ELP-Anwendung,

Mit dem Schunk-Mechatronikprogramm können komplette Montageanlagen auf Basis der 24-V-Technologie realisiert werden. (Bild: Schunk)

Als Schunk 1986 den ersten servoelektrischen Greifer vorstellte, war das Unternehmen seiner Zeit weit voraus. Zu weit, kann man rückblickend sagen. Der Erfolg war damals bescheiden, in einer Zeit, in der es neben der Pneumatik sogar noch hydraulisches Greifen und Schwenken gab. Doch bei allen guten Ideen gilt: Wenn ihre Zeit kommt, sind sie unschlagber. Und im Gegensatz zu den Strategen bei Kodak, die ihre Erfindung der Digitalkamera so tief in Schubladen versteckt hatten, dass sie am Ende die Digitalisierung der Fotografie dramatisch verschliefen, hat Schunk in den vergangenen Jahren erneut ein mechatronisches Produktportfolio aufgebaut. Es folgt sogar einer eigenen Strategie: Mechatronik hoch drei.

Der Zeitpunkt ist gut. Wer sich auf der Hannover Messe im April umgesehen hat, konnte leicht erkennen, dass die Digitalisierung von Produktionsprozessen mitsamt der Mechatronisierung von Montage- und Handhabungssystemen absolut en vogue ist, Stichwort Industrie 4.0. Auch die Vorankündigungen für die Automatica Ende Juni belegen das. Schunk ist für den Trend jedenfalls gerüstet: Kunden können bereits aus über 300 mechatronischen Komponenten wählen. Aber was hat das mit Mechatronik3 zu tun?

Alternativ, adaptierbar, intelligent

ELP,
Aufgrund der Auto-Learn-Funktion ist für die Inbetriebnahme der kompakten ELP-Linearmodule keinerlei mechatronisches Know-how erforderlich. Antrieb und Regler sind vollständig in die Achsen integriert. (Bild: Schunk)

Hoch drei, hinter diesem Namen verbirgt sich ein Systembaukasten, dessen Produkte nach folgenden drei Merkmalen gegliedert sind: alternativ, adaptierbar und intelligent. Tatsache ist, dass in der Handhabungstechnik die Pneumatik derzeit noch weit vorn ist – was sich durchaus auch im Schunk-Portfolio zeigt: Den 300 mecha­tronischen Produkten stehen 4000 pneumatische gegenüber. Umso wichtiger ist es, zum einen die Hürden für den Einsatz elektrisch betriebener Komponenten zu senken und zugleich einen Zusatznutzen zu bieten. Genau das will Mechatronik3­ darstellen.

Eine der wichtigsten Säulen ist alternativ. Will heißen, die mechatronischen Komponenten sollen in der Lage sein, eine Pneumatik bei gleicher Leistung eins zu eins ersetzen zu können, und sie sollen genauso einfach zu installieren sein. „Das ist schon eine gewisse Herausforderung“, gibt Ralf Steinmann, Geschäftsbereichsleiter Greifsysteme bei Schunk zu bedenken. „Denn Pneumatik ist ja nur eine vermeintlich einfache Technik. Letztendlich muss die gesamte pneumatische Schaltung auch projektiert werden, müssen Schlauchquerschnitte und Leitungslängen auf die pneumatischen Aktuatoren ausgelegt sein. Die Ventile müssen elektrisch angeschlossen und in die Steuerung eingebunden sein. Aber natürlich, wenn wir nur den Aktor nehmen, dann müssen wir nur noch zwei Schlauchenden verbinden, damit sich etwas bewegt. Und mit diesem vermeintlich einfachen Bild muss die Mechatronik mithalten.“

Elektronikmontage,
In Kombination mit additiv gefertigten Greiferfingern lassen sich mit dem EGP auch komplexe Teile zuverlässig handhaben. (Bild: Schunk)

Entsprechend hat Schunk Wert auf eine reduzierte Komplexität gelegt. „Idealerweise hat der Kunde nur zwei Schnittstellen, eine mechanische und eine elektrische,“ führt Steinmann aus. „Dann noch zwei, drei Parameter setzen, und das Produkt kann arbeiten.“

Die zweite Säule sind adaptierbare Module. Hierzu Ralf Steinmann: „Eine Robotersteuerung kann heute ja bei Weitem mehr als nur sechs Achsen steuern. Daher wollten wir einen Systembaukasten definieren und Automatisierungskomponenten kinematisch so vorbereiten, dass sie über marktgängige Servomotoren angetrieben werden können.“ Konkret kann ein Systemintegrator eine Greifkinematik von Schunk an einen Roboter von zum Beispiel ABB, Fanuc oder Kuka anbringen und auch direkt an einen ABB-, Fanuc- oder Kuka-Motor anschließen. Damit ist dann gleich die komplette Integration in die jeweilige Steuerung mit erledigt.

Universell elektrisch greifen

Die dritte Säule schließlich bilden intelligente Module, bei denen Motor und Steuerungstechnik integriert sind. „Das ist ein Ansatz, den wir historisch schon immer verfolgt haben“, erklärt Steinmann, „und weil die Komplexität eine höhere ist, können wir den Kunden auch mit entsprechenden Serviceleistungen unterstützen.“ Das ist Mechatronik3, und es gibt aktuelle Beispiele.

ELP-Innenansicht,
Die Ein- und Ausfahrgeschwindigkeit des Linearmoduls ELP lässt sich über zwei Drehschalter regulieren. Eine LED-Anzeige signalisiert den Status des Einlernvorgangs. Da in dem Modul keine hydraulischen Stoßdämpfer verbaut sind, verringert sich der Wartungsaufwand deutlich. (Bild: Schunk)

Für den pneumatischen Universalgreifer PGN-plus etwa bietet Schunk eine elektrische Alternative an. PGN-plus-Elektrisch nennt sich das mechatronische Pendant, das zunächst in der Baugröße 80 erhältlich ist. Es verfügt wie die Pneumatikversion über eine Vielzahnführung zur Aufnahme hoher Momente, was auch längere Finger ermöglicht. Eine Dauerschmierung über durchgängige Schmierstofftaschen in der Führung bewirkt gerade bei kurzen Hüben eine schnelle und gleichmäßige Schmierstoffverteilung, sodass der Greifer annähernd wartungsfrei ist.

Angetrieben wird der mechatronische Universalgreifer von einem bürstenlosen DC-Servomotor. Um den Wechsel von pneumatischen auf elektrische Komponenten leicht zu machen, verfügt der PGN-plus-Elektrisch über das identische Anschraubbild wie sein pneumatisches Pendant, zum anderen wird der 24-Volt-Greifer einfach über digitale I/O angesteuert. Über einen weiteren M8-Standardanschluss können außerdem bis zu zwei Greifpositionen abgefragt werden. Die Greifkraft lässt sich in vier Stufen einstellen, die erforderliche Regelungs- und Leistungselektronik ist vollständig in das kompakte Modul integriert. Für die Inbetriebnahme sind weder fundiertes mechatronisches Know-how noch eine zusätzliche Programmierung nötig.

Selbstlernende Achsen zur Unterstützung

Da Greifen alleine einen in der Automatisierung nicht weiterbringt, und ein ganzer Roboter manchmal doch zu viel des Guten ist, stellt Schunk dem Mechatronk-Greifer noch ein neues Linearmodul namens ELP zur Seite. Der Clou hierbei: Die kompakten Linearachsen mit wartungsarmem 24-Volt-Lineardirektantrieb können ihr Bewegungsprofil vollautomatisch an das jeweilige Teilegewichte anpassen. Um das Linearmodul einzusetzen sind weder mechatronisches Know-how noch Platz im Schaltschrank erforderlich.

Antrieb, Steuerung und die speziell entwickelte Auto-Learn-Technologie sind vollständig in das Modul integriert. Die Inbetriebnahme ist mit wenigen Arbeitsschritten erledigt: Die Achse wird über Norm-Stecker (M8/M12) angeschlossen, die Endlage mechanisch mit einem Sechskantschlüssel eingestellt und die Ein- beziehungsweise Ausfahrgeschwindigkeit an zwei Drehcodierschaltern unmittelbar am Modul reguliert. Nach zwei bis fünf Hüben ist die automatische Programmierung abgeschlossen, was über eine LED angezeigt wird. Ändert sich das Teilegewicht im laufenden Prozess, passt die Achse ihr Bewegungsprofil innerhalb weniger Hübe automatisch an. Es müssen weder wie bei pneumatisch gesteuerten Modulen Drosseln eingestellt noch wie bei elektrisch gesteuerten Modulen neue Verfahrsätze aufgespielt werden.

Montageanlagen mit 24V-Technologie,
Mithilfe der ELP-Linearmodule lassen sich erstmals komplette Montageanlagen mit 24V-Technologie aufbauen. Ändert sich das Teilegewicht, passt die Linearachse ihr Bewegungsprofil innerhalb von nur zwei bis fünf Hüben vollautomatisch an. (Bild: Schunk)

Die Achse gehört durch die einfache Anschlusstechnik und die kompakte Bauweise zum Einen ganz klar in das Portfolio der alternativen Mechatronikkomponenten, mit denen pneumatische Komponenten eins zu eins ersetzt werden können. Zum anderen zeigt es aber auch die Vorteile, die die elektrische Bauweise zusätzlich mit sich bringt – und die den vorhandenen Mehrpreis klar rechtfertigen: Da die kompakten Einheiten ohne hydraulische Stoßdämpfer auskommen, verringern sich Inbetriebnahme- und Wartungsaufwand, Ausfälle durch defekte Dämpfer fallen ganz weg. Lange Lebensdauer, geringe Betriebskosten, reduzierte Geräuschemissionen und eine hohe Prozessstabilität sind ebenfalls auf der Habenseite zu verbuchen. Integrierte C-Nuten ermöglichen eine Abfrage der Hubposition über Magnetschalter. Ihre Wiederholgenauigkeit beträgt 0,01 mm, der maximale Nutzhub 200 mm. Die Linearachsen sind ab Juli 2016 in den drei Baugrößen 25, 50 und 100 mit jeweils drei Hubvarianten erhältlich. Wer schon immer einmal mechatronische Handhabungssysteme ausprobieren wollte, hat jetzt die Chance. Sogar hoch drei.

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