„In alle Strukturen einbringen, in denen es Kräfte gibt“

Martin Wolf,
Martin Wolf ist im strategischen Geschäftsfeld Industrie 4.0 der Produktmanager Digitale Services für den Bereich Wind. (Bild: ke NEXT / bf)

Nicht nur in Windenergieanlagen wird Lagersensorik wichtiger, aber dort lohnt es sich aufgrund der hohen Lagerpreise sowie enormer Wartungskosten ganz besonders. Drei Experten geben Auskunft.

Eigentlich sind Windenergieanlagen doch ganz gut mit Sensoren versorgt. Warum haben Sie einen weiteren entwickelt?

Martin Wolf: Richtig. Aber wir wollen punktuell dort, wo uns ein Parameter fehlt, der wichtig ist, um die Lagerperformance bewerten zu können, eine Lücke schließen.

Benedikt Neugebauer: Generell nehmen wir die Daten, die verfügbar sind. Am Getriebe gibt es in der Regel viele Sensoren: Schwingungen, Temperaturen, Ölqualität. Schwieriger wird es aber beim Thema Hauptlager. Dafür haben wir für die Qualität der Schmierung Grease-Check, und nun eben speziell diesen Load-Sense-Pin, um nicht nur das Getriebe bewerten zu können, sondern die Analyse auf den gesamten Antriebsstrang bis hin zum Hauptlager auszuweiten.

Jens Heim,
Jens Heim ist bei Schaeffler als Senior Expert Systemintegration zuständig für Sensorentwicklungen. (Bild: ke NEXT / bf)

Woher wissen Sie, was Sie messen müssen?

Martin Wolf: Wir haben zusammen mit unseren Kunden analysiert, was die generellen Risiken im Bereich Wind sind. Was sind die Schadensmechanismen und was sind die Einflussgrößen, die diese Schäden im Feld verursachen? Was hat für den Kunden später einen Mehrwert? Im letzten Schritt haben wir dann überlegt, wie können wir diese Einflussgrößen messen?

Benedikt Neugebauer: Wir haben dann unsere Toolkette umgedreht. Normalerweise sind für unsere Simulationstools Lastdaten vorgegeben. Dann geht es in die Berechnung zur Lager­auslegung. Jetzt messen wir Lastdaten tatsächlich real live. Diese Lastdaten werden in die Simulation gespeist, um zu sehen, wie es dem Lager geht. Kann ich es künftig so weiter betreiben? Muss ich vielleicht aktiv werden, um zu verhindern, dass eine Schädigung eintritt?

Bei Ihrem neuen Load-Sense-Pin geht es ja um das Rotorhauptlager? Was ist hier das Problem?

Martin Wolf: Im Bereich Wind gibt es stark schwankende Lasten, Wind weht nie gleichmäßig. Gerade Böen können zeitweise zu Verformungen der Ringe und des ganzen Lagers führen. Dadurch kann die Vorspannung für eine kurze Zeit nachlassen, und in der Zeit können sich dann auch Schrauben etwas lösen. Solche Effekte tragen dazu bei, dass die Schraubenvorspannung und damit die Lagervorspannung nachlässt.

Benedikt Neugebauer,
Benedikt Neugebauer beschäftigt sich als Anwendungstechniker im Bereich Windkraft mit fachübergreifenden Themen wie Sensorik. (Bild: ke NEXT / bf)

Wie hilft hier der Load-Sense-Pin?

Jens Heim: Einmal können wir die Vorspannung messen, indem wir den Sensor im Lagerring in den Kraftfluss der Schraubenvorspannung einbringen. Wir können aber auch die Lagerlast erfassen, wenn wir ihn in der Nähe der Laufbahn platzieren. Dort wird mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode der passende Ort ausgesucht, sodass ich auf der einen Seite keine Rückwirkung auf die Laufbahn habe und auf der anderen Seite genügend Messeffekt, um die Last jedes freilaufenden Wälzkörpers zu sehen. Das sind nur zwei mögliche Anwendungsfälle des Load-Sense-Pins.

Werden diese Daten in Echtzeit analysiert?

Martin Wolf: Kommt darauf an. Wenn es um das Thema Betriebsstrategie geht, braucht man im Prinzip eine permanente Überwachung. Wenn es aber darum geht, den Gesundheitszustand des mechanischen Antriebsstranges zu bewerten, reicht auch eine punktuelle Analyse. Die Frage ist schlicht: Was macht Sinn? Ich meine, Datenübertragung ist auch teuer.

Gibt es weitere Anwendungsbereiche, wo sich der Load-Sense-Pin einsetzen lässt?

Jens Heim: Definitiv. Man kann das letztlich in alle Strukturen einbringen, in denen es irgendwelche Kräfte oder Momente gibt. Besonders geeignet ist der Sensor für Druckkräfte. Man kann in gewissen Grenzen auch Zugkräfte damit erfassen, und dementsprechend ist das ein in Strukturen zu integrierender Sensor, den ich in beliebige Stahlbauteile einbringen kann.

Martin Wolf: Im Moment sind wir gerade dabei, den Pin weitestgehend zu standardisieren und möglichst klein auszuführen, damit er in möglichst vielen Anwendungen Platz findet. Bei einem Hauptlager mit drei Meter Durchmesser ist es natürlich leicht, so einen Pin unterzubekommen. Aber in anderen Anwendungen ist es relevant, dass er möglichst klein ausgeführt ist.  wk

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