIT production).

Für die Herstellung von medizinischen Implantaten muss je nach Auftrag die geeignetste Maschine ausgewählt werden. Kriterien dafür sind die Bauteileigenschaften, die der Anwendungszweck des Implantats definiert, etwa filigrane oder massiv-robuste Strukturen oder eine poröse Oberfläche. Auch Kennwerte zu Zugfestigkeit und Belastbarkeit sind sehr wichtig.

Was die Software angeht, ist die Lösung Netfabb – Software for 3D Printing aus unserem Haus für die Erstellung des 3D-Modells ideal. Mit ihr können organische Strukturen wie Knochengewebe nach dem Vorbild der Natur für den 3D-Druck nachgebildet werden. Auch die Kontaktflächen zwischen künstlichem Ersatz und verbliebener Knochensubstanz können wir mit netfabb fein aufeinander anpassen – für die optimale chirurgische Positionierung und das bestmögliche Einwachsen muss das (Individual-) Implantat schließlich ganz präzise in den Knochendefekt eingefügt werden.

Was müssen Ingenieure und Konstrukteure bei der Erstellung von 3D-Implantaten beachten?

Für Design und Konstruktion eines Implantats sind ein ausgezeichnetes anatomisches Know-how und der enge Dialog mit dem Chirurgen notwendig, beispielsweise bei der Modellierung der Kontaktflächen, die für die Stabilität der Kontaktstelle zwischen Individualimplantat und verbliebener Knochenumgebung entscheidend sind, oder bei der Verteilung von tragenden und porösen Strukturen. Für die Fertigung braucht es besondere Sorgfalt und die genaue Dokumentation der einzelnen Produktionsschritte nach EN ISO 13845.

Nach der Produktion führt der Ingenieur eine QS-Kontrolle hinsichtlich des Bauverlaufs durch. Sämtliche Checklisten während des Bauprozesses zur Sicherstellung des reibungslosen, schichtweisen Aufbaus werden überprüft. Für additiv gefertigte Implantate müssen mindestens die gleichen Eigenschaften und Spezifikationen wie bei konventioneller Herstellung erreicht werden, allerdings in bedeutend kürzerer Zeit. Oft ist es sogar so, dass wir bei der Auftragsausführung sehr flexibel sein müssen, um besonders dringende Implantate rechtzeitig zum Operationstermin fertigzustellen.

Welche Entwicklungen erwarten Sie in den nächsten zehn Jahren bezüglich des 3D-Drucks und der Medizintechnik?

Es zeichnet sich bereits heute ab, dass der Bereich der additiv gefertigten medizinischen Metall-Implantate stark wachsen und einen deutlich flächendeckenderen Einsatz finden wird. Ich kann mir auch vorstellen, dass bis in zehn Jahren schon erste technische Lösungen zur Implantation resorbierbarer Materialien existieren. Das sind Implantate, die völlig vom Organismus abgebaut werden.

Die Fragen stellte Felicitas Heimann, Redaktion

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