Winkelmessmodul

Ganz neu ist ein Winkelmessmodul mit integriertem Torque-Motor, das SRP 5080. Das Besondere ist die Zero-Cogging-Technologie sowie die besonders flache Bauweise. (Bild: Heidenhain)

Was die integrierten Messgeräte genau können und wie der Hersteller die hohe Präzision prüft und dokumentiert, hat die ke-NEXT-Redaktion für Sie herausgefunden.

Anspruchsvolle Kunden gibt es genug. Im Laborbereich, in der Halbleiterindustrie, in der Laserbearbeitung, in der Qualitätssicherung. Besonders anspruchsvoll ist beispielsweise die hochpräzise Vermessung von Zahnflanken eines Zahnrades. Da sich die Kontur ständig ändert, muss die Drehgeschwindigkeit stetig nachgeführt werden, damit ein taktiler Messtaster nicht elastisch verformt wird – was das Messergebnis verfälschen würde. Das exakte Zusammenspiel zwischen Antriebseinheit, Lagerung und Winkelmesseinheit ist hier essenziell.

Wie schön wäre es für einen Maschinenhersteller in so einem Fall, bereits komplett aufeinander abgestimmte Systemkomponenten zu erhalten. Vor zwei Jahren, in der ke NEXT 7-8/2013, berichteten wir erstmals über Heidenhains Winkelmessmodule mit integrierter Wälzkörperlagerung. Schon diese nehmen dem Kunden viel Arbeit ab, weil Lager und Messeinrichtung aus einer Hand kommen.

Den 2013 vorgestellten Modulen mit 35 und 100 Millimeter Innendurchmesser wurden mittlerweile ein kleineres mit zehn und ein großes mit 180 Millimeter Durchmesser zur Seite gestellt. Als Zukunftsvision stand damals ein geplantes Modul mit eingebautem Motor im Raum. Und siehe da: Es ist fertig. Ein Messsystem, bei dem die optische Messeinrichtung nicht nur mit einem Präzisions-Wälzlager, sondern auch mit einem Torque-Motor zu einem einzigen Bauteil verschmolzen ist.

IP-40-Version
Wenn eine höhere Schutzart nötig ist: Die beiden mittleren Baugrößen (35 und 100 mm) sind auch als IP-40-Version verfügbar, etwa für rauere Anwendungen wie Laserbearbeitung. (Bild: Heidenhain)

Ein Drehmoment-Motor ohne Nebenwirkungen

MRP 6010
Auf der vergangenen Fachmesse Control stellte Heidenhain mit dem MRP 6010 ein Winkelmessmodul für höhere Lasten und besonders große Innendurchmesser vor. (Bild: Heidenhain)

Ein Torque-Motor ist üblicherweise ein auf hohe Drehmomente optimierter Servomotor mit Hohlwelle. Die Hohlwelle ist dort vorteilhaft, wo Daten- oder Medienleitungen durch das Zentrum geführt werden müssen oder sogar optische Strahlengänge durch die Drehachse verlaufen. Was sich allerdings als hinderlich erweist ist das, was dem Torque-Motor seinen Namen verschafft hat: sein Drehmoment bzw. dessen unerwünschte Nebenerscheinungen.

Denn zum Einen führen die starken Magnetkräfte, falls der Motor nicht in idealer Weise symmetrisch aufgebaut ist, zu sehr starken seitlichen Kräften und damit Kippmomenten auf die Lagerung – bei Messungen im Nanometerbereich sehr ungünstig. Und zum Anderen haben drehmomentstarke Motoren ein ausgeprägtes Rastmoment, was zu unerwünschten Kraft- und Geschwindigkeitsschwankungen der Achse führt und regelungstechnisch nur sehr schwer in den Griff zu bekommen ist.

Winkelmessmodul MRP 5080
Am Winkelmessmodul MRP 5080 sieht man die feine optische Teilung der Messeinheit. Neben bestmöglicher Führungsgenauigkeit sind die Module auch auf geringen Platzbedarf und große Innendurchmesser hin entwickelt. (Bild: Heidenhain)

Da trifft es sich gut, dass Heidenhain mit der hundertprozentigen Tochterfirma Etel einen ausgewiesenen Motor-Spezialisten im Verbund hat. Die Schweizer Firma fertigt Linear- und Torque-Motoren samt zugehöriger Controller für den Highend-Bereich. Zusammen mit den eidgenössischen Technikern wurde nun ein Torque-Motor entwickelt, der ein ausgesprochen geringes Rastmoment aufweist, welches nur knapp über der technischen Messbarkeit liegt. Zero-Cogging nennen die Entwickler das.

Ziel war es nicht, nur einen für High-End Applikationen geeigneten Motor zu erhalten. Sondern Rotor und Stator sollten so mit dem Lager und der Mess­einheit verschmelzen, dass ein kompaktes Bauteil entsteht, das bezüglich thermischer und geometrischer Gestaltung eine möglichst gleichmäße und präzise Bewegungsführung ermöglicht. Im Falle des ersten Serienmodells SRP 5080 mit einem Innendurchmesser von 35 Millimeter bedeutet das, dass der Torque-Motor außen um das Lager herum gebaut wurde, um ein möglichst kleines Volumen und zugleich eine geringe Bauhöhe zu erreichen.

Genauigkeitsmessung bei Kippbelastung
Versuchsanordnung zur Genauigkeitsmessung bei Kippbelastung. Unterhalb (nicht sichtbar) befindet sich eine hochgenaue Winkelmessmaschine, mit der die Genauigkeit des Winkelmessmoduls vermessen wird.

Doch was nutzen schöne Worte, wenn man sich der Präzision nicht sicher sein kann? Also muss das Messgerät vermessen werden. Leider gibt es für die Vermessung von Rundachsen mit Genauigkeiten im Nanometerbereich keine passende Norm. Die meisten Vermessungen beruhen auf Rund- oder Planlaufmessungen. Allerdings ist es hier oft schwer zu unterscheiden, ob ein Fehler auf das Lager, das Prüfteil oder den Aufbau zurückzuführen ist.

Kippbelastung

Schließlich können Lager Führungsfehler in fünf Dimensionen aufweisen: Translation in drei Richtungen sowie ein Verkippen in zwei Richtungen. Diese Fehler müssen für Messtechnik-Anwendungen voneinander separiert und quantifiziert werden. Zudem muss der reproduzierbare Anteil der Fehler von dem nichtreproduzierbaren Anteil getrennt werden. Gerade in Metrologie-Applikationen ist es oft so, dass der reproduzierbare Anteil weniger stört, der nicht reproduzierbare aber als Messunsicherheit direkt in die Messung eingeht.

Deshalb hat Heidenhain eine spezielle Messapparatur erfunden, bei der zwei Präzisionskugeln in unterschiedlicher Höhe über dem Lager angeordnet werden. Mit zwei rechtwinklig angeordneten Messtastern wird die Translation in X- und Y-Richtung bestimmt. Schließlich kann es sein, dass die Translation in eine Richtung größer ist als in die andere. Durch die zwei unterschiedlich hohen Kugeln wird zudem die Verkippung gemessen. Um auch noch Informationen über die axiale Bewegung zu erhalten, gibt es einen fünften Taster, der oben auf der Spitze die Z-Bewegungen aufnimmt.

Führungsgenauigkeit
Die Messmethode von Heidenhain erlaubt, die reproduzierbaren von den nicht reproduzierbaren Fehlern zu separieren. Ein Messprotokoll belegt die Führungsgenauigkeit.

Natürlich lassen sich alle Winkelmessmodule, ob mit oder ohne Motor, kundenspezifisch anpassen. Höhere Lasten, Steifigkeiten oder Drehzahlen, geringere Reibmomente oder elektrische Isolation – neben Anpassungen der Geometrie sind Wälzkörper aus Keramik und angepasste Schmierstoffe die Mittel der Wahl, um möglichst vielen Anwendungen gerecht werden zu können. Nachfragen lohnt sich also.

Interview mit Andreas Hager, Heidenhain

Andreas Hager
„Unsere Lebensdauerbetrachtung ist sehr konservativ. Grundsätzlich kann man die spezifizierten Lasten durchaus um den Faktor 3 überschreiten, ohne dass es ernsthafte Probleme mit der Lagerung gäbe.“ Andreas Hager, Heidenhain

„Das ist schon ziemlich herausragend“

Der Trend zu immer kompakteren Maschinen und Apparaten führt dazu, dass auf Messeinrichtungen heute höhere Anforderungen zukommen. ke NEXT sprach mit dem Senior Product Manager Encoders bei Heidenhain über Marktanforderungen und darüber, was bei motorisierten Messmodulen künftig zu erwarten ist.

Für Ihre Winkelmessmodule haben Sie ja ein recht aufwendiges Messverfahren entwickelt. Testen Sie auf diese Weise jedes Modul oder machen Sie Stichproben?

Gerade in den Metrologie-Anwendungen ist es natürlich wichtig, dass der Kunde tatsächlich bei jedem einzelnen Lager weiß, wie es sich verhält. Deswegen wird auch jedes Winkelmessmodul auf Führungsgenauigkeit und Taumel vermessen und jedes kriegt ein Protokoll dazu. Für axiale Belastung oder Kipplasten führen wir so genannte Typtests durch, die dann als Spezifikationswerte im Katalog mit eingetragen werden.

Axiale und Kipplasten? Ihr Lager ist ja Teil eines Messsystems und kein Lastlager. Wie stark kann man Ihre Lager denn belasten, bevor die Messgenauigkeit leidet?

Da muss ich vielleicht ein bisschen ausholen. Wir spezifizieren eine axiale und radiale Last und eine Kipplast, unterhalb der wir die Systemgenauigkeit garantieren. Der Punkt ist aber: Die Lebensdauerbetrachtung, die wir machen, ist sehr, sehr konservativ. Das heißt, es gibt einen gewissen Grenzwert, und wenn man den unterschreitet, dann ist das Lager rein rechnerisch dauerfest.

Wenn der Kunde unter dieser Last bleibt, muss er sich keine Sorgen machen, dass es ein Problem mit der Lebensdauer gibt oder die Genauigkeit sich signifikant verändert. Dies definiert im Wesentlichen unsere spezifizierten Lasten. Allerdings: Fast die Hälfte unserer Kunden fragt nach höheren Lasten, nach höheren Kippmomenten. Das ist natürlich auch möglich, aber dann muss man zusammen mit dem Kunden die Randbedingungen genau bestimmen und darauf hin über die Einsatzbedingungen bzgl. errechneter Lebensdauer, Systemgenauigkeit, Drehzahl usw. sprechen. Grundsätzlich kann man die spezifizierten Lasten deutlich überschreiten, ohne dass es ernsthafte Auswirkungen mit der Lagerung und Genauigkeit gäbe. Aber das erfolgt dann praktisch immer individuell mit dem Kunden. Da gehen wir dann in die Berechnung, machen Simulationen und Messungen, und erst dann können wir das für den Kunden so freigeben.

Bei Ihrem neuen Winkelmessmodul mit integriertem Torque-Motor sprechen Sie von Zero-Cogging. Lässt sich das Rastmoment aus einem solchen Motor tatsächlich gänzlich eliminieren?

Also gänzlich eliminieren, da muss man schon fragen, was heißt eliminieren? Wann ist ein Rastmoment ganz weg? Wir sind mit unserem Motor in dem Bereich, wo wir das Restcogging kaum noch erfassen können. Da sind wir schon an der Auslastungsgrenze der Sensoren, die wir momentan einsetzen. Aktuell sind wir kleiner als ein halbes Prozent vom Nenndrehmoment. Das ist, würde ich mal sagen, schon ziemlich herausragend.

Sie bieten das Winkelmessmodul mit Motor derzeit mit einem Innendurchmesser von 35 mm an. Sind weitere Modelle geplant?

Wir arbeiten derzeit an der nächsten Baugröße, also mit 100er-Innendurchmesser. Die ist im Prototypenstadium. Hier wird der Motor wohl über dem Lager sitzen, denn wenn wir ihn wie beim 35er außen integrieren, wäre das Modul zwar wahnsinnig flach, hätte aber einen sehr großen Außendurchmesser. Generell ist es unser Anspruch, das Ganze möglichst kompakt zu bauen. Denn nur bei kompakter Bauweise kann ich die hohe Steifigkeit der Lagerung tatsächlich nutzen.

Ab wann sind die Motormodule denn verfügbar?

Das kleinere Modul kann man aktuell bestellen, das können wir in diesem Jahr schon liefern. Der größere Motor wird wohl noch bis nächstes Jahr brauchen. Bei der Größe muss neben dem zu reduzierenden Rastmoment auch die entstehende Temperatur ideal in die Struktur abgeleitet werden, das ist schon eine ziemlich anspruchsvolle Aufgabe. Aber da wir ohnehin immer kundenspezifisch optimieren, freuen wir uns auch hier über Anfragen. wk

Reibmoment der Lagerungen
Für viele Anwendungen ist ein sehr gleichmäßiges und oft auch ein geringes Reibmoment der Lagerungen wichtig.

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