Mit dem Einsatz von Hochtechnologie ist der Schiffbau in Deutschland zukunftsfähig. Das zeigt beispielhaft die Meyer Werft in Papenburg. Eine konsequente Serienfertigung im Stahlbau mit definierten Planungs- und Fertigungsprozessen sowie der Einsatz neuester Laser- und Automatisierungstechniken machen die Werft zu einem Vorzeigebetrieb. Für die Energie- und Medienversorgung eines gigantischen Kransystems mit insgesamt acht Kranbrücken kommen moderne Energiezuführungen aus Kunststoff von Igus zum Einsatz.

Knapp 361 Meter lang, 45 Meter breit und 20 Meter hoch ist die Halle 10 der Meyer Werft in Papenburg. Hier werden überwiegend im Dreischichtbetrieb an sechs Tagen pro Woche Deckspaneele gefertigt. Dabei handelt es sich um Blechtafeln mit den Abmaßen 25 Meter breit und 30 Meter lang. Sie werden aus mehreren verschiedenen Blechpartien zu einer großen zusammengefügt und automatisch mit Versteifungsprofilen versehen. Danach erfolgt das manuelle Aufschweißen von Wänden und anderen Bauteilen. Das sind dann sogenannte Hotelsektionen, die in Blockbauweise zum eigentlichen Schiffskörper zusammengesetzt werden. „Dabei müssen wir natürlich sehr genau fertigen“, erklärt der Schweißfachingenieur Dirk Wobken. Er ist unter anderem für die Stahlvorfertigung im Meyer Werft Laserzentrum verantwortlich. „Unseren Bereich nennt man hier deshalb auch umgangssprachlich die Genaufertigung.“ Eine Sektion wiegt dabei je nach Aufwand der späteren Ausstattung zwischen 80 und 130 Tonnen. Mit dem Stahlbau fängt der eigentliche Bau des Schiffes an. „Manchmal arbeiten wir auch an mehreren Kreuzfahrtschiffen gleichzeitig“, berichtet Wobken. Dann sind zwischen 200 und 300 Mitarbeiter permanent vor Ort tätig.

Vom Luxusliner zum Gastanker

Auf der Kompaktwerft in Papenburg, 48 Seemeilen von der Nordsee entfernt, werden Luxusliner, Kreuzfahrtschiffe der gehobenen Klasse sowie Disney-Kreuzfahrtschiffe gebaut, aber auch Fährschiffe, Gastanker oder Tiertransporter. Der Fokus liegt allerdings auf dem Bau anspruchsvoller Kreuzfahrtschiffe. Das Qualitätssiegel Made in Germany ist im Schiffbau sehr gefragt, weiß Wobken. Aus diesem Grund haben etablierte nationale und internationale Reedereien schon etliche Ozeanriesen in Auftrag gegeben, so auch die deutsche Reederei Aida Cruises. An sie wurde auch der Bau des Flaggschiffs „Aidablu“ übergeben.

Die Daten sind eindrucksvoll: An der Fertigstellung des 252 Meter langen und 32,2 Meter breiten Schiffes waren insgesamt 8000 Menschen beteiligt. 20.100 Tonnen Stahl wurden verarbeitet, 1700 Kilometer Kabel verlegt, 200 Tonnen Farbe aufgebracht und 27. 500 Quadratmeter Teppichboden verlegt. Insgesamt bietet das Kreuzfahrtschiff über 1087 Kabinen, davon 728 Außenkabinen mit Fenster oder Balkon.

Kompakte Energieversorgung

In Halle 10 kommt in der Vorfertigung der Hotelsektionen ein gigantisches Kransystem auf einem Längenbereich von 200 Meter zum Einsatz. Dieses besteht aus acht in Reihe geschalteten Einzelkranen, die jeder für sich einen Teilbereich der Längsfahrt von 75 Metern abfährt. Die Verfahrwege überschneiden sich, sodass auch mehrere Krane in einem bestimmten Teilbereich zur Verfügung stehen.

Bei den acht Einzelkranen handelt es sich um maßgeschneiderte Einträgerbrückenkrane, die quer zur Halle stehen. Über eine Spannweite von 40 Metern ist jede Kranbrücke mit sechs Schwenkarmen ausgestattet. „Mit diesen Schwenkarmen stellen wir an den manuellen Arbeitsplätzen die Schweißtechnik zur Verfügung“, sagt Wobken. Ausgelegt und gebaut von der Siempelkamp Krantechnik sorgen diese Arbeitsportale für hohe Flexibilität und Verfügbarkeit.

Kreuzfahrtschiff „Aidablu“

Auf der Meyer Werft in Papenburg wurde unter anderem das Kreuzfahrtschiff „Aidablu“ gebaut: 8000 Menschen waren daran beteiligt, 20.100 Tonnen Stahl wurden verarbeitet und 1700 Kilometer Kabel verlegt. Bild: Ingrid Fiebak-Kremer

An jedem der Schweißarbeitsplätze sind speziell auf die Anforderungen vor Ort zugeschnittene Schweißaggregate verfügbar, die mit Schweißdrahtvorschub, der Medienversorgung mit den jeweiligen Schweißgasen sowie mit Druckluft und Absaugung ausgerüstet sind. Die Schwenkarme lassen sich individuell verstellen, sodass der Geräteträger dem Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz in der gewünschten Höhe mit dem jeweils benötigten Medium zur Verfügung steht. Wege- und Rüstzeiten minimieren sich, notwendige Parametereinstellungen erfolgen schnell.

Auf der Werft herrscht Fließfertigung. „Die Arbeitsportale werden abhängig von Arbeitsaufwand und Größe der Sektion zur Verfügung gestellt“, erläutert Wobken. Eine Taktung beträgt acht bis zehn Stunden. Dabei ist ein Block mit vielen Hotelzimmern oftmals aufwendiger als der Pool- oder Theaterbereich. „In letzterem Fall kommt man mit einem Arbeitsportal klar, für andere Sektionen sind bis zu drei Arbeitsportale gleichzeitig im Einsatz.“

Robustes Energiekettensystem

Auf den Längs- sowie auf den Querachsen des Megakrans kommen zur Medienversorgung der Brenn- und Schweißanlagen robuste Energiezuführungen des Systems E4/4 von igus zum Einsatz – geliefert mit montagefreundlichen Aluminiumrinnen für die sichere Führung der Energieketten auf langen Verfahrwegen.

Auf der Längsfahrt dienen die in der Energiezuführung verlegten Leitungen und Schläuche zur Medienversorgung. „Hier war die Anforderung, dass die verschiedenen Schläuche einen gewissen Bewegungsspielraum bekommen. Denn sie sind mit Druck beaufschlagt und können sich ändern. Sie werden kürzer oder dehnen sich aus“, erklärt Wobken. „Trotzdem müssen sie dabei möglichst positionsgenau liegen und dürfen nur in gewissen, durch die Energiekette definierten Biegeradien geknickt oder gerollt werden.“ Durch spezielle Innenaufteilungselemente der E4/4-Ketten sind die Schläuche sauber verlegt. Sie bewegen sich jederzeit in Längsrichtung frei und üben im Radius keine Zugkraft auf das Energiekettensystem aus.

Neues für den Schiffbau

E-Rover für mobile Containerbrücken
Gummibereifte Portalkrane, RTGs (rubber tyred gantry cranes), sind mobile Containerbrücken. Diese werden mit Diesel betrieben. Um Energiekosten zu sparen und die Umwelt zu schonen, ging der Trend in den letzten Jahren zu elektrisch betriebenen Fahrzeugen, die an einer Energieführung angekoppelt werden, sobald sie in einer Fahrspur sind. Igus hat seinen e-rover weiterentwickelt. Ein System, das ein automatisches An- und Abkoppeln am Energiekettensystem ermöglicht.

RTG am Energiekettensystem

Sobald der RTG am Energiekettensystem „eingesteckt“ wurde, wird die Energieversorgung über den Dieselbetrieb eingestellt. Bild: Igus

So können Energie und Daten sicher und kabelgebunden geführt werden. Der Ankoppelprozess ist in nur einer Minute möglich. Sobald der RTG am Energiekettensystem „eingesteckt“ ist, wird die Energieversorgung über den Dieselbetrieb eingestellt. Derzeit sind Leitungen mit einem Querschnitt von 180 mm² pro Phase umsetzbar. Das System funktioniert über einen Teleskoparm am RTG, der ein- und ausfährt. Die Vorteile: Ein mögliches automatisches Koppeln und der Ausgleich von horizontalen und vertikalen Unebenheiten und Versätzen im Verfahrweg.

Energieketten und Führungsbahnen

Die Verfahrwege der Längsachse liegen bei 75 Meter. Um eine Anordnung der Arbeitsportale auf acht sich überschneidende Verfahrwege zu realisieren, laufen die Energieketten teils parallel, teils gegenläufig auf zwei nebeneinander angeordneten Bahnen in Aluminium-Führungsrinnen. Heinrich Kampen, Geschäftsführer von Siempelkamp, dazu: „Hier war eine äußerst kompakte Anordnung der acht Energiezuführungen wichtig, um eine einwandfreie Versorgung aller acht Schweißportale sicher zu stellen.“ Die besondere Herausforderung bei der Montage war die Abfolge der Portale. Sie müssen ihren jeweiligen Bereich abfahren können, ohne dass sich die Mitnehmer ins Gehege kommen. Die beiden parallel laufenden Führungsrinnen verschwinden dabei praktisch zur Hälfte im Doppel-T-Träger der Kranbahn. „Das ganze Energiekettensystem ist sehr kompakt bauend, nichts hängt im Blick- oder Sichtfeld“, erläutert Carsten Jeschke, technischer Verkaufsberater bei Igus.

Auf der Querachse sind die Energiekettensysteme zudem mit hochbiegefesten „Chainflex“-Spezialleitungen bestückt, die der Übertragung von Leistung und Steuersignalen dienen. hei

Von Andreas Wolf
post_image_89931_8.gif

Andreas Wolf
Igus

Sie möchten gerne weiterlesen?