Serviceroboter in der Medizin,

Serviceroboter in der Medizin kommen heute vor allem schon in Japan vor. Hier ist die Bevölkerung überdurchschnittlich alt. (Bild: © kirill_makarov - Fotolia.com)

In Japan ist der demographische Wandel schon weit fortgeschritten. Die Geburtenrate ist mit 1,29 Kindern pro Japanerin eine der niedrigsten der Welt, die Lebenserwartung für Männer (79 Jahre) und Frauen (86 Jahre) hingegen eine der höchsten der Welt. Da ist es klar, dass die japanische Regierung sich was einfallen lassen musste, um die Alten und Kranken gut zu versorgen. Das Zauberwort: Pflegeroboter. Hier ist Japan Vorreiter, aber fährt bei Weitem nicht allein auf der Schiene. Denn Robotik für den Pflegebereich boomt. In dem Arbeitsumfeld fehlt Personal und es fällt oft schwere körperliche Arbeit an. So gehen das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifor und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC davon aus, dass bis zum Jahr 2030 etwa 400.000 Pflegekräfte in Kliniken und Heimen fehlen werden.

Roboter HSR,
Der Roboter HSR von Toyota soll das Pflegepersonal entlasten. Er ist teleskopartig aufgebaut. Per Display kommuniziert er mit den Patienten und bringt ihnen die gewünschten Gegenstände ans Krankenbett. (Bild: Toyota)

Der Robotermarkt wächst auch allgemein – besonders in Asien. Die Financial Times berichtete, dass 2015 weltweit 587 Millionen Dollar in Robotik flossen, doppelt so viel wie 2014. Mehr als zwei Drittel des Geldes werden in Asien, vor allem in Japan und China, aufgewendet. Für Roboter in der Pflege gibt es schon „viele Prototypen, aber wenige davon sind Anwendungen, die den Markt wirklich erobern können“, sagt Michael Decker vom Institut für Technikabschätzung und Systemanalyse in Karlsruhe. Unter den Prototypen finden sich etwa spezialisierte Serviceroboter, die Pflegekräfte unterstützen oder teilweise ersetzen könnten, sowie Roboter zur Unterhaltung oder Therapie. Sie werden ergänzt von Ambient-Assisted-Living-Konzepten: Das sind zum Beispiel Warnsysteme, für den Fall, dass die Wanne überläuft, oder Matratzen, die epileptische Anfälle erkennen können und Rettungskräfte alarmieren. Die Entwicklungen werfen viele ethische und philosophische Fragen auf. Philosoph Mark Coeckelbergh meint, zunächst sei zu diskutieren, was gute Pflege ausmacht. „Ich denke, wir wertschätzen Einfühlungsvermögen und zwischenmenschlichen Kontakt als Teil guter Pflege“, sagt Coeckelbergh. „Wenn wir also echte Pflegerinnen durch künstliche ersetzen, ist es problematisch.“

Trotzdem sind immer mehr Deutsche dazu bereit, sich in Zukunft vom Roboter pflegen zu lassen. Laut dem „ZukunftsMonitor“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hat ein Teil der Deutschen kaum Berührungsängste, wenn es um visionäre Medizintechnik geht. Rund 26 Prozent können sich vorstellen von Robotern gepflegt zu werden. Bei den jüngeren Befragten ist die Akzeptanz sogar noch größer: Jeder dritte Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren hätte nichts dagegen, in ferner Zukunft einmal von einer Maschine aus dem Bett in den Rollstuhl gehievt zu werden. Bei den über 70-jährigen ist es immerhin jeder Fünfte.

Emotionale Roboter

In verschiedenen Altenheimen wird schon seit Jahren die Roboter-Robbe Paro eingesetzt. Anfangs nur in Japan – nun vermehrt auch in Europa. Es ist ein sogenannter emotionaler Roboter. Mit 57 Zentimetern Länge und einem Gewicht von 2,7 Kilogramm ist Paro einer flauschigen Robbe nachempfunden. Ein handgenähtes Fell und große Augen mit langen Wimpern sollen es erleichtern, eine emotionale Beziehung zu dem Roboter herzustellen. Paro reagiert auch auf Berührungen. Dazu wurde unter dem Fell ein schwammartiger Drucksensor und Bewegungsmelder in den Nasenlöchern verbaut.

Birgit Graf, Leiterin des Bereichs Haushalts- und Assistenzrobotik am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, kennt die Vorteile von Paro: „Vor allem Menschen mit Demenz haben zu einem emotionalen Roboter einen anderen Zugang: Sie streicheln das Tier, reagieren auf Laute und Bewegungen, sind besser ansprechbar.“ Dabei betont sie, dass solche Roboter ein zusätzliches Instrument für das Pflegepersonal seien und gezielt für therapeutische Maßnahmen nützlich sind. Laut Graf sind Pflegeroboter daher nicht als Ersatz von Pflegepersonal zu sehen, sondern eher als Arbeitserleichterung und Unterstützung.

Die helfende Roboterhand

Der Care-O-bot,
Der Care-O-bot des Fraunhofer IPA ist ein Haushalts- und Assistenzroboter. Er soll Menschen im häuslichen Umfeld oder im medizinischen Bereich helfen. (Bild: Fraunhofer IPA)

In diesem Zusammenhang hat das Fraunhofer IPA auch den Care-O-bot entwickelt. Er ist kein Pflegeroboter, sondern ein Haushalts- und Assistenzroboter. Die inzwischen vierte Generation des mobilen Roboterassistenten soll Menschen im häuslichen Umfeld oder auch im medizinischen Bereich helfen. Das Innere des Care-O-bot ist aus Blechfaltkonstruktionen, die bereits bei geringen Stückzahlen kostengünstig zu fertigen sind. Agil wird er dank Kugelgelenken im Kopf- und Hüftbereich. Sie erhöhen den Arbeitsbereich des Roboters und ermöglichen eine 360-Grad-Drehung von Kopf und Torso.

Er kann mit einem, mit zwei oder auch ohne Arme ausgestattet werden. Geht es um das Servieren von Getränken, könnte man auch eine Hand durch ein Tablett ersetzen. Es ist sogar möglich, nur die mobile Basis als Servierwagen zu nutzen. Je nach Konfiguration lässt sich eine individuelle Roboterplattform für unterschiedlichste Anwendungen aufbauen: als mobiler Informationskiosk im Museum, Baumarkt oder Flughafen, für Hol- und Bringdienste in Heimen oder Büros, für Sicherheitsanwendungen oder als Museumsroboter zur Attraktion. Außerdem besitzt der Care-O-bot soziale Umgangsformen, die laut dem Fraunhofer IPA „unabdingbar für die Akzeptanz interaktiver Serviceroboter sind“. Er ist in der Lage, je nach Situation mehrere Stimmungen über sein im Kopf integriertes Display anzuzeigen.

Human Support Roboter,
Der Roboter HSR von Toyota soll das Pflegepersonal entlasten. Er ist teleskopartig aufgebaut. (Bild: Toyota)

Toyota versucht mit seinem Roboter HSR, Human Support Roboter, das Pflegepersonal zu entlasten. Eine seiner Hauptaufgaben ist es zum Beispiel, heruntergefallene Gegenstände wieder aufzuheben oder Gegenstände aktiv zu bringen. Der HSR ist teleskopartig aufgebaut, erreicht eine maximale Höhe von 135 Zentimeter und hat ein Gewicht von 37 Kilogramm. Da er mit Menschen eng in Kontakt kommt, setzte Toyota verstärkt auf die Sicherheit. Deswegen bewegt sich der Greifarm mit wenig Kraft und sehr langsam, um Kollisionen und Unfälle zu vermeiden. Hierzu wurden verschiedene Kameras verbaut, damit der HSR seine Umgebung erkennen kann. Über ein Display kommuniziert der Mensch mit dem Roboter: einfach per Touch oder Sprache.

Roboter wie Care-O-bot und HSR werden von alten Menschen schnell toleriert, weiß Graf vom Fraunhofer IPA: „Sie treffen da auf große Akzeptanz, wo sie den Alltag erleichtern und längere Selbständigkeit ermöglichen. Mithilfe von Robotern kann nach einem Sturz schnell Hilfe geholt werden.“

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